Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

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d) Die Form der Überweisung (an die Regierung) gelangt in allen den 
Fällen zur Anwendung, wo die Kammern befugt sind, an sie gerichtete, von außen 
her kommende Gesuche (Petitionen) oder Anregungen an die Regierung weiterzugeben ?. 
e) Kundgebungen (Resolutionen) an die Regierung mit Rücksicht auf ein 
bestimmtes, vergangenes oder künftiges Verhalten derselben 5. 
k) Interpellationen der Regierung; es sind das selbständig erfolgende, 
förmliche Anfragen an die Regierung über einen Gegenstand innerhalb der Kompetenz 
des Landtags. Die Interpellation ist also wohl zu unterscheiden von der formlosen 
Anfrage, etwa in Anknüpfung an einen Punkt der Verhandlungen. 
2. Von den staatsrechtlichen sind die kollegialen Befugnisse des Landtags 
zu unterscheiden. Es gehört hierher namentlich das Recht der Ausgestaltung der 
inneren Verfassung der Kammern und des bei Verhandlungen und im Verkehre mit 
Behörden zu beobachtenden Verfahrens. Es geschieht dies durch den Erlaß von 
Geschäftsordnungen, über die noch bei den einzelnen Kammern des näheren die 
Rede sein wird. Es gehört hierher auch die Schaffung der für ein Kollegium not- 
wendigen Organe, der Präsidenten, Vizepräsidenten und Schriftführer, und schließlich 
die Befugnis, Maßregeln in Ansehung seiner Mitglieder zu treffen, welche im Inter- 
esse des geordneten Geschäftsganges und der sogenannten Immunität der Abgeordneten 
gegenüber Anordnungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden notwendig werden 5. 
Ein Recht auf Prüfung der Legitimation seiner Mitglieder steht dem Landtag 
jedoch nicht zu (§ 9 Verfassungsgesetz). 
II. Mit der Einführung des Zweikammersystems ist die elsaß-lothringische Ver- 
fassung dem Vorbilde in den mittleren und größeren Bundesstaaten gefolgt. Beide 
Kammern bilden eine untrennbare Einheit, und es kann deshalb die eine nicht 
ohne die andere tätig sein (Begründung S. 17). Die Erste Kammer hat den Charakter 
eines Oberhauses mit dem ausgesprochenen Zweck, ein Gegengewicht gegen die der 
Reichspolitik etwa abträglichen Strömungen der Zweiten Kammer zu bilden. Vom 
staatsrechtlichen Standpunkt aus soll sie auch einen Ersatz des als Gesetzgebungsfaktor 
weggefallenen Bundesrats bilden. Historisch betrachtet ist die Erste Kammer ihrer 
ganzen Zusammensetzung nach eine Weiterentwicklung des Instituts des Staatsrats 
(Begründung S. 12), während die Zweite Kammer die Nachfolgerschaft des Landes- 
ausschusses übernommen hat. 
Die Befugnisse beider Kammern sind grundsätzlich die gleichen; indes besteht zu- 
gunsten der zweiten Kammer eine Ausnahme hinsichtlich des Budgetrechts (J 5 III 
Verfassungsgesetzes) und weiterhin derjenigen Befugnisse, die in besonderen Gesetzen 
und Verordnungen dem Landesausschuß übertragen waren (§ 28 Verfassungsgesetz). 
Dem Grundgedanken der Einheit beider Kammern entspricht es, daß jeder Be- 
schluß des Landtags die Übereinstimmung beider Kammern voraussetzt, einerlei, welchen 
Gegenstand die Beschlußfassung hat. Die Überweisung von Petitionen, die Abfassung 
von Resolutionen und das Interpellationsrecht steht jeder Kammer getrennt zu. 
  
Auch für Beamte, Behörden, Vereine und’ Korporationen besteht an sich kein Hinderungs- 
Fund, Petitionen einzureichen, wenn sie unter ihrem Gesamtnamen erfolgt und ihr Inhalt sich auf 
egenstände bezieht, welche in den Rahmen ihrer Zuständigkeit fallen. Dagegen ist eine Petition, 
die sich auf gerichtlich anhängige Sachen oder auf rechtskräftige dichterliche Erkenntnisse bezieht, 
unzulässig. Vgl. M. Wagner, Formellle Rechte des deutschen Reichstags (Annal. 1906, S. 128 f.). 
& Laband 1 S. 274 f., Heim S. 65. Es aeeren hierher namentlich die Entlastung 
(Decharge), die auf die Rechnungslegung der Regierung erfolgen muß, wenn sich zu Beanstandungen 
kein Anlaß bietet. Z . 
* Wagner, a. a. O. S. 136 f. Rosegger, Das parlamentarische Interpellationsrecht, 
S. 25 f. Perels, Das autonome Reichstagsrecht, S. 65. Das Nähere folgt im Anschluß an die 
Darstellung der Geschäftsordnungen der beiden Kammern. 
51 VG6. 6 382. 462, 904 Z. 1. 905 Z. 1, C.P.O.; §§ 49, 72 Str..O. # 
2 Voal. auch § 28 V.G.: „Wo in Gesetzen oder Verordnungen vom Landesausschusse die Rede 
ist, ist die zweite Kammer zu verstehen.“ Es kommen hierbei hauptsächlich die Wahl von Mitgliedern 
in verschiedene Kommissionen der Landesverwaltung (Steuer-Landesschulden: Staatsdepofiten- 
verwaltung usw.) in Frage.
	        
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