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d) Die Form der Überweisung (an die Regierung) gelangt in allen den
Fällen zur Anwendung, wo die Kammern befugt sind, an sie gerichtete, von außen
her kommende Gesuche (Petitionen) oder Anregungen an die Regierung weiterzugeben ?.
e) Kundgebungen (Resolutionen) an die Regierung mit Rücksicht auf ein
bestimmtes, vergangenes oder künftiges Verhalten derselben 5.
k) Interpellationen der Regierung; es sind das selbständig erfolgende,
förmliche Anfragen an die Regierung über einen Gegenstand innerhalb der Kompetenz
des Landtags. Die Interpellation ist also wohl zu unterscheiden von der formlosen
Anfrage, etwa in Anknüpfung an einen Punkt der Verhandlungen.
2. Von den staatsrechtlichen sind die kollegialen Befugnisse des Landtags
zu unterscheiden. Es gehört hierher namentlich das Recht der Ausgestaltung der
inneren Verfassung der Kammern und des bei Verhandlungen und im Verkehre mit
Behörden zu beobachtenden Verfahrens. Es geschieht dies durch den Erlaß von
Geschäftsordnungen, über die noch bei den einzelnen Kammern des näheren die
Rede sein wird. Es gehört hierher auch die Schaffung der für ein Kollegium not-
wendigen Organe, der Präsidenten, Vizepräsidenten und Schriftführer, und schließlich
die Befugnis, Maßregeln in Ansehung seiner Mitglieder zu treffen, welche im Inter-
esse des geordneten Geschäftsganges und der sogenannten Immunität der Abgeordneten
gegenüber Anordnungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden notwendig werden 5.
Ein Recht auf Prüfung der Legitimation seiner Mitglieder steht dem Landtag
jedoch nicht zu (§ 9 Verfassungsgesetz).
II. Mit der Einführung des Zweikammersystems ist die elsaß-lothringische Ver-
fassung dem Vorbilde in den mittleren und größeren Bundesstaaten gefolgt. Beide
Kammern bilden eine untrennbare Einheit, und es kann deshalb die eine nicht
ohne die andere tätig sein (Begründung S. 17). Die Erste Kammer hat den Charakter
eines Oberhauses mit dem ausgesprochenen Zweck, ein Gegengewicht gegen die der
Reichspolitik etwa abträglichen Strömungen der Zweiten Kammer zu bilden. Vom
staatsrechtlichen Standpunkt aus soll sie auch einen Ersatz des als Gesetzgebungsfaktor
weggefallenen Bundesrats bilden. Historisch betrachtet ist die Erste Kammer ihrer
ganzen Zusammensetzung nach eine Weiterentwicklung des Instituts des Staatsrats
(Begründung S. 12), während die Zweite Kammer die Nachfolgerschaft des Landes-
ausschusses übernommen hat.
Die Befugnisse beider Kammern sind grundsätzlich die gleichen; indes besteht zu-
gunsten der zweiten Kammer eine Ausnahme hinsichtlich des Budgetrechts (J 5 III
Verfassungsgesetzes) und weiterhin derjenigen Befugnisse, die in besonderen Gesetzen
und Verordnungen dem Landesausschuß übertragen waren (§ 28 Verfassungsgesetz).
Dem Grundgedanken der Einheit beider Kammern entspricht es, daß jeder Be-
schluß des Landtags die Übereinstimmung beider Kammern voraussetzt, einerlei, welchen
Gegenstand die Beschlußfassung hat. Die Überweisung von Petitionen, die Abfassung
von Resolutionen und das Interpellationsrecht steht jeder Kammer getrennt zu.
Auch für Beamte, Behörden, Vereine und’ Korporationen besteht an sich kein Hinderungs-
Fund, Petitionen einzureichen, wenn sie unter ihrem Gesamtnamen erfolgt und ihr Inhalt sich auf
egenstände bezieht, welche in den Rahmen ihrer Zuständigkeit fallen. Dagegen ist eine Petition,
die sich auf gerichtlich anhängige Sachen oder auf rechtskräftige dichterliche Erkenntnisse bezieht,
unzulässig. Vgl. M. Wagner, Formellle Rechte des deutschen Reichstags (Annal. 1906, S. 128 f.).
& Laband 1 S. 274 f., Heim S. 65. Es aeeren hierher namentlich die Entlastung
(Decharge), die auf die Rechnungslegung der Regierung erfolgen muß, wenn sich zu Beanstandungen
kein Anlaß bietet. Z .
* Wagner, a. a. O. S. 136 f. Rosegger, Das parlamentarische Interpellationsrecht,
S. 25 f. Perels, Das autonome Reichstagsrecht, S. 65. Das Nähere folgt im Anschluß an die
Darstellung der Geschäftsordnungen der beiden Kammern.
51 VG6. 6 382. 462, 904 Z. 1. 905 Z. 1, C.P.O.; §§ 49, 72 Str..O. #
2 Voal. auch § 28 V.G.: „Wo in Gesetzen oder Verordnungen vom Landesausschusse die Rede
ist, ist die zweite Kammer zu verstehen.“ Es kommen hierbei hauptsächlich die Wahl von Mitgliedern
in verschiedene Kommissionen der Landesverwaltung (Steuer-Landesschulden: Staatsdepofiten-
verwaltung usw.) in Frage.