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zollfreien Niederlage, so tritt die Zollpflicht ein, wenn sie dieser
Niederlage entnommen wird. Die Verpflichtung zur Entrichtung des
Zolles liegt dem ob, der Inhaber (natürlicher Besitzer) des zoll-
pflichtigen Gegenstandes ist®.
Der Zollpflicht unterliegen nur die ihr ausdrücklich unterworfenen
Waren, ihre Bestimmung und die Festsetzung des von ihnen zu er-
hebenden Zollbetrages erfolgte durch das zurzeit geltende Reichs-
gesetz betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebietes
vom 25. Dezember 1902 (R.G.Bl. S. 303). Dieser Tarif hat den
Charakter eines Generaltarifs, d. h. er findet gegenüber allen
auswärtigen Staaten Anwendung, mit denen nicht eine vertragsmäßige
Vereinbarung über anderweite Zollsätze getroffen ist. Derartige Ver-
einbarungen finden auf die Vertragsstaaten und auf die anderen
Staaten Anwendung, die dem Reiche gegenüber einen vertrags-
mäßigen Anspruch auf die Behandlung als meistbegünstigte Nationen
besitzen.
Der Reichsregierung ist für gewisse Fälle die Befugnis vorbehalten,
eine Erhöhung der durch den Zolltarif festgestellten Zölle auf dem
Verordnungswege herbeizuführen. Eine solche Erhöhung ist gegen-
über Staaten zulässig, die deutsche Schiffe oder Waren deutscher
Herkunft ungünstiger behandeln, als Schiffe oder Waren anderer
Staaten. Waren, die aus diesen Staaten kommen, können, soweit nicht
Vertragsbestimmungen entgegenstehen, mit einem Zuschlage bis zu
50 Proz. der tarifmäßigen Eingangsabgaben belegt werden. Die An-
ordnung eines derartigen Zuschlages hat den Charakter einer Retor-
sionsmaßregel, sie kann durch eine kaiserliche Verordnung erfolgen,
die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. Die Verordnung
muß dem Reichstage sofort oder, wenn er nicht versammelt ist, bei
seinem nächsten Zusammentritte zur Zustimmung mitgeteilt werden.
Sie ist außer Kraft zu setzen, wenn der Reichstag die Zustimmung
nicht erteilt*®. .
Auf Grund des Zolltarifs erfolgt die Aufstellung des amtlichen
Warenverzeichnisses, welches die einzelnen Warenartikel nach
ihren im Handel oder sonst üblichen Benennungen in alphabetischer
Ordnung aufzählt und die Tarifnummer bezeichnet’. Das amtliche
Zollinie. Der nasse Küstensaum, welcher der Territorialgewalt des Reiches
unterworfen ist, fällt also nicht in die Zollinie hinein. Die den Wasserspiegel
begrenzende Linie des Landes wird aber auch dann als Zollinie betrachtet,
wenn das Zollgebiet an andere Gewässer grenzt, deren Stand von Ebbe und
Flut abhängig ist. Da, wo Zollausschlüsse bestehen, bildet natürlich diejenige
Vz Eu lgrenze, welche diese Zollausschlüsse vom Zollgebiete trennt
3 V.2.G.8 18.
* Zollvertragsgesetz von 1902 $ 10. — Die Befugnis zum Erlaß der
Retorsionsmaßregel besteht nicht bloß dann, wenn die deutschen Waren in
einem Staate ungünstiger behandelt werden als die Waren aller Länder, sondern
schon dann, wenn sie ungünstiger behandelt werden, als die eines einzigen
dritten Landes. Vgl. Schraut, System der Handelsverträge und der Meist-
begünstigung S.11. Laband 4, 406.
treid » v.2.G. $ 12. — Vgl. Zolltarifges. 1902 $ 1 über die Zollsätze für Ge-
reide.