14 Die Bundesstaaten.
sich zu nahezu völlig selbständigen Landesherren entwickelten. In der Blütezeit
des Städtewesens und der Zünfte wußten auch eine Reihe größerer Städte sich
von der Herrschaft des Reiches loszumachen und als freie Reichsstädte in die
Reihe der selbständigen Staatsgebilde einzutreten. Das Aufkommen der stehen-
den Heere, des Berufsbeamtentums und die Umwandlung des Reiches in eine
Wahlmonarchie (S. 19) begünstigten die Entwickelung der Einzelstaaten, so daß
deren Zahl 1648 mehrere hundert betrug.
Der Landesherr war indes nicht unumschränkter Herrscher in seinem Gebiet,
sondern mußte sich in die Regierung seines Landes mit den Landständen
teilen. Darunter verstand man die Vertreter der Ritter, Geistlichen und Städte,
deren wichtigstes Recht die Steuerbewilligung war. Ohne ihre Zustimmung konnte
der Landesherr keinerlei Abgaben erheben und somit war er gezwungen, für alle
größeren Ausgaben die Einwilligung der Stände einzuholen. Da die Stände
nur ihre eigenen Interessen verfolgten, war das übrige Volk vollständig in ihre
Hand gegeben. Seit der Einführung der Reformation begannen die kräftigen
Monarchen, voran Preußen und Bayern, die Macht der Stände zu unterdrücken,
jedoch ist ihre Bedeutung in der Zusammensetzung der ersten Kammern (S. 2)
noch zu erkennen, und in Mecklenburg bestehen sie trotz vielfacher Verfassungs:
kämpfe noch heute. «
Die französischen Revolutionen von 1792, 1834 und 1848, der von Napoleon
gegründete Rheinbund und die freiheitliche Bewegung zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts veranlaßten die deutschen Landesherren, dem Volke einen größeren An-
teil an der Regierung des Landes zu geben und gleichzeitig die Macht der Stände
zu beseitigen oder doch zu unterdrücken. Den Anfang machten hierbei die süd-
deutschen Staaten, da sie durch die Aufhebung sehr vieler kleiner Staaten 1806
und 1815 einen bedeutenden Gebietszuwachs erhielten und nunmehr ihrem Lande
eine einheitliche Verfassung geben wollten. So wurden, teilweise unter Mitwir-
kung der alten Stände, Verfassungen erlassen für Bayern (1818), Württem-
berg (1819), Baden (1818), Hessen (1820), ihnen folgten die übrigen Staaten
in der Zeit von 1831 (Sachsen) an, zuletzt Preußen (1850). Die thüringischen
Kleinstaaten hatten zum großen Teil bereits von 1816 an Verfassungen er-
lassen, während die Freien Reichsstädte bereits von Anfang an eine Beteiligung
der Bürgerschaft am Regiment besaßen und ihre Verfassungen erst nach der
Reichsgründung zum letzten Male änderten (Hamburg 1879, Lübeck 1875 und
Bremen 1894).
Die wachsende staatsbürgerliche Bildung der Untertanen, sowie der Einfluß
der freiheitlichen Reichsverfassung haben in den letzten Jahrzehnten dazu ge-
führt, daß eine Reihe von Einzelstaaten ihren Untertanen erweiterte Teilnahme
an der Regierung gewährt haben. Verfassungsrevisionen dieser Art fanden statt
in Bayern und Württemberg 1906, in Sachsen 1896 und 1909, in Baden 1904,
in Hessen 1910. Eine völlige Neuregelung wurde durch Reichsgesetz 1911 für
Elsaß-Lothringen getroffen.
2. Staatsgebiete und Staatsangehörigkeit. Zu dem Wesen eines Staates
gehören Staatsgebiet und Staatsangehörige. Die Größe der deutschen Einzel-
staatsgebiete ist außerordentlich verschieden; während Preußens Flächenraum
rund / des deutschen Bodens umfaßt, beträgt derjenige Bayerns nur ½ und
fällt dann von Württemberg (/5) an bis auf 1/0000 (Reuß ä. L., Lübeck, Bremen).