Einleitung. $ 218. 613
Die Verwaltungstätigkeiten auf dem Gebiete der Finanzverwaltung
scheiden sich ihrer rechtlichen Natur nach in zweiG@ruppen. Ein
Teil besteht in Akten der Vermögensverwaltung, die nicht
als Ausübung spezifisch staatlicher Befugnisse ‘erscheinen, sondern
sich in den regelmäßigen Formen vermögensrechtlichen Verkehrs
bewegen und ebensogut von Privatpersonen wie von staatlichen Or-
ganen vorgenommen werden könnten. Diese Tätigkeiten kommen
auf dem Gebiete der staatlichen Vermögensverwaltung, der Staats-
ausgaben, der Staatsschulden und der Staatseinnahmen vor, sofern
letztere aus Vertragsverhältnissen zwischen dem Staate und Privat-
personen hervorgehen. Sie sind privatrechtlicher Natur und
bewegen sich in den Formen des Privatrechtes. Der andere Teil
staatlicher Verwaltungstätigkeiten besteht in der Ausübung obrig-
oder Finanzgebarung, und sodann erscheint sie als Organisation einer
zuverlässig wirkenden Nachprüfung jener Resultate oder Kontrolle des
Staatshaushalts. — Über Begriff und Bedeutung der Komptabilität (Grund-
züge des Etats-, Kassen- und Rechnungswesens) vgl. Schwarz,
Formelle Finanzverwaltung S. 1. — Preuß. G., betr. den Staatshaushalt vom
11. Mai 1898; sächs. G., betr. den Staatshaushalt vom 1. Juli 1904; bad. G.,
betr. den Staatsvoranschlag und die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben
des Staates vom 22. Mai 1882 und vom 24. Juli 1888; hess. G., betr. die Ver-
waltung der Einnahmen und Ausgaben des Staates vom 14. Juni 1879.
6 Die Funktionen der Finanzverwaltung blieben unbedeutend, so lange
die Staatsverwaltung auf Naturalwirtschaft basiert war; sie beschränkten sich.
während dieser Zeit im wesentlichen auf Bewirtschaftung der königlichen und
landesherrlichen Güter und Erhebung der dem Könige oder den Landesherren
zu prästierenden Naturalabgsben. Erst mit der allmählichen Ausbildung der
Geldwirtschaft erlangte die Finanzverwaltung einen größeren Umfang und eine
ößere Bedeutung. Es bildeten sich das Steuerwesen und die Aufänge des
Schuldenwesens aus. Je mehr die Aufgaben des Staates sich ausdehnten, desto
größer wurde der Bedarf nach Mitteln. Namentlich erforderten die Errichtung
stehender Heere, die Ausbildung des landesherrlichen Beamtentums und die
Ausdehnung der staatlichen Sorge für Volkskultur und Volkswohlfahrt immer
bedeutendere Summen. Die Erschließung weiterer Einnahmequellen trat daher
mehr und mehr in den Vordergrund staatlicher Tätigkeit. Da für alle staat-
lichen Verwaltungszweige finanzielle Mittel zur Bestreitung der dadurch ver-
anlaßten Ausgaben notwendig sind, so steht die Finanzverwaltung in Beziehung
zu allen anderen Verwaltungsressorts. Sie hat sich daher in neuerer Zeit zu
einer Art von Zentralpunkt der staatlichen Verwaltung herausgebildet.
Gleichzeitig mit den staatlichen Finanzen entwickelten sich auch die der
Gemeinden. Die Städte, Reichs- und Landstädte, besaßen schon während
des Mittelalters eine ausgebildete Finanzverwaltung. Dagegen blieben die
Landgemeinden noch sehr lange auf dem Standpunkte der Naturalwirtschaft
stehen, von der sich einzelne Reste sogar bis in unsere Zeit hinein erhalten
haben. Mit der im 19. Jahrhundert erfolgten Reform der Gemeindeverfassun
haben die Gemeindefinanzen eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Die Organı-
sation der höheren Kommunalverbände hat zur Folge gehabt, daß auch inner-
halb dieser, also innerhalb der Kreise, Bezirke und Provinzen, eine besondere
Finanzverwaltung entstanden ist. u .
Durch die Gründung des Deutschen Reiches hat sich neben der Finanz-
verwaltung der Einzelstaaten eine Finanzverwaltung des Reiches entwickelt.
Bei der Behandlung der deutschen Finanzverwaltung sind daher die
Finanzen der Einzelstaaten, der Kommunalverbände und des Deut-
schen Reiches zum Gegenstande der ‚Darstellung zu machen. Die Finanz-
verwaltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen ist der der Einzelstaaten analog
estaltet. — Über die geschichtliche Entwicklung der Finanzverwaltung in
eutschland vgl. Meyer-Anschütz $ 202.