Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

§ 20 Allgemeines über den Beamtenbegriff. 85 
  
Siebenter Abschnitt. Die Landesbeamten. 
Erstes Kapitel. 
§ 20. Allgemeines über den Beamtenbegriff. I. Wesentlich für den 
Begriff des Beamten ist allein das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, 
in welchem er zum Staate steht 1. Begründet wird dieses Verhältnuis durch einen 
Vertrag-, auf Grund dessen der Staat erklärt, eine bestimmte Person in seinen 
Dienst zu nehmen, und auf Grund dessen der Beamte einwilligt, in diesen Dienst zu 
treten. Der Vertrag in kein Kontrakt im Sinne des Ziovilrechts, er ist ein öffentlich- 
rechtlicher Vertrag sui generis, durch den ein Gewaltverhältnis des Staates 
über den Beamten geschaffen wird; der Beamte selbst unterwirft sich aber dadurch 
einer besonderen Gehorsams-, Treue= und Dienstpflicht gegenüber dem Staate. 
Nicht notwendig für den Begriff des Beamten ist die Übertragung eines Amtes, 
ebensowenig sind wesentlich eine Besoldung oder der Umstand, ob die übertragenen 
Geschäfte hoheitlicher Natur oder technischer Art, ob die Dienste höherer oder niederer 
Art sind, oder schließlich, ob der Beamte in der Wahrnehmung seiner Amtspflichten 
seinen wesentlichen oder ausschließlichen Lebensberuf gefunden hat. 
II. Reichsbeamte und Landesbeamte unterscheiden sich durch das einfache 
Merkmal, daß die ersteren in einem Dienstverhältnis zum Reiche, die letzteren in einem 
Dienstverhältnis zum Einzelstaat (Land) stehen 3. Außerlich kommt dies dadurch zum 
Ausdruck, daß die ersteren vom Kaiser oder im Namen und Auftrag desselben von 
einer Reichsbehörde, die letzteren vom Landesherrn oder einer vom Landesherrn dazu 
ermächtigten Behörde ernannt werden. 
Bei der Strittigkeit der Frage, ob Elsaß-Lothringen ein Bundesstaat ist oder 
nicht, herrschen auch verschiedene Meinungen über die Frage, ob die Beamten des 
Reichslandes Reichsbeamte sind oder nicht. 
Da nach unserer Ansicht Elsaß-Lothringen kein Staat ist, kann die Beantwortung 
der Frage eigentlich nicht zweifelhaft sein; indes hat die ganze Frage nach der durch 
Verwaltungsstreitverfahrens durch bandesgeset ist unbeschränkt zulässig, 9 13 G. V. G. Vgl. Hart- 
mann, D.J.3. 1912 S. 682, und Rosenberg, Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit in 
E.-L., Annal. 1906 S. 811f. 
(§ 201 1 Vgl. zum Folgenden die grundlegenden Ausführungen bei Laband 1 S. 429 f. 
» * Die Ansicht, wonach das Beamtenverhältnis durch Vertrag begründet wird, dürfte wohl 
die herrschende sein. Vgl. auch Rehm, in Annal. 1885 S. 383 f., und Piloty, Das Recht des 
Staatsdienstes in Bayern, im Jahrb. d. öff. R. III S. 214 f., insbes. S. 240: Die Begründung 
des Dienstverhältnisses findet durch Vertrag statt, wobei der Dienstherr, welcher in allen Staats- 
dienstverhältnissen der König ist, seinen Vertragswillen durch urkundliche Entschließung zum Ausdruck 
bringt. Derselbe, Bayr. Staatsrecht, 1913 1 S. 671 f. Vgl. R.G. (Civ.) v. 10. Febr. 1903 
7 5 S. 423. Uber das Vorliegen des Gewaltverhältnisses R.G. (Civ.) v. 17. Sept. 1891 E. 28 
* §1 des Reichsbeamtengesetzes bestimmt: „Reichsbeamter im Sinne dieses Gesetzes ist jeder 
Beamte, welcher 1. entweder vom Kaiser angestellt oder 2. nach Vorschrift der Reichsverfassung den 
Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten verpflichtet ist.“ Unter die zweite Rubrik fallen z. B. 
die Post= und Telegraphenbeamten, die in den Einzelstaaten (Bayern und Württemberg) vom Landes- 
herrn ernannt werden, mithin Landesbeamte sind. 
· Auf die Personen des Soldatenstandes findet das Reichsbeamtengesetz mit Ausnahme der 
§ 134—148 (Defekten) keine Anwendung. Laband 1 S. 446. Vgl. auch Bayr. Verw. Ger.H. v. 
19. Mai 1909 (Reger Bd. 29 S. 601), wonach Offiziere nicht Beamte im Sinne des § 11 Abfs. 2 
E.G. G V.G. v. 21. Jan. 1877 und des Art. 7 II bayr. Verw.Ger.Ges. v. 8. Aug. 1878 sind. 
Nach einer Erklärung des preuß. Kriegsministers in der Reichstagssitzung v. 18. März 1909 
(Sten.B. 12. Legisl. Per 1. Sess. 1907/09 7541) sind die Offiziere „Beamte im weiteren Sinne“, 
d. h. aber mit anderen Worten nichts anderes als keine eigentlichen Beamten. — Nach dem Reichs- 
gesetz v. 22. Mai 1910 (R.G Bl. S. 798) über die Kftung des Reichs für seine Beamten sind aller- 
dings sämtliche Personen des Soldatenstandes den Reichsbeamten gleichgestellt, ebenso gelten Offiziere 
als Beamte bei gewissen Dilikten des R. Str. G. B. 
Als Landesbeamten fassen die elsaß-lothr. Beamten aufvor allem Leoni S. 128: Schulze, 
Staatsrecht, 11 S. 370 f.; Thudichum in Annal. 1876 S. 269; Rehm eod. 1885 S. 71. Nach 
Loening, Verw.R., S. 77, find die elsatzlothr. Beamten mittelbare Reichsbeamte. Auch v. Rhein-
	        
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