84 Zweiter Teil. Die Verwaltung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 19
Entscheidung erfolgt unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung oder in einem nicht
über 14 Tage hinaus anzuberaumenden Termin. Die Entscheidung ist mit Gründen
zu versehen und zuzustellen.
Gegen die Endentscheidung des Bezirksrats ist binnen 30 Tagen nach der Zu-
stellung Rekurs beim Kaiserlichen Rat möglich L#. Die Prüfung, ob die gesetzliche
Frist gewahrt ist, obliegt dem Bezirksrat; verneinendenfalls weist er den Rekurs durch
Beschluß ab'. Bei rechtzeitig eingelegtem und begründetem Rekurs übersendet er
dagegen die Rekursschrift nebst Akten an den Kaiserlichen Rats. Das Verfahren vor
dem Kaiserlichen Rat ist im wesentlichen das gleiche wie vor den Bezirksräten. Der
Rekursbeklagte kann sich kem Rekurs anschließen; der Anschlußrekurs hat jedoch nur
dann selbständige Bedeutung, wenn er innerhalb der Einlegungsfrist erfolgt ist. Kommt
der Kaiserliche Rat zu einer Abänderung der Entscheidung des Bezirksrats, so hat er,
im Falle, daß eine neue Verhandlung nötig ist, die Sache an den Bezirksrat dann
zurückzuverweisen, wenn das Verfahren erster Instanz an einen wesentlichen Mangel
leidet oder wenn nur über den Grund des Anspruchs oder nur über prozeßhindernde
Einreden entschieden ist 5.
An Kosten kommen neben dem Ersatz der baren Auslagen, zu denen die Schreib-
gebühren gehören, eine Pauschsumme von höchstens 50 Mk. für jede Instanz zur Hebung.
Die Einziehung der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Verkehrssteuerämter wie
diejenige der Gerichtskosten 10.
Noch wäre schließlich die Zusammensetzung der Bezirksräte und des Kaiser-
lichen Rats zu erwähnen. Die Bezirksräte werden aus dem Bezirkspräsidenten, der
den Vorsitz führt, und den ihm beigegebenen Räten, einschließlich des Oberforstmeisters,
gebildet. An den Entscheidungen müssen mindestens drei Mitglieder, einschließlich des
Vorsitzenden, teilnehmen 11. Der Kaiserliche Rat besteht aus 10 durch kaiserliche Ver-
ordnung zu ernennenden Ministerialräten oder etatsmäßigen Hilfsarbeitern des Mini-
steriums 2. Der Präsident wird vom Kaiser ernannt, im Falle seiner Verhinderung
wird er durch das dienstälteste Mitglied vertreten 15. An den Entscheidungen müssen
mindestens fünf Mitglieder beteiligt sein; bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende
den Ausschlag. Der Sekretär des Kaiserlichen Rats und sein Stellvertreter 11 werden
vom Staatssekretär aus den Sekretariatsbeamten des Ministeriums ernannt.
Als besondere Verwaltungsgerichte haben ferner zu gelten: 1. die Veranlagungs-
lommissionen für die verschiedenen Steuerarten sowie die in zweiter Instanz tätigen
Berufungskommissionen, ferner die Kommission der Landesschätzer; 2. die Schiedsgerichte
für Sozialversicherung. Auf Einzelheiten bezüglich dieser Gerichte wird bei der Be-
handlung der betreffenden Materien näher eingegangen werden.
Die Schaffung eines Verwaltungsgerichtshofs ist eine der dringlichsten
elsaß-lothringischen Gesetzesaufgaben der nächsten Zukunft, denn die bislang geübte
Verwaltungsgerichtsbarkeit stellt eine unabhängige Rechtsprechung nicht dar, da sie nur
im Nebenamt von Verwaltungsbeamten ausgeübt wird!½5.
6 Die Rekursfrist beträgt 14 Tage in Gewerbeangelegenheiten und in den Fällen der Ver. v.
22 April 1902 (G.Bl. S. 33) § 24 Ver. v. 24. Dez. 1888.
! Gegen diesen Beschluß ist innerhalb 14 Tagen Beschwerde an den Kais. Rat möglich.
Aufschiebende Wirkung hat der Rekurs nur, wenn er binnen 10 Tagen nach der Zustellun
der Entscheidung eingereicht worden ist. Eine Ausnahme machen die Fäalle der Ver. v. 22. Apri
1902, wo der Rekure aufschiebende Wirkung hat, sofern nicht die Verfügung des Bezirkspräsidenten
für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. § 6. ...
°" Für das Verkehrssteuerstrafversahren, soweit der Kais. Rat damit befaßt wird, gelten be-
sondere Vorschriften.
10 Min. Verf. v. 13. März 1890 (Centr. Bl. S. 831.
11 Bei jedem Bezirksrat wird ein ständiger Sekretär und ein Stellvertreter desselben ernannt.
Ges. v. 30 Dez. 1871 (G.Bl. 1872 S 49) §5 13; Ver. v. 23. März 1889 (G.Bl. S. 75) § 2 Abs. 2.
12 Ges. v. 4. Juli 1879 (R G. Bl. S. 165) §F 11.
!7 Ges. v. 13. Juni 1898 (G. Bl S. 55) F 1.
14 Ver. v. 23. März 1859 § 2 Abfs. 1.
* Der Entwurf eines Gesetzes über den zukünftigen elsaß-lothr. Verwaltungsgerichtshof ist
bereits ausgearbeitet, aber leider nicht der Offentlichkeit zugänglich gemacht. Die Einführung eines