Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

48 Erstes Buch. $ 11. 
Dagegen ist der Anwendungsbereich der Verwaltungsgerichts- 
barkeit allerdings insofern ein beschränkter, als letztere nur auf 
denjenigen Verwaltungsgebieton tätig werden kann, auf welchen die 
Befugnisse der Verwaltungsorgane durch objektive Rechtsvorschriften 
begrenzt sind. Diejenigen Verwaltungshandlungen, welche die Ver- 
waltungsbehörden nach freiem Ermessen vorzunehmen berechtigt sind, 
eignen sich nicht dazu, zum Gegenstand richterlicher Kognition ge- 
macht zu werden®. Allerdings ist auch innerhalb der Grenzen des 
Mayer 1, 163.] Sie wird beispielsweise vertreten von Bähr n. a. O. 8. 54; 
L.v.Stein, Verwaltungslehre. I, Abt. 1, 371, Rechtsstaat und Verwaltungs- 
rechtspflege S. 50 ff.; Sarweya.a.0.S. 65, 73, 76, allgemeines Verwaltungsrecht 
S. 153; H. Schulze, deutsch. Staatsr. $ 292, S. 646; Schmitt, Zeitschrift für 
badische Verwaltung. 2, J61ff.; Loening, Verw.R. $ 203, S. 797 £.; v.Stengel, 
Verw.R. S. 220f.; Grotefend, preuß. Verw.R. 1. 324; eydel Annalen 1885. 
S. 325; Gluth, Arch. f. öffentl. R. 3, 570; Rehm, Bl. f. administr. Praxis. XL, 
227. Dem gegenüber hat Gneist mit Recht hervorgehoben, daß die Ver- 
waltungsgerichtsbarkeit die weitergehende Aufgabe hat, die objektive Rechts- 
ordnung aufrecht zu erhalten (Rechtsstaat S. 270 ff., zur Verwaltungsreform S. 19, 
Verwaltungsjurisdiktion, R.L. 8, 1117. Dagegen geht Gneist zu weit, wenn 
er die Existenz individueller Rechte im Verwaltungsrecht überhaupt leugnet 
und das Parteirecht im Verwaltungsstreitverfahren nicht als Ausfluß cines 
Individualrechtes, sondern als etwas aus dem objektiven Recht Abgeleitetes 
erklärt und mit der formellen Parteistellung des Anklägers und Angeklagten 
im Strafverfahren in Parallele stellt. Mit Gneist stimmt überein: Bornbak, 
reuß. Staatsr. 2, 413. Vgl. dagegen auch Jellinek, System? 3581. [Otto 
Mayer 1, 181.] 
3 Ausdrücklich ausgesprochen ist dieser Grundsatz im bayr. G. vom 8. Aug. 
1878 Art. 13. [Otto Mayer, 16712.] Vgl, auch Rechtsprechung des badischen 
Verwaltungsgerichtshofes, Nr. 3, S. 25. Über den Begriff des freien Er- 
messens Ist ein Streit entstanden, der sich namentlich an die Bestimmungen 
des österreichischen Rechtes anlehnt. Es handelt sich darum, ob ein freies 
Ermessen, welches die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausschließt, nur da vorliegt, 
wo keine Pflicht der Behörde zu einem Handeln oder Unterlassen gegenüber 
einer bestimmten Person besteht, es also überhaupt an einem kla berechtigten 
Subjekte fehlt (Tezner, Zur Lehre von dem freien Ermessen der Verwaltungs- 
behörden als Grund der Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte. 1888; Über 
das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden. Grünhuts Zeitschrift 19, 326), 
oder auch da, wo es auf die Beurteilung gewisser Verhältnisse tatsächlicher 
Natur, sog. verwaltungstechnisches Ermessen, ankommt (Bernatzik, Recht- 
sprechung und materielle Rechtskraft, S. 36 ff., Grünhuts Zeitschrift 18, 148). 
lie Frage ist folgendermaßen zu entscheiden. Freies Ermessen im strengen 
Sinne liegt nur da vor, wo über die Voraussetzungen für die Vornahme oder 
Unterlassung eines Verwaltungsaktes gar keine gesetzlichen Vorschriften be- 
stehen. Hier ist jede Anwendung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen. 
Allerdings sollen die Verwaltungsbehörden auch in solchen Fällen nicht nach 
Willkür, sondern unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen verfahren. 
Aber die Wahrung dieser ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Wo da- 
gegen ein Verwaltungsakt an bestimmte gesetzliche Vorschriften geknüpft ist, 
esteht die Möglichkeit, denselben im Verwaltungsstreitverfahren anzugreifen, 
wenn diese Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Die Voraussetzungen 
können nun entweder objektive Tatbestände, z. B. Staatsangehörigkeit, ein be- 
stimmtes Alter, atrefgerichtliche Urteile, eine bestimmte Entfernung oder Ver- 
hältnisse sein, welche einer subjektiven Beurteilung unterliegen (schlechter 
Leumund, Zuverlässigkeit, Gefährlichkeit, Belästigung des Publikums). Un- 
zweifelhaft eignen sich die Fälle der ersteren Art mehr dazu, Gegenstand der 
Verwaltungsgerichtsbarkeit zu sein, als die der letzteren, bei denen die Ent- 
scheidung gleichfalls von einem gewissen Ermessen der Behörde abhängig, ist. 
Doch ist die Nachprüfung derartiger tatsächlicher Verhältnisse durch die Ver-
	        
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