Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

38 Erstes Buch. 59. 
bestellen, denen die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Vorschriften 
und der Schutz des individuellen Rechtskreises obliegt. Diese Organe 
sind die Verwaltungsgerichte?. 
In den deutschen Territorien bildete sich das Verwaltungs- 
recht zunächst durch Verordnungen der Landesherren aus. Ein 
gesetzliches Verwaltungsrecht konnte sich in ihnen nicht entwickeln, 
weil der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung dort über- 
haupt unbekannt war. Es bestand daher auch kein der Verwaltung 
gegenüber geschützter individueller Rechtskreis. Die Handhabung 
der auf die Verwaltung bezüglichen Vorschriften war lediglich den 
Verwaltungsbehörden überlassen. Diese besaßen ein Entscheidungs- 
recht in allen Verwaltungsangelegenheiten, bei denen sie nur an die 
von dem Landesherrn ausgehenden allgemeinen Anordnungen ge 
bunden waren. Vom Landesherren selbst konnten letztere jederzeit, 
auch für den einzelnen Fall, außer Anwendung gesetzt werden. Eine 
rechtliche Beschränkung der Verwaltungsbefugnisse der Landesherren 
war dagegen nur in dem Reichsrecht enthalten. Die Sorge für Auf- 
rechterhaltung dieser reichsrechtlichen Vorschriften stand den Reichs- 
gerichten zu. Wegen jeder Verletzung, welche ein Einzelner durch 
eine in Ausübung landesherrlicher Hoheitsrechte erlassene Verfügung 
erlitt, konnte Klage bei den Reichsgerichten erhoben werden*. Diese 
Beschränkung der landesherrlichen Gewalt durch die Reichsgerichte 
hatte jedoch werentlich nur für die kleineren Territorien Bedeutung; 
gegenüber den größeren Territorialherren war der Rekurs tatsächlich 
undurchführbar. Außerdem waren die Landesherren bemüht, ihm 
reichsgesetzliche Schranken zu ziehen®. Mit der Auflösung des Reiches 
hörten die Reichsgesetze auf zu existieren und damit verschwand von 
selbst die Klage wegen Mißbrauchs der landesherrlichen Gewalt bei 
denselben. 
Die Einführung der konstitutionellen Verfassungen und 
der damit entstehende Unterschied von Gesetz und Verordnung 
hatte eine rechtliche Beschränkung der Verwaltungsbefugnisse zur 
Folge. Durch die Verfassungen wurden den Staatsangehörigen ge- 
wisse individuelle Freiheitsrechte, sogenannte Grundrechte, zugesichert. 
Eine eingehende Verwaltungsgesetzgebung regelte die Funktionen der 
Verwaltungsbehörden und suchte den individuellen Rechtskreis gegen- 
über den Befugnissen der Verwaltungsorgane abzugrenzen. Trotzdem 
blieb die Anwendung der Verwaltungsgesetze zunächst lediglich den 
Verwaltungsbehörden überlassen. Ihr Entscheidungsrecht erstreckte 
sich sowohl auf die bei den Verwaltungsangelegenheiten in Betracht 
kommenden Gesichtspunkte der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, als 
3 (Otto Maye r 1, 178: Ein Verwaltungsgericht ist eine Behörde, welche 
eigens dazu bestellt ist, Verwaltungsrechtspflege zu üben. — Über die geschicht- 
liche‘ Entwicklung vgl. auch Otto Mayer 1, 23; Fleiner, Umbil ung zivi- 
listischer Institute durch das öffentliche Recht 1906 S.8; Anschütz, Verw.R. 
*.Bähr, Rechtsstaat S. 110; Gneist, Rechtsstaat 8. 81; E. Meier Zeit- 
schrift f. deutsch. Staatsr. 1, 279; Loening, Verw.R. $ 199. 
5 R. A. von 1594, $ 94, 95, R. H. O. von 1654, Tit II, $2, J.R. A. 88 105 
und 106; W. C. Art. 15, 19, 8 6.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.