Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

652 Fünftes Buch. $ 224. 
gesetzgeberische Kompetenz des Reiches fallen. So weit durch die 
Bestimmungen dieser Art Sonderrechte der Einzelstaaten im Sinne 
des Art. 78 Abs. 2 der Reichsverfassung begründet werden, ist zu 
deren Abänderung die Zustimmung des beteiligten Bundesstaates 
erforderlich. Die übrigen Festsetzungen der Verträge haben zum 
TeilGesetzes-, zum Teil Verordnungskraft. Die Ausscheidung 
dieser beiden Klassen von Vorschriften ist, so weit die Verträge 
vom 16. Mai 1865 und 8. Juli 1867 in Betracht kommen, nach einem 
formellen Kriterium möglich, indem die Bestimmungen, die in den 
Verträgen selbst enthalten sind, den Charakter von Gesetzesvorschriften, 
die, welche sich in den Schlußprotokollen finden, den von Ver- 
ordnungen besitzen. Für die älteren Verträge, von denen übrigens 
nur sehr vereinzelte Bestimmungen noch in praktischer Wirksamkeit 
sich befinden, fehlt es an einem derartigen äußerlichen Anhalt; die Frage, 
ob eine ihrer Vorschriften Verordnungs- oder Gesetzeskraft hat, kann 
daher nur nach Maßgabe ihres materiellen Inhaltes entschieden werden ®. 
3. Die Zollgesetze. Seit Gründung des Reiches erfolgt der 
Erlaß der auf das Zollwesen bezüglichen Vorschriften im Were 
der Reichsgesetzgebung?. Zurzeit befinden sich folgende Zoll- 
gesetze in Geltung: 
a) das Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869!°, in Elsaß-Lothringen 
eingeführt durch Gesetz vom 17. Juli 1871. 
8 Vgl, Laband 4, 391. 
° Schon in der ältesten Periode des Zollvereins hatten die beteiligten 
Staaten gemeinschaftliche Bestimmungen über die Verwaltung des Zollwesens 
festgestellt, die in dem Zollgesetz, der Zollordnung, dem Zolltarif und den 
Grundsätzen, das Zollstrafgesetz betreffend, enthalten waren. Diese Be- 
stimmungen hatten innerhalb der einzelnen Staaten den Charakter von Ge- 
setzen. Im Verhältnis der Staaten zu einander beruhte dagegen die Ver- 
bindlichkeit zu ihrer Aufrechterhaltung auf völkerrechtlichen Ver- 
trägen; eine Abänderung war also nur mit Zustimmung aller beteiligten 
Staaten möglich. Durch die Reorganisation des Zollvereins im Jahre 1867 
wurde eine gemeinsame Gesetzgebung eingeführt; die Feststellung 
der Gesetze erfolgte nunmehr durch Beschlüsse des Zollbundesrates und des 
Zollparlamentes, die Verkündigung geschah in den einzelnen Staaten nach 
Maßgabe der daselbst geltenden Formen, also im Norddeutschen Bunde durch 
das Bundesgesetzblatt in den süddeutschen Staaten durch die betreffenden 
Landesgesetzblätter. Die Gesetze hatten daher im Norddeutschen Bunde den 
Charakter von Bundesgesetzen, in den süddeutschen Staaten den von 
Landesgesetzen. Die Verpflichtung zu ihrer Einführung beruhte nun 
aber nicht mehr auf völkerrechtlichen Vereinbarungen, sondern auf Befehlen 
einer über den einzelnen Gliedern stehenden höheren Gewalt. — Die 
Gesetze aus der älteren Zeit des Zollvereins sind nach der im Jahre 1867 er- 
folgten Reorganisation sämtlich durch andere Gesetze ersetzt worden. 
1° Das Vereinszollgesetz ist zwar für die süddeutschen Staaten als 
Iandengesetz eingeführt worden, trotzdem kann seine Abänderung nur im 
Wege der ‚Reichsgesetzgebung erfolgen, da den Einzelstaaten die Gesetzgebungs- 
befugnis in Zollsachen völlig entzogen ist. Im Norddeutschen Bunde und 
Elsaß-Lothringen hat es die Geltung eines Reichsgesetzes; es unterliegt daher 
keinem Bedenken, Gesetzesvorschriften, in denen Reichsgesetze erwähnt 
werden, insbesondere die Bestimmungen in $ 5 des E.G. zur R.Str.Pr.O. auch 
auf das Vereinszollgesetz zu beziehen. — Vgl. hierzu Laband 4, 405: „In 
der ‚urer s wird das Vereinszollgesetz ohne Bedenken als Reichsgesetz be- 
andelt. 
ıı Laband: Das Vereinszollgesetz ist eine umfassende Kodifikation 
des Zollverwaltungsrechts und des Zollstrafrechts. 
  
 
	        
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