Full text: Wörterbuch des Bürgerlichen Gesetzbuches. Erster Band. (1)

Anders jedoch liegt es bei der Feststellung der Thatsachen. Hier hat der Richter 
die Pflicht, unter Heranziehung seiner Sach= und Menschen-Kenntnis alle Umstände genau 
zu prüfen und nach Billigkeit die thatsächlichen Vorgänge zu beurteilen. — Nur insoweit 
kann und muß der Richter Billigkeit walten lassen. 
Bei der Bearbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches erwies sich indes die bisherige 
Art der Durcharbeitung als nahezu unmöglich, weil sich im Laufe der Zeit herausstellte, 
daß die Bestimmungen der einzelnen Lesungen in ihren Folgerungen sich nicht mit- 
einander vereinigen lassen und daß die Bedeutung der einzelnen Wörter an verschiedenen 
Stellen eine andere ist. 
Ferner zeigte sich, daß die Heranziehung der Rechtsprechung der Preußischen Gerichte 
für die Erläuterung des Bürgerlichen Gesetzbuches unmittelbar nicht angängig war, weil 
dieselben Bestimmungen der Preußischen Gesetze in einem anderen Zusammenhange stehen 
wie im Bürgerlichen Gesetzbuche und hierdurch ihre Bedeutung auch eine vollständig ver- 
änderte wird. 
Diese Umstände gaben den Anlaß dazu, zunächst einmal festzustellen, inwieweit die 
Bestimmungen der verschiedenen Lesungen nicht in Einklang zu bringen sind und welche 
verschiedene Bedeutung dasselbe Wort an den verschiedenen Stellen des Gesetzes hat. Um 
dies zu erreichen, blieb nichts anderes übrig, als die einzelnen Wörter aus dem Gesetzbuch 
zusammenzustellen und so erwuchs im Laufe der Arbeit das vorliegende Werk, bei dem 
aus den oben dargelegten Gründen, soweit es irgend thunlich war, der Wortlaut des 
Gesetzes streng gewahrt ist. 
Hierdurch wird es möglich, mit Leichtigkeit die verschiedene Bedeutung desselben 
Wortes festzustellen. — Zur Auslegung des Bürgerlichen Gesetzbuches bedarf es aber 
immer noch einer Ausgabe desselben, in welcher durch den Druck dargelegt wird, aus 
welcher der drei Lesungen die einzelnen Bestimmungen übernommen sind. Bei einer 
Differenz über den Sinn der Gesetzesstellen wird der Fassung der dritten Lesung der 
Vorzug um deswillen zu geben sein, weil in dieser der zuletzt erklärte Wille des Gesetz- 
gebers niedergelegt ist und deshalb die vorliegende Fassung der in Betracht kommenden 
Gesetzesstellen der früheren Lesungen als auf einem Redaktionsfehler beruhend angesehen 
werden muß. 
Vor allem aber wird darauf hinzuwirken sein, daß die Ausbildung der jungen 
Juristen eine solche wird, daß sie die Rechtssätze nicht mehr allein durch die Brille ihres 
Lehrers kennen lernen, sondern zur selbständigen Prüfung der Gesetze in so hohem Maße 
fähig werden, daß sie die Litteratur höchstens zur Vergleichung, aber nicht mehr zur 
Begründung ihrer Ansichten heranziehen. 
Bereits bei der Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeß- 
ordnung habe ich hierauf hingewiesen und dem Reichstage folgende Vorschläge unterbreitet, 
welche in der Anlage, jedoch unter Fortlassung der Begründung, folgen. 
Berlin, Weihnachten 1899. Ehucke.
	        
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