1406 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 8 37
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öffentlich--rechtliche Anstalten, die auf reichsgesetzlicher Grundlage ruhen (z. B. Landesversicherungs-
anstalt, Innungen, Kranken= und Hilfskassen usw.), und solche, die nach Landesrecht geschaffen sind.
Die letzteren werden wiederum geschieden in löffentliche Anstalten (établissements
publies) und in gemeinnützige Anstalten (ét. d’'utilité publiques ) des öffentlichen Rechts. Zu
den Ctablissements publics im weiteren Sinne gehören auch die Bezirke, Gemeinden und Ort-
schaften; im engeren Sinne werden aber hierher nur die Spitäler und Pflegeanstalten, die Armen-
räte, die öffentlichen Vorschußkassen, die öffentlichen höheren Schulen, die Universität, die Universitäts-
und Landesbibliothek und die autorisierten Anstalten gezählt, ferner die Leihhäuser, die Sparkassen,
die Genossenschaften zur gegenseitigen Unterstützung, die autorisierten Syndikatsgenossenschaften, die
Meliorationsgenossenschaften, Flußbauverbände, Handelskammern.
Die ursprünglich nur privaten Zwecken dienenden ét. d'ut. publ. haben sich im Laufe der
Zeit immer mehr dem (rechtlichen) Charakter der ét. publics genähert, und zwar entsprechend der
immer weiteren Ausdehnung des Feldes der staatlichen Aufgaben; indessen ist der historisch be-
gründete rechtliche Unterschied hinsichtlich der Staatsaussicht, die bei den ét. publ. eine poli-
zeiliche, bei den ét. d'ut. publ. wegen des geringeren öffentlichen Interesses nur eine vormund-
schaftliche (tutelle andministrative) ist, im wesentlichen bestehen geblieben; serner gibt es noch
eine ganze Reihe weiterer gesetzlicher Unterschiede für beide Anstaltsarten 6.
II. Die Korporationen des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften)
sind zur Erfüllung allgemeiner Verwaltungsaufgaben als die geeignetsten zu erachten.
In erster Linie kommen hier die Gemeinden in Frage. Über den Gemeinden stehen.
die Kommunalverbände höherer Ordnung. In Elsaß-Lothringen zählen hierher nur die
Bezirke, während die Kreise keinen Korporationscharakter haben, vielmehr rein
geographische Verwaltungsdistrikte sind. Die Gebietskörperschaften besitzen einen eigenen
und einen vom Staat übertragenen Wirkungzkreis 7.
Die Gemeinde erledigt die zu ihrem übertragenen Wirkungskreis gehörigen Auf-
gaben mit Hülfe ihrer Gemeindeorgane. Man spricht deshalb von den Gemeinde-
beamten vielfach als von mittelbaren Staatsbeamten, wenn auch zu Unrecht. Mittelbare
Staatsbeamte werden die betreffenden Gemeindebeamten erst dadurch, daß sie für den
Bereich des übertragenen Wirkungkreises direkt den Staatsbehörden unterworfen werden";
aber sie bleiben trotzdem Gemeindeorgane, was für die Frage der Haftung aus un-
erlaubten Handlungen von Bedeutung ist?.
Die Selbstverwaltung schließt nicht ohne weiteres die Autonomie in sich; ob der
Selbstverwaltungskörper über den Kreis seiner Mitglieder hinaus Rechtssätze schaffen
kann, hängt von der ihm hierzu ausdrücklich erteilten Delegation ab.
III. Der Staat führt die Oberaufsicht über die gesamte Tätigkeit der
Selbstverwaltungskörper, und zwar sowohl nach der Seite der Rechtmäßigkeit, wie in
gewissen Grenzen auch nach der Seite der Zweckmäßigkeit 10. Der Staat kann gesetz-
widrige Beschlüsse und Anordnungen der Kommunen rügen oder aufheben und kann
ferner die Selbstverwaltungskörper anhalten, gewisse Maßnahmen zu treffen, Ausgaben
zu machen (Pflichtausgaben). 1. Das wichtigste Mittel des Staates in dieser Hinsicht
bildet die sogenannte Zwangsetatisierungnl3, d. h. die von der Aufsichtsinstanz
zwangsweise vorgenommene Eintragung von Pflichtausgaben in den Wirtschaftsplan
* Vgl. hierzu die inhaltreichen Ausführungen bei Molitor-Stieve S. 20 f., die nament-
lich auch eine entwicklungsgeschichtliche Darstellung geben.
* Molitor-Stieve erwähnen §§ 38, 40 A.G. B.-G. B., § 11 A.G. C.P.O. usw. Bgl.
ferner Kisch S. 153.
* Die Grenze zwischen eigener und übertragener Zuständigkeit ist vielfach unsicher und muß
dann bistorisch ermittelt werden.
Preuß, Städtisches # Imtsreckt, S. 138, 280 f.; Fleiner S. 103.
# Mayer, D. B
0 Uber 50“ sundicche sN vel. O Mayer, D. V.N. II § 59; Schön, Recht der
Kommunalverbände in Preußen, S. 336 f.; G. Meyer--Anschütz S. 391; Fleiner S. 105 f.;
Galter Schö lrat born, Das Oberaussichtsrecht des Staates im modernen deutschen Staatsrecht. (Diff
eidelberg 1906.)
ios hl. hierzu Weknreich, Zwangsetatisierung, in Verwaltungsarchiv Bd. 13 (1905)
S. 497; M. Lehmann, Natur und Umfang der Pflichtausgaben in Bezirk und Gemeinde,
Straßb. Difs. 1911: Wißmann, Das Pflichtausgabenrecht der emeindeverbände, in Annal. 1911
S. 358 f., 452 f.; Jebens: Verwaltungsrechtliche Aufsätze, 1899 S. 28f.; Schön, Recht der
Kommunalverbände, S . 337f.