148 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 8 38
den die Zwangsgenehmigung erfolgen darf. Eine Zwangsetatisierung ist unzulässig, wenn die in
den Etat einzusetzende Summe ihrem Geldbetrage nach unbestimmt gelassen wird. Die die Pflicht-
erklärung abgebende Behörde kann ihre diesbezügliche Verfügung zurücknehmen; dieselbe erwächst
also nicht in Rechtskraft.
Die Pflichtigerklärung bildet den vollstreckbaren Titel, auf Grund dessen die Leistung
der Pflichtausgabe erzwungen werden kann. Nach Ablauf einer zur Bewirkung der Leistung ge-
setzten, fruchtlos verstrichenen Frist geht die zuständige Behörde zwangsweise vor, indem die betreffende
Ausgabe in das Budget eingetragen oder indem dieselbe nach bereits erfolgter Fertigstellung des
Budgets als außerordentliche Ausgabe genehmigt wirds.
Zur Vollziehung der Zwangsetatisierung hat der Staat verschiedene Hilfsmittel, wie
Streichung freiwilliger Ausgaben im Wirtschaftsplan, die zwangsweise Erhebung von Steuern oder
Zuschlägen und schließlich den Verkauf von Gemeindegut 15.
2. Die Staatsaufsicht kann unter Umständen auch noch andere Wege ein-
schlagen; hierher gehören: die Absetzung von Gemeindeorganen und ihre Ersetzung
durch Regierungskommissare, die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen säumige und
pflichtwidrige Organe, Selbstverwaltungskörper usw.
Diesen mehr repressiven Maßnahmen der Ausfsichtsbehörde sind gegenüber-
zustellen die vorbeugenden (präventiven) Mittel, bezüglich deren man vielfach von
einer Vormundschaft des Staates (tutelle administrative) zu sprechen pflegt 20;
indessen ist dieser Ausdruck nicht richtig gewählt, da es sich in diesen Fällen nicht um
ein Hanveln des Staates an Stelle des Kommunalverbandes und auch nicht um eine
nach Zweckmäßigkeitsgründen auszuübende Verwaltungsbefugnis, sondern nur um ein
auf streng gesetzlicher Grundlage beruhendes Eingriffsrecht des Staates handelt.
Das Aufsichtsrecht des Staates äußert sich namentlich in der Richtung, daß der
Gemeindeverband zu manchen Handlungen (namentlich auf finanziellem Gebiete, An-
leihen) der Genehmigung der Aufsichtsinstanz bedarf?1. In diesen Fällen ist die Ge-
nehmigung die Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit des betreffenden Aktes. Der-
selbe bleibt aber ein Akt des Selbstverwaltungskörpers; seine allfallsigen Mängel
werden durch die staatliche Genehmigung nicht geheilt 22.
Der Gefahr, daß der Staat sein Aufsichtsrecht über die Selbstverwaltungs-
körper in unzulässiger Weise ausdehnt, ist durch das Recht der Kommunen, verwaltungs-
gerichtlichen Schutz anzurufen, in vielen Fällen vorgebeugt 26. Den elsaß lothringischen
Gemeinden ist ein solcher Schutz bei dem Mangel eines Verwaltungsgerichtshofes bisher
versagt geblieben.
Zweiter Abschnitt. Die Gemeinde.
Erstes Kapitel.
§+#l 38. Allgemeines. I. Der Geselligkeitstrieb und gemeinsame wirtschaftliche Interessen er-
zeugten schon früh auf dem Staatsgebiete Gruppen beisammen wohnender Eingesessenen, deren Ord-
nung eine teilweise sehr geringe, jedenfalls eine recht verschiedenartige war. Die Städte hatten
allerdings im Gegensatz zu den Landgemeinden eine bedeutend vorgeschrittenere Form der Gemeinde-
bildung.
18 In beiden Fällen hat der Gemeindeverband die Möglichkeit, den Verwaltungsrechtsweg
zwecks Ungültigertlärun der Zwangsgenehmigung einzuschlagen.
12 g. hierzu: Fuzier-Herman N. 1304; O. Mayer, Franz. V.R., S. 460; Wiß-
mann S. 463; Ell.-I. Gem.O. 77.
20 So z. B. Block, Dictionnaire de l’admin. franç., 2 A. 1878; Leoni-Mandel
S. 52 Anm. 3. Auch Fleiner S. 106 f. «
21 Namentlich wenn z. B. eine gewisse Summe überschritten wird. Aber auch z. B. bei der
Wohl der oberen Verwaltungsorgane der Selbstverwaltungskörper und der Genehmigung von Be-
anungsplänen.
:2 Vgl. R. G.E. (Civ.) v. 5. Mai 1882 E. Bd. 7 S. 230. Daher hat der Richter in dieser
Beziehung ein Uberprüfungsrecht. Pr. O. V.G. v. 3. Nov. 1897 E. Bd. 322 S. 122; Fleiner
S. 108. :35 G. Meyer-Anschütz S. 392 Anm. 1.
k 3 1 O. Mayer, Frz. V.N. S. 441; H. Knothe, Die Gemeindegesetzgebung der franzöfischen
wvolutien. fh 1910. Vgl. auch die interessanten Ausführungen in Pilotys Bayr. Staats-
re S. 514.