UI. Verwaltungsgerichtsbarkeit. $ 9. 41
hältnisse, Die Stellung der Minister wurde eine parteimäßige, die
Organisation der Verwaltun sbehörden nahm eine bureaumäßige Ge-
stalt an, die unteren Verwa tungsorgane gerieten mehr und mehr in
eine Abhängigkeit von der zeitigen Ministerialverwaltung. Dadurch
entstand die Gefahr einer parteilichen Handhabung der Verwaltungs-
befugnisse, und eine solche machte sich namentlich in Preußen in
er Reaktionsperiode von 1850—58 in bedenklichster Weise be-
merkbar !°, .
. , Für das deutsche Staatsleben trat daher das Problem auf, Ein-
richtungen zu schaffen, durch die eine mißbräuchliche Handhabung
der obrigkeitlichen Gewalt verhindert werden konnte. Von einer
Seite glaubte man dasselbe dadurch lösen zu können, daß man
ie Verwaltung der Kontrolle der ordentlichen Gerichte unterstellte.
Gegen Rechtsverletzungen durch die Verwaltung sollte dem Einzelnen
eine Klage bei den Gerichten, gegen Interessenverletzungen eine Be-
schwerde bei den höheren Verwaltungsbehörden gegeben sein'.
egen diesen Vorschlag wurden jedoch von anderer Seite mit
Recht Einwendungen erhoben und die Errichtung besonderer Ver-
waltungsgerichte für die Entscheidung der Rechtsfragen des Ver-
waltungsrechtes empfohlen. Die Vertreter der letzteren Ansicht hoben
namentlich hervor, daß eine Aufsicht der Gerichte über die Ver-
waltung zu einer völligen Lahmlegung der letzteren führen könne,
und daß die überwiegend strafrechtliche und privatrechtliche Bildung
er deutschen Richter die notwendige Einsicht in die Fragen des
Verwaltungsrechtes leicht werde vermissen lassen !2, .
er Streit hat seine Lösung im letzteren Sinne gefunden.
In fast allen ‘größeren deutschen Staaten sind besondere Ver-
waltun gsgerichte errichtet worden, denen die Aufrechterhaltung
der Rechtskontrollen der Verwaltung zusteht: zuerst in Baden !® im
Jahre 1863, sodann seit 1875 in Preußen !*, Hessen”, Württemberg !®,
ı% Gneist, zur Verwaltungsreform $. 15 ff. , .
11 Diesen Standpunkt vertreten namentlich Bähr, v. Stengel, S chmitt,
L. v. Stein, Seydel, Allgemeine Staatslehre S. 83 ff.; Gierke, Tüb . Zeit-
schrift 80, 197. [Weitere Literaturangaben bei Meyer-Anschütz $ 182 ]
* Diesen Standpunkt vertreten Gneist, namentlich Rechtsstaat S. 262 ff.
und in den Verhandlungen des zwölften deutschen J uristentages (Stenogr. Berichte
S. 231 8); Ulbrich a.a.0. $. 78: Pann, Verwaltungsjustiz S. 23 f.; Sarwey
2.2.0.8.81 ff.; H. Roesler a. a. 0.; ferner E. Meier, Encykl.; H. Schulze,
preuß. Staatsr. $ 276, Bd. II, S. 655 ff.; Der Rechtsschutz auf dem Gebiete des
öffentlichen Rechtes. 1873,
\ı® Bad. G., die Organisation der inneren Verwaltung betr., vom 5. Oktober
1863, (Verw.G.); G., den Verwaltungsgerichtshof und das verwaltungsgerichtliche
Verfahren betr., vom 24. Januar 1880. G., das verwaltungsgerichtliche Verfahren
betr. vom 12. April 1882; G., die Verwaltungsrechtspflege betr., vom 14. Juni
1884. (Verw.Ger.G.); [neu publiziert durch Bek. vom 16. Nov. 1899. abg. durch
G. vom 18, Juli, 3%. Juli und 24. Aug. 1904, G. vom 28. Sept. 1906, G. vom
15. Okt. 1908. Vgl. Walz, bad. Staater. 8 40. . .
“ In Preußen erfolgte die Einrichtung der Verwaltungsgerichtebarkeit
zunächst für die östlichen Provinzen mit Ausnahme von Posen und für die
hohenzollernschen Lande durch das G.. betr. die Verfassung der Verwaltun :
gerichte und das Verwaltungsstreitverfahren, vom 9. Juli 1875. Im Anschlu!
an dieses Gesetz wurde ein Gesetz betr. die Zuständi keit der Verwaltunge-
behörden und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 26. Juli 1876 erlassen. Das