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bestellen, denen die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Vorschriften
und der Schutz des individuellen Rechtskreises obliegt. Diese Organe
sind die Verwaltungsgerichte?.
In den deutschen Territorien bildete sich das Verwaltungs-
recht zunächst durch Verordnungen der Landesherren aus. Ein
gesetzliches Verwaltungsrecht konnte sich in ihnen nicht entwickeln,
weil der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung dort über-
haupt unbekannt war. Es bestand daher auch kein der Verwaltung
gegenüber geschützter individueller Rechtskreis. Die Handhabung
der auf die Verwaltung bezüglichen Vorschriften war lediglich den
Verwaltungsbehörden überlassen. Diese besaßen ein Entscheidungs-
recht in allen Verwaltungsangelegenheiten, bei denen sie nur an die
von dem Landesherrn ausgehenden allgemeinen Anordnungen ge
bunden waren. Vom Landesherren selbst konnten letztere jederzeit,
auch für den einzelnen Fall, außer Anwendung gesetzt werden. Eine
rechtliche Beschränkung der Verwaltungsbefugnisse der Landesherren
war dagegen nur in dem Reichsrecht enthalten. Die Sorge für Auf-
rechterhaltung dieser reichsrechtlichen Vorschriften stand den Reichs-
gerichten zu. Wegen jeder Verletzung, welche ein Einzelner durch
eine in Ausübung landesherrlicher Hoheitsrechte erlassene Verfügung
erlitt, konnte Klage bei den Reichsgerichten erhoben werden*. Diese
Beschränkung der landesherrlichen Gewalt durch die Reichsgerichte
hatte jedoch werentlich nur für die kleineren Territorien Bedeutung;
gegenüber den größeren Territorialherren war der Rekurs tatsächlich
undurchführbar. Außerdem waren die Landesherren bemüht, ihm
reichsgesetzliche Schranken zu ziehen®. Mit der Auflösung des Reiches
hörten die Reichsgesetze auf zu existieren und damit verschwand von
selbst die Klage wegen Mißbrauchs der landesherrlichen Gewalt bei
denselben.
Die Einführung der konstitutionellen Verfassungen und
der damit entstehende Unterschied von Gesetz und Verordnung
hatte eine rechtliche Beschränkung der Verwaltungsbefugnisse zur
Folge. Durch die Verfassungen wurden den Staatsangehörigen ge-
wisse individuelle Freiheitsrechte, sogenannte Grundrechte, zugesichert.
Eine eingehende Verwaltungsgesetzgebung regelte die Funktionen der
Verwaltungsbehörden und suchte den individuellen Rechtskreis gegen-
über den Befugnissen der Verwaltungsorgane abzugrenzen. Trotzdem
blieb die Anwendung der Verwaltungsgesetze zunächst lediglich den
Verwaltungsbehörden überlassen. Ihr Entscheidungsrecht erstreckte
sich sowohl auf die bei den Verwaltungsangelegenheiten in Betracht
kommenden Gesichtspunkte der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, als
3 (Otto Maye r 1, 178: Ein Verwaltungsgericht ist eine Behörde, welche
eigens dazu bestellt ist, Verwaltungsrechtspflege zu üben. — Über die geschicht-
liche‘ Entwicklung vgl. auch Otto Mayer 1, 23; Fleiner, Umbil ung zivi-
listischer Institute durch das öffentliche Recht 1906 S.8; Anschütz, Verw.R.
*.Bähr, Rechtsstaat S. 110; Gneist, Rechtsstaat 8. 81; E. Meier Zeit-
schrift f. deutsch. Staatsr. 1, 279; Loening, Verw.R. $ 199.
5 R. A. von 1594, $ 94, 95, R. H. O. von 1654, Tit II, $2, J.R. A. 88 105
und 106; W. C. Art. 15, 19, 8 6.