Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

118 Zaeiter Teil. Die Verfassung Elfaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 8 31 
  
  
vier wesentliche Momente ins Auge gefaßt: die Wahlberechtigung, die Wahlfreiheit, 
das Wahlergebnis und der äußere Wahlvorgang. Es gehören hierher: 
I. Die Sicherung des Wahlrechts erfolgt durch gewisse strafrechtliche Vor- 
schriften (§§8 106 — 109 R. Str. G. B.)“ auch noch durch die Kontrolle bezüglich 
der Rechtmäßigkeit der Wahlen. Letztere erfolgt durch die Wahlprüfungen. 
Jede der beiden Kammern hat die Legitimation ihrer Mitglieder zu prüfen. Es 
sind ihr daher die abgeschlossenen Akten über die Wahl der Mitglieder vorzulegen. 
Die Kammer überträgt die Prüfung der Wahlakten einer Kommission (z. B. der 
Geschäftsordnungskommission), die ihrerseits ein Mitglied zum Berichterstatter er- 
nennt. Die Kommission prüft die gesetzlichen Voraussetzungen der Mitglied- 
schaft und zwar hinsichtlich aller Umstände, die für die Gültigkeit der Wahl in 
Frage kommen 5. Nach Abschluß ihrer Prüfung erstattet die Kommission durch ihren 
Berichterstatter Bericht über das Ergebnis der Wahlprüfung. Solche Verstöße gegen 
das Verfassungsgesetz oder die Wahlordnung, die für das Endergebnis der Wahl un- 
erheblich sind, werden erwähnt damit die Regierung für ihre Abhilfe Sorge tragen 
kann 6. Liegen im Hinblick auf das Wahlergebnis wesentliche Bestandungen vor, 
so kann die Kammer, der das Mitglied angehört, durch Beschlußs (mit einfacher 
Majorität) verlangen, daß das Gericht über die Gültigkeit der Wahl entscheide. Liegen 
wesentliche Verstöße gegen die einschlägigen Bestimmungen klar auf der Hand, so ist 
es die Pflicht der Kammer eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen; denn auch 
die Kammer steht hinsichtlich ihrer Beschlußfassungen unter dem Gesetz. In Zweifels- 
fällen liegt es jedoch im Machtbereich der Kammer die Gültigkeit einer Wahl unbean- 
standet zu lassen, indem sie den fraglichen Beschluß nicht faßt. Auch wenn das Gericht 
bereits durch den Einspruch eines dritten mit der Wahlprüfung des in Frage kommen- 
den Kandidaten befaßt ist, ist die Kammer an der Beschlußfassung nicht gehindert, 
ebensowenig dann, wenn das Gericht über den Einspruch bereits entschieden hat, die 
Kammer aber neue, vom Gericht noch nicht berücksichtigte Zweifelsgründe ausfindig 
macht. Hat dagegen das Gericht auch über die von der Kammer beregten Zweifel bereits 
erkannt, so kann die Kammer nicht nochmalige Entscheidung des Gerichts beantragen. 
II. Das gerichtliche Wahlprüfungsverfahren. Dasselbe greift Plas 
einmal auf die Beschlußfassung der Kammer hin, der das Mitglied angehört, und 
" §§ 107, 108, 109, 339 Abs. 3 Str. G. B. Alle Handlungen, die nicht unter vorstehende 
Bestimmungen fallen, find, falls sie nicht gegen die allgemeinen Strafgesetze verstoßen, nicht 
verboten, können aber allenfalls im Wahlprüfungsverfahren von Bedeutung werden. Was unter 
der „Herbeiführung eines unrichtigen Wahlergebnisses“ zu verstehen ist, ist nicht unbestritten; die 
rinzipielle Frage ist die, ob das materielle Ergebnis der Wahl geschüt sein soll oder die 
Fenl Korrektheit des Verfahrens, ob also, z. B. wenn ein Nichtwahlberechtigter die Wahl aus- 
übt, eine Wahlfälschung im Sinne des § 108 vorliegt, oder ob die Anwendung dieses Paragraphen 
voraussetzt, daß z. B. der Wahlvorsteher das vorhandene Wahlergebnis verfälscht. Das Reichsgericht 
steht in seinen neueren Entscheidungen auf dem ersteren Standpunkt (R.G. v. 11. Juli u. 8. Nov. 
1904 u. v. 7. Febr. 1905, E. (Str.) 37 S. 234, 229, 297); Laband (I 335) u. a. lz. B. Ols- 
hausen, Off. Arch. 20 S. 285) dagegen auf dem letzteren. Nach der Labandschen Ansicht wäre 
derjenige, der bewußt unberechtigt wählt oder doppelt wählt, straffrei. Dies Ergebnis kann der Gesetz- 
geber nicht gewollt haben. § 108 unterscheidet bei der Wahlhandlung zwischen der Verfälschung des 
vorhandenen richtigen Ergebnisses und der Herbeiführung eines unrichtigen Ergebnisses und will beide 
Fäll- bestraft wissen. Vgl. R.G. v. 11. Juli 1904 (doppelte Stimmabgabe bei versehentlich doppelter 
intragung, Reger, E. 3, Ergänzungsband 1905 S. 346; ferner v. 7. Febr. 1905 ebenda S. 490 
(doppelter Wohnsitz). 
5 Vgl. noch § 348 Str. G. B., wonach ein Beamter — und hierunter fallen in weiterem Sinne 
auch die Wahlvorsteher —, der zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt ist, innerhalb seiner Zu- 
ständigkeit vorsätzlich eine rechtserhebliche Tatsache falsch beurkundet, zu bestrafen ist. Es ist hierbei 
an die in den Wahlprotokollen zu erwähnende Beobachtung der grsehlichen Vorschriften über die An- 
wesenheit der Wahlvorsteher und der Schriftführer und über die eidesstattliche Verpflichtung der Mit- 
glieder des Wahlvorstandes zu denken. 
« CFükdieWahlprüfunseitensderKammernkommtdiein§9Abf.2Verf.G.erwähnte 
Einspruchsfrist naturgemäß nicht in Frage. 
7 Z. B. die in Anm. 50 genannten formalen Verstöße. 
Z Der Beschluß darf kein Urteil über die Bercchtigung der erhobenen Zweifel oder über 
die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl enthalten. Laband II 256 Note 6.
	        
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