Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

714 Fünftes Buch. $& 258. 
Das Kündigungsrecht steht den Gläubigern nicht zu, son- 
dern ist dem Staate vorbehalten. Die Rückzahlung erfolgt nach 
dem älteren, auch jetzt noch in den meisten Staaten herrschenden 
System auf Grund eines Tilgungsplanes, so daß innerhalb gewisser 
Zeiträume (in der Regel alle Jahre) eine vorher bestimmte Anzahl 
von Obligationen zur Rückzahlung gelangen muß. Ob diese Fest- 
setzung nur eine Direktive für die Finanzverwaltung sein oder ob 
dadurch den Gläubigern ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung binnen 
einer bestimmten Frist gewährt werden soll, ist nach den Be- 
stimmungen über die einzelne Anleihe zu beurteilen. Die Tilgung 
der Anleihe kann entweder durch Ankauf der bestimmten Zahl von 
Obligationen an der Börse oder durch Auslosung und unmittelbare 
Rückzahlung an die jeweiligen Inhaber erfolgen. Nach dem neueren, 
namentlich in Preußen herrschend gewordenen Systeme besteht da- 
gegen gar kein bestimmier Tilgungsplan. Die Gläubiger haben 
keinen Anspruch auf Rückzahlung zu einem bestimmten Termine. 
Der Staat verspricht ihnen nur die Gewährung einer jährlichen 
Rente, die ganze Schuld nimmt also den Charakter einer Renten- 
schuld an. Innerhalb eines gewissen Zeitraumes ist auch. das 
Kündigungsrecht des Staates ausgeschlossen; während dieser Zeit 
kann die Tilgung der Schuld nur durch Ankauf von Obligationen 
an der Börse erfolgen. Nach Ablauf derselben steht dem Staate 
die Befugnis zu, die Schuldverschreibungen zu kündigen und zum 
Nominalbetrage zurückzuzahlen. 
Den Gläubigern können außer den Zinsen noch andere Vorteile, 
namentlich sogenannte Prämien, zugesichert werden. Prämien- 
anleihen sind Anleihen, bei welchen den Gläubigern oder einem 
Teile derselben außer der Rückzahlung der dargeliehenen Geldsumme 
noch eine andere Geldsumme zugesichert ist, deren Zahlung und 
Betrag durch Auslosung der Schuldverschreibungen oder durch eine 
andere auf den Zufall gestellte Art der Ermittlung bestimmt wird. 
Die Prämienanleihen sind verzinsliche und unverzinsliche. Sie er- 
fordern ihrem Wesen nach die Festsetzung eines bestimmten Tilgungs- 
lanes. Nach reichsrechtlicher Vorschrift kann die Emission einer 
rämienanleihe seitens eines Bundesstaates nur auf Grund einer 
reichsgesetzlichen Ermächtigung stattfinden 5. \ 
Konvertierung einer Anleihe heißt die Anderung der Be- 
dingungen, unter denen sie abgeschlossen ist. Der hauptsächlichste 
Anwendungsfall der Konvertierung ist die Änderung, namentlich die 
Herabsetzung des Zinsfußes.. Da jede Konvertierung eine Ab- 
weichung von den vertragsmäßig festgesetzten Bedingungen enthält, 
so kann sie nur mit Einwilligung der Gläubiger des Staates vor- 
genommen werden. Tatsächlich finden die Konvertierungen meist 
in der Weise statt, daß der Staat erklärt, gegenüber den nicht ein- 
willigenden Gläubigern von seinem Kündigungsrechte Gebrauch 
machen zu wollen. Die Konvertierungen bedürfen der Genehmigung 
der gesetzgebenden Organe, sofern durch sie die Bestimmungen 
oben A G. betr. die Inhaberpapiere mit Prämien vom 8. Juni 1871. — Vgl.
	        
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