Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

550 Viertes Buch. Dritter Abschnitt. $ 19. 
1. Im Landheer steht nach der Reichsverfassung die 
Ernennung der Offiziere den Kontingentsherren zu!®. Nur für 
gewisse höhere Offiziersstellen ist das Ernennungsrecht den Kon- 
tingentsherren entzogen und dem Kaiser ausschließlich vorbehalten, 
oder wenigstens von einer Mitwirkung des Kaisers abhängig gemacht 
worden!*. Dem Kaiser steht die Ernennung des Höchstkomman- 
dierenden jedes Kontingents, der Offiziere, welche Truppen von mehr 
als einem Koniingent befehligen, und der Festungskommandanten 
zu. Außerdem darf die Ernennung von Generalen und Offizieren, 
welche Generalsstellungen versehen, seitens der Kontingentsherren 
nur nach eingeholter Zustimmung des Kaisers erfolgen. Die von 
den Kontingentsherren vollzogenen Ernennungen sind von einem 
verantwortlichen Minister, regelmäßig dem Kriegsminister, die vom 
Kaiser vollzogenen vom Reichskanzler zu kontrasignieren. Die 
durch den Kaiser ernannten Offiziere haben diesem den Fahneneid 
zu leisten. 
Die Vorschriften der Reichsverfassung sind: aber durch die 
Bestimmungen der Konventionen wesentlich durchbrochen und 
modifiziert worden, so daß im Reiche folgender Rechtszustand besteht. 
a) Im Verbande der preußischen Armee steht dem Kaiser 
die Ernennung aller Offiziere, teils in seiner Eigenschaft als König 
von Preußen und Kontingentsherr des preußischen Kontingentes, 
teils in seiner Eigenschaft als Kaiser zu!5. Die Unterscheidung der 
kontingentsherrlichen und der kaiserlichen Befugnisse hat hier nur 
Auffassung (daß die Ernennung der Offiziere als ein Ausfluß des Oberbefehls 
zu betrachten sei), ist zurzeit [1894] auch in der Praxis, wenigstens der-preußi- 
schen, noch vorherrschend. (Gegenstand des Oberbefehls ist aber nur die 
Kommandierung zu einer bestimmten Stellung, die von der Emennung zum 
Offizier ebenso verschieden ist wie die Übertragung eines bestimmten Amtes 
von der Ernennung zum Beamten. Bloße Versetzungen sind daher allerding® 
Ausfluß des Oberbefehls und stehen innerhalb gewisser Grenzen auch den 
Truppenbefehlshabern zu, In Bayern werden die Ordres, welche Ernennunge? 
enthalten, vom Kriegsminister gegengezeichnet (Seydel, bayr. Staater., Bd. VI, 
S. 509. Auch in Preußen hat der Kriegsminister, wenn auch eine Gegen- 
zeichnung der Ordres selbst durch ihn nicht stattfindet, nach Maßgabe des 
A.H.Erlasses vom 18. Jan. 1861 eine nachträgliche Kontrasignatur behufs Mit- 
teilung oder Aufbewahrung bei den Akten vorzunehmen; denn diese ist für 
alle Ördres ‘in Militärdienst- und Personalangelegenheiten vorgeschriebe®: 
welche auf den Militäretat von Einfluß sind. Da die Ernennung der Offiziere 
em Bereiche der Militärverwaltung angehört, so entspricht die Überlassung 
jerselben an die Kontingentsherren durchaus der allgemeinen Verteilung der 
3efugnisse zwischen diesen und dem Kaiser. Es ist daher nicht nötig, hier 
ie doch nur wenig zutreffende Analogie des Patronatsrechtes (Brockhau® 
2.0.8. 219 ; senel a. a. O. S. 506, 507) heranzuziehen. 
. Art. 66. 
14 R.Verf. Art. 64. 
1° Konvention mit Baden Art. 1, mit Hessen Art. 4, mit Mecklenburg, 
Schwerin vom 24. Juli 1868 Art.1, mit Mecklenburg-Strelitz vom 9. Nov. 186% 
Art. 1, mit Oldenburg Art. 2, mit den thüringischen Staaten Art. 10, mit Anha 
Art. 10, mit Braunschweig Art. 1. In den Konventionen mit den übrigen, 
kleineren Staaten wird das Ernennungsrecht der Offiziere nicht ausdrück bt 
erwähnt. Daß es in diesen Staaten dem König von Preußen zusteht, erg! 
sich aber von selbst daraus, daß diese Staaten auf die Aufstellung eines eig he 
Kontingentes völlig verzichtet haben und in ihren Gebieten lediglich preu ische 
Truppen garnisonieren. 
  
  
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