90 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. *22
nicht wesentlich; dagegen wird sie für erforderlich erachtet werden müssen (Laband 1
S. 454) hinsichtlich der übertragung eines Amtes, mit welchem obrigkeitliche
Befugnisse oder eine Vertretungsbefugnis zum Abschluß von Rechtsgeschäften verbunden
sind, um den Beamten Dritten gegenüber zu legitimieren.
VI. Gewisse mit der Verwaltung von Staatsvermögen betraute Beamte find
verpflichtet, vor ihrem Antritt eine Kaution zu hinterlegen?; die näheren Vorschriften
werden durch eine kaiserliche Verordnung bestimmt s.
§ 22. Die Pflichten und Beschränkungen der Beamten. I. Aus dem An-
stellungsvertrage ergeben sich für den Beamten folgende Pflichten:
1. die Pflicht zur Amtsführung bis zur ordnungsmäßigen Entlassung.
Von der Vornahme einzelner amtlicher Geschäfte kann durch die vorgesetzte Behörde
Dispensation gewährt werden. Ein Recht auf solche hat nur der Richter auf
Grund prozessualer Bestimmungen (§ 372 St. P.O., §§ 41, 551 Z. 2 C. P.O.).
Will der Beamte sein Amt zeitweilig verlassen, so bedarf er hierzu des Urlaubs
(X* 14 B.G.) 1. Die den Urlaub erteilende Behörde hat für die Vertretung des Be-
amten zu sorgen 2. Zum Eintritt in den Reichstag oder in den Landtag bedarf der
Beamte keines Urlaubs; die Stellvertretungskosten fallen hier der Landeskasse zur
Last. Ein Beamter, der zur persönlichen Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten
(z. B. als Reserveoffizier, als Geschworener usw.) berufen wird, bedarf hierzu keines
Urlaubs, jedoch ist er zur Anzeige an die vorgesetzte Behörde verpflichtet 1 5;
2. die Pflicht zur Treue und zum Gehorsam. Die Treupflicht läßt
sich juristisch nicht umschreiben, sie besteht in der Verpflichtung, bei allen Amtshandlungen
die Interessen des Staates über alle anderen Rücksichten zu stellen. Ein besonderer
Fall der Treupflicht ist die Pflicht zur Amtsverschwiegenheits (Laband I
S. 459)7.
Die Gehorsamspflicht besteht gegenüber dem Vorgesetzten des Beamten und
beruht auf dem durch die Staatsdienerstellung begründeten Gewaltsverhältnis.
7 Gesetz v. 15. Okt. 1873 (G. Bl. S. 273) Art. 90 E.G. B.G. B. Das Reichsgesetz v. 20. Febr.
1898 (R.G.Bl. S. 29), welches die Verpflichtung der Reichsbeamten (mit Ausnahme der Reichsbank-
beamten) zur Kautionsleistung aufhob, ist in E.-L. nicht eingeführt worden. Vgl. Kais. Ver., betr.
die Amtskautionen, v. 18. Ott. 1905 (G. Bl. S. 67).
Gesetz v. 1873 §§ 2 u. 7; Ver. v. 22. Nov. 1873 (G.Bl. S. 292), v. 2. Mai 1881 (G. Bl.
S. 81), v. 7. Juli 1882 (G. Bl. S. 85), v. 18. März 1885 (G.Bl. S. 5), v. 26. Mai 1891 (G.Bl.
S. 37), v. 12. April 1893 (G. Bl. S. 45). Die Kaution haftet nicht für die Kosten eines Disziplinar=
verfahrens: Min, Verf. v. 18. Febr. 1880, Samml. 5 S. 9.
(§J 22) 1 Kais. Verordn., v. 26. April 1873 (G. Bl. S. 69). Die Anträge auf Urlaubsbewilligung
sind unter Angabe der Veranlassung und der beanspruchten Zeit der unmittelbar vorgesetzten Behörde
einzureichen, auch wenn dieselbe zur Bewilligung des Urlaubs nicht zuständig ist. Vgl. Ver. des
Statth., enthaltend Bestimmungen über die rlgubsbewilligunge v. 1. Juli 1889 (A. Bl. S. 139),
23. Febr. 1880 (A. Bl. Nr. 5), Min Erl. v. 9. Mai 1887 (A. Bl. S. 97). Für die Beamten des
Ministeriums gilt § 12 III Ver. v. 23. Juli 1879 (G. Bl. S. 81), für die Universitätsprofessoren
§ 81 des Statuts der Universität, für die Gerichtsassessoren § 6 Ver. v. 7. April 1899 (G.Bl.
S. 39). Bruck S. 178.
2 In Krankheitsfällen findet ein Abzug vom Gehalt nicht statt. B.G. § 14 II.
3 Art. 21 R.V. 5 14 II N.B.G.; Els--l. V. G. § 10. Während einer Vertagung des Reichs= oder
Landtags dürsen Beamte ihrem Amte ohne Urlaub nur dann fernbleiben, wenn und soweit sie durch
vom Parlament übertragene Geschäfte (Kommissionen, Ausarbeitungen von Berichten) an der Er-
füllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten gehindert sind. Vgl. in diesem Sinne das Schreiben des
sächs. G.samtministertums v. 1. Febr. 1908 bei Reger E. 29 S. 559.
4 Pr. O. V. G. v. 21. Jan. 1888 E. Bd. 16 S. 398.
5 Besondere Bestimmungen gelten für Lehrer, welche nicht unmittelbare Landesbeamte find.
Sie erleiden an sich beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen keinen Abzug vom Dienst-
einkommen, sind jedoch bei entsprechender Entschließung der vorgesetzten Behörde verpbzichtet. ihrem
Eiellvertreter einen Teil der Dienstwohnung einzuräumen. G. v. 6. Juni 1900 (G Bl. S. 105)
Art. II.
* §& 11 B. G.; vgl. 8§ 376, 383 Nr. 5 C.P.O., § 53 Str. P.O. u. § 189 Mil. Str. G. O.
* Die Amtsverschwiegenheit kann auch dann verletzt werden, wenn der Beumte die geheim zu
baltenden Angegenheiten außer amtlich erfahren hat. R.G. (Str.) v. 20. Dez. 1907. Reger