724 Sechstes Buch. $ 261.
a) In jeder Fabrik, in der in der Regel mindestens zwanzig
Arbeiter beschäftigt werden, ist eine Arbeitsordnung zu erlassen,
die über eine Reihe von gesetzlich näher bezeichneten Punkten Be-
stimmungen zu treffen hat. Der Erlaß erfolgt nach Anhörung der
großjährigen Arbeiter oder eines ständigen Arbeiterausschusses ®?.
b) Kinder unter dreizehn Jahren dürfen in Fabriken
gar nicht, Kinder über dreizehn Jahren nur dann, wenn sie
nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind und
höchstens sechs Stunden täglich, jugendliche Arbeiter von
14 bis 16 Jahren höchstens zehn Stunden täglich beschäftigt
werden. Anderweite Beschränkungen beziehen sich auf: 1. die Tages-
zeit der Beschäftigung, 2. die zwischen der Arbeit zu gewährenden
Ruhepausen, 3. den Ausschluß der Sonn- und Festtagsarbeit, 4. die
Gewährung der notwendigen Zeit für den Besuch des Katechumenen-
und Konfirmandenunterrichts, 5. die Anzeige der zu beschäftigenden
jugendlichen Arbeiter bei der Ortspolizei, die Ausbängung eines Ver-
zeichnisses derselben sowie eines Auszuges aus den gesetzlichen
Vorschriften über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in der
Fabrik. Abweichungen von diesen Bestimmungen können für einzelne
Fabriken in außerordentlichen, gesetzlich bestimmten Fällen durch
den Reichskanzler bzw. die Landesbehörden gestattet werden ®®,
c) Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von 8 Uhr
abends bis 6 Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden
der Festtage nicht nach 5 Uhr nachmittags beschäftigt werden. Die
Beschäftigung von Arbeiterinnen darf die Dauer von zehn Stunden
täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage acht Stunden
nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden mußden Arbeiterinnen
eine mindestenseinstündige Mittag gewährt werden. Arbeiterinnen,
die ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine
halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht
mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Wöchnerinnen dürfen
vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während acht Wochen
nicht beschäftigt werden. Ihr Wiedereintritt ist an den Ausweis ge-
knüpft, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens sechs Wochen ver-
flossen sind. Vom 1. April 1912 ab dürfen Arbeiterinnen nicht in
Kokereien und nicht zum Transport von Materialien bei Bauten
verwendet werden. In bezug auf Anzeige und Aushang der Be-
stimmungen und des Verzeichnisses in der Fabrik gelten dieselben
92 Gew.O. 88 134a—134g. — Stieda, Arbeitsordnungen und Arbeiter-
ausschüsse H.W.B? 1, 1140; Koehne, Die Arbeitsordnungen im deutschen
Gewerberecht 1901; Blankenstein, Die Rechtskraft der Arbeitsordnungen.
Arch. £. öff. R. 18, 119; Oertmann, Die rechtliche Natur der Arbeitsordnung
1905; Rehm, Über die verwaltungsrechtliche Bedeutung der Fabrikordnung.
Annalen 1894 S. 132. Vgl. auch Jellinek, System? S. 2541; Laband 8, 224°;
Landmann-Rohmer $ 134a! S. 326.
”” Gew.O. $$ 135, 136, 1370, 138, 139. Strafbestimmungen $$ 146 Nr. 2,
149 Nr. 7. — G. betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, vom 30. März
1903 (R G.Bl. S. 113) enthält Bestimmungen, die neben den bestehenden reichs-
rechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen. Hierbei wird unterschieden
zwischen eigenen und fremden Kindern, d. h. Knaben und Mädchen unter
13 Jabren, sowie solchen Knaben und Mädchen, die noch zum Besuche der
Volksschule verpflichtet sind.