Einleitung. 3
3. Aufbau des Staates. Große Staaten müssen wieder in kleinere Ver—
waltungsbezirke eingeteilt werden, deren Grenzen vielfach durch die früheren
Stammesgrenzen oder durch geschichtliche politische Einheiten bestimmt werden.
So zerfällt Preußen in Provinzen, die Provinzen bestehen aus Regierungsbe-
zirken, diese aus Kreisen, und als letzte Einheit finden wir die Stadt= und
Landgemeinden. Jeder kleinere Verwaltungsbezirk ist dem nächst höheren unter-
geordnet, der Staat allein kennt keine Macht über sich, er ist unabhängig, sou-
verän. Nur im Bundesstaat hat der Einzelstaat einen Teil seiner Machtbefug-
nisse an die Obergewalt abgetreten.
Um die einzelnen Staatsbürger an der Ausübung der Staatsgewalt zu
beteiligen, ist ihnen das politische Wahlrecht verliehen worden. Außerdem re-
gieren sich die Gemeinden und einige andere Staatsverbände teilweise selbst
auf Grund eines staatlichen Gesetzes. In diesem Selbstverwaltungskörper werden
viele Amter durch Staatsbürger im Ehrenamt (unbesoldet) verwaltet. Daher
ist es für jeden Staatsangehörigen von großer Bedeutung, die Einrichtungen
und den Zweck des Staates kennen zu lernen. Diese Kenntnisse vermittelt das
Staatsrecht, das im weiteren Sinne die gesamte Gesetzgebung umfaßt. Nach
den Gegenständen der Gesetzgebung unterscheiden wir Zivilrecht (hauptsächlich
Bürgerliches Recht), Strafrecht und Staatsrecht im engeren Sinne.
I. Die Familie.
1. Bedeutung des Bürgerlichen Rechts. In einfachen Lebensverhältnissen
werden die Familienangelegenheiten durch das Gewohnheitsrecht geregelt. Mit
dem Wachsen der Bevölkerungsdichte, der Zusammendrängung in Städten und
der Leichtbeweglichkeit der Volksmassen infolge der modernen Verkehrsmittel
wird indes eine gesetzliche Regelung des bürgerlichen Lebens immer notwen-
diger. Nun gibt es aber wohl kaum einen zweiten Beruf, der zu so viel-
sältigem Verkehr mit anderen Personen führt, wie der des Kaufmanns.
Daher wurden in der Betriebslehre die wichtigsten Gesetze (Bürgerl. Gesetz-
buch, Handels= und Wechselrecht) bereits teilweise erörtert. Vgl. die Abschnitte
„Entwickelung des kaufmännischen Rechts (Gr. A. S. 6, Kl. A. S. 3), Geschäfts-
fähigkeit (Gr. A. S. 8, Kl. A. S. 5)1), Firma (Gr. A. S. 9, Kl. A. S. 14) und
Handelsgesellschaften (Gr. A. S. 76—6, Kl. A. S. 107—117)“. Letztere können
wir als Erweiterung des Familienverbandes auffassen.
Bis 1900 galten im Deutschen Reiche verschiedene Gesetze (Allgem. Preuß.
Landrecht, Corpus juris, Code Napolson usw.), die teilweise unserem deutschen
Rechtsempfinden völlig fremd waren.
Daher war die Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches, das nach
jahrzehntelanger Arbeit am 1. Januar 1900 in Kraft trat, ein großer Fort-
schritt in der Vereinheitlichung des deutschen Rechtes. In 5 Büchern und
2385 Paragraphen regelt es alle wichtigen Rechtsangelegenheiten des bürger-
lichen Lebens gemeinsam für das ganze Reich. Die fünf Bücher führen die
Titel: 1. Allgemeiner Teil, 2. Recht der Schuldverhältnisse, 3. Sachenrecht,
1) Die Verweise „Gr. A.“, „Kl. A.“ beziehen sich auf die große, bzw. kleine Aus-
gabe der Handelsbetriebslehre.
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