Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

162 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. 
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Zur Vorbereitung seiner Beschlußfassung kann der Gemeinderat aus seiner 
Mitte Ausschüsse (Kommissionen) wählen, in denen der Bürgermeister oder ein von 
ihm beauftragter Beigeordneter oder ein hierzu von ihm beauftragtes Gemeinderats- 
mitglied den Vorsitz führt (§ 60, §§ 53 f. Gem.O.). Die Beschlüsse der Kommissionen 
können aber niemals, auch nicht im Falle einer besonderen Vollmachtserteilung durch 
den Gemeinderat, als Ersatz der Beschlüsse dieses gelten. Die Verhandlungen des 
Gemeinderats sind in der Reihenfolge der Beschlüsse in ein Buch (Protokollbuch) ein- 
zutragen und von den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern zu unterzeichnen (§ 51 
Gem.O.). Weigerungen oder Verhinderungen bezüglich der Unterzeichnung sind zu 
protokollieren 4. 
Der Schriftführer wird durch den Gemeinderat bestimmt, derselbe braucht nicht 
Mitglied des Gemeinderats zu sein (§ 51 Gem.O.). 
Der Bürgermeister, die Beigeordneten und Gemeinderatsmitglieder können an 
solchen Verhandlungen und Beschlußfassungen nicht teilnehmen, an welchen sie ent- 
weder persönlich oder als Bevollmächtigte interessiert sind (§ 50 II Gem.O.)1. 
C. Die Zuständigkeit des Gemeinderats. Sie deckt sich mit den Auf- 
gaben der Gemeindeverwaltung als solcher. Die Befugnisse des Gemeinderats lassen 
sich einteilen in autonome und Verwaltungsbefugnisse“s. 
1. Der Gemeinderat hat die Befugnis, aus eigenem Recht Verordnungen zur 
Regelung von Gemeindeangelegenheiten zu erlassen. Diese Verordnungen können sein 
statutarische Bestimmungen mit dem Zwecke, die durch Gewerbeordnung, Ver- 
sicherungsordnungen usw. bestimmten gegebenen Materien zu regeln 13; ferner können 
es Polizeiverordnungen sein, jedoch dies nur ausnahmsweise"“, da die Hand- 
habung der Ortspolizei in erster Linie dem Bürgermeister zusteht. 
2. Die Verwaltungsbefugnisse des Gemeinderats beschränken sich auf die 
Zustimmung zu Entscheidungen des Bürgermeisters; eine eigentliche Verwaltungstätig- 
keit, also insbesondere die Ausführung von Beschlüssen ist dem Gemeinderat jedoch 
untersagt. Immerhin ist es ihm gestattet, Anträge, welche die Gemeinde betreffen, oder 
Beschwerden über die Gemeindeverwaltung an die Aufsichtsbehörden zu richten. (§ 61). 
3. Der Gemeinderat hat ferner weitgehende Kontrollbefugnisse. Er ist 
berechtigt, sich von der Ausführung seiner Beschlüsse ÜUberzeugung zu verschaffen. Er 
kann zu diesem Zweck von dem Bürgermeister insbesondere die Einsicht der Akten und 
Rechnungen verlangen. Der Bürgermeister hat ihm ferner alljährlich einen Verwaltungs- 
bericht zu erstatten, welchen der Gemeinderat zur Beratung stellen und dessen Ver- 
öffentlichung er verlangen kann, (§ 61). Diese Kontrolle steht dem Gemeinderat aber nur 
über Gemein deratsangelegenheiten, nicht auch über solche Angelegenheiten zu, die der 
Bürgermeister als Organ der Landes-, Bezirks= und Kreisverwaltung zu erledigen hat. 
4. Ferner hat der Gemeinderat auch gewisse organisatorische Befugnisse 
insofern, als er über die Errichtung und Aufhebung ständiger Gemeindeämter beschließen 
kann. 
5. Des weiteren hat er grundsätzlich über alle Einnahmen und Ausgaben der Ge- 
meinde zu beschließen (Gem. § 55). 
6. Schließlich kommen ihm die Beschlußfassung über die Verwaltung des Gemeinde- 
vermögens, das Bestimmungsrecht über die Benutzung öffentlicher Anstalten, eine gewisse 
begutachtende Tätigkeit hinsichtlich der Handlungen des Bürgermeisters und auch Er- 
nennungsbefugnisse zu. 
60 Ein Verstoß gegen diese Vorschriften hat die Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge. 
Kais. Rat Nr. 167. 
4•1 Bei Zuwiderhandlungen entscheipet im Einspruchsverfahren der Bezirksrat endgültig. 
N 50 II, 70 Gem.OO. “. Vgl. Bruck I S. 302f. 
*, Es handelt sich z. B. um Bestimmungen über die Bedürfnisfrage bei Errichtungen von 
Wirtschaften, über Sonntagsruhe usw. Agl. Bruck I S. 303. Die betreffenden Bestimmungen sind 
nach Anhörung beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter nach erfolgter Genehmigung des Bezirks- 
präsidenten als Aufsichtsbehörde zu erlassen und in ortsüblicher Weise zu verkünden. 
4“ So hat das Feldpolizeigesetz v. 9. Juli 18884 dem Gemeinderat die Befugnis verliehen, 
polizeiliche Anordnungen z. B. über die Schließung der Weinberge und über die Erntezeit zu treffen.
	        
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