145
Dritter Teil.
Die Selbstverwaltungskörper.
Erster Abschnitt.
§ 37. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts im allgemeinen. I. Die mo-
derne Staatsverwaltung verwaltet ein Land, namentlich wenn es größeren Umfang hat, nicht nur
von der Zentrale aus, vielmehr ist die Verwaltung durch die Amterhierarchie auch örtlich inso-
fern abgestuft, als mit dem untergeordneten Amt regelmäßig auch ein engerer örtlicher Wirkungs-
kreis verbunden ist. Innerhalb dieses amtlichen und örtlichen Wirkungskreises ist der Träger
des Amtes insoweit selbstständig, als ihm nicht durch Gesetz oder durch dienstlichen Befehl der höheren
Instanz oder kraft des natürlichen Unterordnungsverhältnisses unter letztere Schranken gezogen find.
Die Zentrale der Landesverwaltung stellt die allgemeinen und leitenden Grundsätze für die Ver-
waltung auf, fie ist ferner Aufsichts= und Beschwerdeinstanz. Auf diese Weise wird die Zentral-
verwaltung von dem ganzen Ballast der Lokalgeschäfte entlastet, während die Lokalverwaltung ver-
möge ihrer genaueren Kenntnis der örtlichen Verhältnisse besser und schneller verwalten kann als die
vielfach weit entfernte Zentrale, die erst durch den „Bericht“ Aufklärung über die erforderlichen
Maßnahmen erhält. Die mit diesen Worten wiedergegebene Idee der Dezentralisation bringt
das berühmte Vorwort zum Dekret vom 25. März 1852 in trefflicher Weise zum Ausdruck:
„Considérant, qu'’on peut gouverner de loin, mais qu’on administre bien que de prés;
qdu’en sconséquence, autant il importe de centraliser PTaction gonvernementale de IEtat,
autant il est nécessaire de décentraliser I’action purement administrative etc 1.“
Der Staat hat weiterhin auch nicht etwa ein Monopol auf die öffentliche Verwaltung;
eine ganze Reihe staatlicher Aufgaben werden von selbstständigen Verbänden und Anstalten inner-
halb des Staates besorgt, und zwar in der Weise, daß der Staat durch Gesetz die betreffende Ver-
waltungsmaterie ordnet, aber einem von ihm unabhängen Verband die Vollziehung des Gesetzes
überläßt (Selbstverwaltung?).
Durch die Zulassung der Selbstverwaltung gewinnt der Staat das Mittel, seine eigene Ver-
waltung zu dezentralisieren und weite Gebiete der Staatstätigkeit in den Pflichtenkreis der Selbst-
verwaltungskörper zu versetzen.
Diese sind, ebenso wie der Staat selbst, iuristische Personen des öffentlichen Rechts:
ihr Zweck besteht darin, öffentliche Verwaltung zu führen?; sie bilden daher auch einen wesentlichen
Bestandteil des Verwaltungsorganismus des Staates. Unter den juristischen Personen des öffent-
lichen Rechts werden insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anstalten hervorgehoben; sie unterscheiden
sich von den sogenannten Gebietskörperschaften dadurch, daß ihnen regelmäßig nicht ein allgemeiner Ver-
waltungszweig, sondern eine einzelne Aufgabe der öffentlichen Verwaltung zugewiesen ist ". Es gibt
1 Vgl. Ducrocd, 2. éd., I S. 71, 74: „On a dd chercher, Tune part, à laisser à
Tautorité locale et aux conseils électifs T’initiative et la gestion dans l'administration des
affaires qui n'intéressent que la localité; et d’autre part, à reserver à l'autorité supérieure
(centrale ou préfectorale) un droit de surveillance et de contröle qui lui permette de ré-
Pprimer les excêès de pouvoir, de faire respecter les lois et les reglements, d'arrter les
abus, qui pourraient Peer, soit P’intéret général, soit T’intéret de la communauté ou de ses
membres, et violenter les individus ct les minorités en les opprimant.“
Z * Fleiner S. 88. Der Staat belehnt die Selbstverwaltungsverbände zur Bewältigung
ihrer Aufgaben mit Herrschaftsrecht (imperium).
2 O. Mayer, D.V.R. II S. 371. Z
*" Leoni-Mandel S. 99f. Nach elsaß-lothr. Verwaltungsrecht fallen unter den Begriff der
öffentlich-rechtlichen Anstalt nicht nur ein Inbegriff von Vermögen mit öffentlich-rechtlicher Zweck-
bestimmung, sondern auch Organisationen mit genoßenscheftlicher Grundlage. Kisch, Elsaß-lothr.
Landesprivatrecht, S. 152; Molitor-Stieve S. 20.
Fischbach, Elsaß-Lothringen. 10