Full text: Abriß der Staatsbürgerkunde.

Geschichtliches. Selbstverwaltung. 7 
die noch heute zu Recht besteht. Für die übrigen Preußischen Provinzen erfolgte 
1856 und 1858 eine ähnliche Regelung. 
Die Landgemeinden standen von jeher unter der Herrschaft eines Grund- 
herrn und hatten nur geringe Selbstverwaltungsrechte. Für sie war die Ein- 
führung des Grundsatzes der Freizügigkeit von größter Bedeutung. Der Grund- 
herr, der gewöhnlich Gemeindevorsteher war, wurde mehr und mehr zu einem 
Staatsbeamten. Eine allgemeine Regelung des Gemeindewesens erfolgte in 
Preußen erst am 3. Juli 1891 durch die Landgemeindeordnung für die sieben 
östlichen Provinzen. Eine besondere Stellung nehmen die Gutsbezirke Ostdeutsch- 
lands ein. 
In den übrigen deutschen Staaten wurde vielfach kein grundsätzlicher 
Unterschied zwischen Stadt= und Landgemeinde gemacht. Die Regelung erfolgte 
hier zum Teil früher als in Preußen, so in Bayern 1818, in Württemberg 
1822, in Hessen 1816, bzw. 1821, in Sachsen 1832 und in Baden 1831. 
In diesen und den anderen Staaten ist das Gemeinderecht größtenteils in den 
60er und 70er Jahren neu geordnet worden. 
2. Die Gemeinde als Selbstverwaltungskörper. Die Kaufleute eines 
bestimmten Bezirkes lassen ihre gemeinsamen Interessen durch die Handels- 
kammer (Gr. A. S. 162, Kl. A. S. 182) vertreten, deren Mitglieder sie aus 
ihrer Mitte wählen und deren Geschäfte durch die von den Mitgliedern bestellten 
Beamten durchgeführt werden. Eine solche Einrichtung wird als Selbstverwal- 
tungskörper bezeichnet; sie tritt uns auch in der Gemeinde entgegen. Das 
Recht der Beteiligung ist bei beiden Körperschaften an bestimmte Voraus- 
setzungen geknüpft. 
Unter Gemeinden versteht man die kleinsten politischen Gemeinwesen, denen 
die Verwirklichung politischer Aufgaben in örtlicher Begrenzung auf Grund der 
Staatsgesetze und unter Staatsaufsicht obliegt. Jeder Einwohner des Stadt- 
bezirkes gehört zur Stadtgemeinde, ist zur Benutzung der Gemeindeanstalten 
berechtigt und zur Teilnahme an den Gemeindelasten verpflichtet. Das Bürger- Slte-Or7i, 
recht, d. h. das Recht zur Beteiligung an den städtischen Wahlen und das Recht 30-Ma4 1855. 
und die Pflicht zur Übernahme von Gemeindeehrenämtern besitzen jedoch in 55 
Preußen nur solche Staatsangehörige, die seit einem Jahre: 1. Gemeinde-Ein= §5. 
wohner sind, 2. keine öffentliche Armenunterstützung erhalten und 3. entweder 
Hausbesitzer sind oder ein selbständiges Gewerbe mit wenigstens zwei Gehilfen 
betreiben oder mindestens ein Einkommen von J/ 660.— beziehen und die 
ferner 4. über 24 Jahre alt und 5. im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind. 
Nach den gleichen Grundsätzen ist das Bürgerrecht in den meisten anderen § 7. 
deutschen Bundesstaaten geregelt. In Sachsen, Württemberg, Hessen und einer 
Anzahl Kleinstaaten wird es, soweit es nicht durch Geburt oder Verehelichung 
erworben ist, dem Betreffenden verliehen. In Bayern erlangt dagegen grund- 
sätzlich nur der bayerische Staatsangehörige das Heimats= und Bürgerrecht 
sarh mehrjährigem Aufenthalt in dem betreffenden Orte durch besondere Ver- 
eihung. 
Die Vertretung und Verwaltung der Stadt erfolgt durch den Gemeinde- 
vorstand (Magistrat oder Stadtrat, im Rheinland Bürgermeister und Beige= 10. 
ordnete) und die Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung, Gemeinde- 
ausschuß, Gemeindebevollmächtigte).
	        
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