Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 23 Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 93 
  
und über das Verfahren) „jeder Beamte für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen 
Handlungen verantwortlich". Indes ist weder durch diese gesetzliche Bestimmung noch 
durch § 11 Abs. 1 E.G. G. V. G. an dem das elsaß-lothringische Staatsrecht beherrschenden 
Grundsatze, daß der Rechtsweg unzulässig ist, falls ein Verwaltungsakt 
im eigentlichen Sinne vorliegt5, etwas geändert worden. Ein Verwaltungsakt 
(acte administratifk) darf nicht zum Gegenstand richterlicher Beurteilung gemacht 
werden. Die Gerichte dürfen Verwaltungsakte nicht auf ihre Rechtsgültigkeit hin 
prüfen (apprécier), es sei denn, daß es sich um eine offensichtliche Kompetenzüber= 
schreitung der betreffenden Behörde handelt, oder daß das Gericht durch eine Sonder- 
vorschrift zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Aktes berufen ist. (Vgl. Art. 14 
Enteignungsgesetz vom 3. April 18416.) 
Als „acte administratif“? gilt diejenige der öffentlichen obrigkeitlichen Gewalt 
eines Verwaltungsorgans entspringende Handlung, welche zur Kompetenz der betreffenden 
Behörde gehört. Den Gegensatz bilden die faits personnels (oder fautes p.), d. h. 
Handlungen und Unterlassungen eines Verwaltungsbeamten, durch welche derselbe seine 
Amtsbefugnisse überschreitet oder seine Amtspflichten verletzt 5. 
Wird nun ein Beamter wegen einer solchen Handlung, die er in Ausübung der 
ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorgenommen hat, zivilrechtlich oder strafrechtlich 
verfolgt, so ist die vorgesetzte Behörde befugt, die im § 11 Abs. 2 des E.G. G. V. G. 
vom 27. Januar 1877 (R. G.Bl. S. 77) bezeichnete bereits oben erwähnte Vor- 
entscheidung zu verlangen (§ 39 A.G.B. G.B.). 
§ 39 zit. gilt nicht für die in Elsaß-Lothringen amtierenden Reichsbeamten? 
und weiter nicht für die Verfolgung von elsaß-lothringischen Landesbeamten vor außer- 
elsaß-lothringischen Gerichten 10. Im übrigen gilt § 39 für alle Beamten- 
kategorien, also auch für mittelbare Staatsbeamte (z. B. Gemeindebeamte, 
Polizeibeamte) #1. 
Als vorgesetzte Behörde, die zum Verlangen der Vorentscheidung berechtigt 
ist, kommt die nach der Verwaltungsorganisation übergeordnete Behörde in Betracht, 
also für den Bürgermeister als Organ der Landes-, Bezirks= und Kreisverwaltung 
insbesondere der Polizeiverwaltung der Kreisdirektor (in den Städten Straßburg und 
Metz der Bezirkspräsident). Der Bezirkspräsident ist auch zuständig bezüglich der dem 
Bürgermeister im übrigen obliegenden amtlichen Tätigkeit, soweit sie eine Ausübung. 
— 
  
* Vgl. zum Flgenden Molitor-Stieve, Elf.-I. A.G. B.G. B 2. A. S. 87 f., auf dessen 
ausführliche Darstellung bei der Begrengtheit des hier zur Veifügung stehenden Raumes überhaupt 
Bezug genommen werden muß. Die Ausführungen bei Kisch, Elf.-l. Landesprivatrecht, sind infolge 
der Novelle v. 13. Febr. 1905 (§ 40 a) großenteils veraltet. 
" O. Mayer, Frz. Verwaltungsr., S. 91, 139 f: Michaölis Landesrechtliche Ausf.Best. 
zur C.P. O. 2. A. S 159. Die maßgebenden Grundsätze sind enthalten in dem Gesetz über die 
Gerichtsver fassung v. 16. bis 24. Aug. 1790 71 II Art. 13. und dem Dekret v. 16. Fruct. III. 
1 Molitor-Stieve, S. 88 u. Einl. S. AXXIII. Es handelt sich hier aber nur um 
Pactes administratifs proprement dits-, nicht in Betracht kommen nctes reglémentaires, actes 
de tutelle administratire, actes du gouvernement, vor allem aber nicht die uctes degestion 
(im Gegensatz zu den actes d'autorité), d. h. Verwaltungshandlungen, die nicht Ausfluß des staat- 
lichen Hoheikschellens (der öffentlichen Gewalt — pouvoir discrétionnaire) sind, sondern Willens- 
äußerungen des Staates im vermögensrechtlichen Verkehr mit Dritten. Bgl. hierzu oben § 18 
dieses Buches. 
*s Vcl. Dalloz. Compét. admin. Suppl., Nr. 68; Molitor-Stieve S. 90; O.L G. 
Colmar v. 3. März 1908 Jur 3. 1909 (34) S. 245. 
° N.G. Beschl. (Str.) v. 2. Nov. 1599, R.G. E. 32 S. 322. 
10 R G. v. 12. Nov. 1907, Jur. Woch. 1907 S. 842. » 
11 Dies folgt aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 39. Schon gemäß 
Art. 75 der franz. Verf. v. 22. frim. VIII, welcher durch § 39 ersetzt worden ist, wurden in Frank- 
reich und später in E. L. einzelne Gemeindebeamte, z. B. Bürgermeister (vgl. Förtsch in Puchelts-Z. 
10 S 477) u. Oberförster (R.G.E.[Str.] 16 S. 199), unter die fragliche Vorschrift gebracht. Durch 
§ 39 sollte aber der Kreis der Beamten, zu deren gerichtlicher Versolgung die in § 11 Abs. 2 E.G. 
G.V. G. bezeichnete Vorentscheidung im Falle des Verlangens der vorgesetzten Behörde notwendig 
sein sollte, noch erweitert werden. (Vgl. Begr. zu § 39/41 des Entw.). R.G. v. 17. April 1903 
Jur. 3. 1904 S. 212.
	        
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