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sondern zu einem erheblichen Teile von den Arbeitgebern gezahlt.
Aber das Wesen der Versicherung erfordert durchaus nicht, daß. der
aus dem Versicherungsverhältnis Berechtigte und der zur Zahlung
der Beiträge Verpflichtete ein und dieselbe Person sind ; Versicherungen
zugunsten Dritter kommen auch auf andern Gebieten als auf dem
der Arbeiterversicherung vor®. Die Arbeiterversicherung weist aller-
dings eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf, durch die sie sich von
andern Versicherungen unterscheidet, sie berühren aber das Wesen
der Versicherung nicht. Dies gilt namentlich von den Abweichungen
hinsichtlich. der Art der Fürsorge? und der Zahlung der Beiträge 1°
gegenüber anderen Versicherungsarten.
Das Versicherungsverhältnis beruht aber nicht auf einem Ver-
trage zwischen dem Versicherten oder dessen Arbeitgeber und der
8 Namentlich bei der Lebensversicherung, deren rechtliche Natur aller-
dings bestritten ist, die aber doch im Verkehr allgemein als Versicherungs-
geschäft behandelt und auch von der Theorie überwiegend als solches aufgefaßt
wird. Ein ähnliches Verhältnis bestand vor dem Inkrafttreten der reichsgesetz-
lichen Unfallversicherung vielfach auf dem Gebiete der Betriebsunfälle. Be-
kanntlich versicherten schon damals manche Unternehmer ihre Arbeiter gegen
alle Unfälle. Soweit diese Versicherung dazu diente, den Unternehmer für die
von ihm kraft des Hafipflich esetzes zu zahlenden Entschädigungen schadlos
zu halten, war sie eine Versicherung zugunsten des Unternehmers, soweit sie
darüber hinaus dem Arbeiter Fürsorge gewährte, eine Versicherung zugunsten
der Arbeiter.
® Als besondere Eigentümlichkeiten hinsichtlich der Art der Fürsorge
hebt Rosin 1, 265 hervor, daß die Schadensersatzleistung nicht nach den
individuellen Verhältnissen bemessen wird, daß die Gewährung der Ent-
schädigung vielfach auch im Falle eines eigenen Verschuldens des Versicherten
erfolgt, und daß in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sowie in der
Invaliditäts- und Altersversicherung eine Verwandlung der Geldrente in Natural-
leistungen stattfinden kann. Es. ist richtig, daß hier Abweichungen von der
regelmäßigen Gestaltung der Versicherungsverhältnisse vorliegen. Aber keine
dieser Abweichungen berührt das Wesen der Versicherung. Die Entschädigung
behält den Charakter der Entschädigung, auch wenn sie nicht nach dem
individuellen Schaden, sondern nach Durchschnittssätzen bemessen wird. . Das
eigene Verschulden des Versicherten zieht auch bei der Arbeiterversicherung
in einzelnen Fällen den Verlust der Entschädigung nach sich, während bei
anderen Versicherungen ebenfalls nicht jedes Verschulden, sondern nur schweres
Verschulden diesen zur Folge hat. Hier handelt es sich also nur um einen
Gradunterschied. Die Umwandlung der Unterstützung aus einer Geldrente in
Naturalleistungen endlich würde bei einem vertragsmäßigen Versicherungs-
verhältnis, wo Geldrente vertragsmäßig zugesichert ist, allerdings ausgeschlossen
sein; sie erscheint aber durchaus zulässig bei einem gesetzlichen Versicherungs-
verhältnis, wo das Gesetz selbst diese Leistung als eine der Geldrente gleich-
wertige auerkannt hat und könnte auch bei einem vertragsmäßigen Verhältnis
unter den Parteien vereinbart sein,
!° In dieser Hinsicht heben Rosin 1, 265 und Rehm, Arch. f. öff. R. 5,
554 namentlich hervor, daß die Beiträge nicht den Charakter von Versicherungs-
rämien hätten, weil dabei eine individualisierende Abstufung des Risikos nur
in geringem Maße stattfinde und weil sie bei der landwirtschaftlichen Unfall-
versicherung als Zuschläge zu den Staats- und Kommunalsteuern erhoben
würden. Aber die. individualisierende Abstufung des Risikos ist nur ein wirt-
schaftliches Prinzip, welches Versicherungsanstalten ihrem &eschäftebetriebe
zugrunde zu legen pflegen: für den juristischen Begriff der Versicherung kommt
dasselbe nicht in Betracht. Der Umstand endlich, daß die Versicherungs-
beiträge in der Form von Zuschlägen zu Staats- und Kommunalsteuern erhoben
werden, nimmt ihnen nicht den Charakter von Versicherungsbeiträgen. '