170 Dritter Teil. Die Selbstverwaltungskörper. * 42
Verzicht auf Forderungen oder sonstige Rechte der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (Gem.O. 5 56
Z. 9 u. 10, § 76 Z. 8). Zur übernahme einer Bürgschaft seitens der Gemeinde ist ein Ge-
meinderatsbeschluß erforderlich (§ 56 Nr. 14 Gem. O.), der seinerseits der Genehmigung des Bezirks-
präsidenten bedarf (§ 75 Nr. 9 l. c.) .
4. über die Aufnahme einer Anleihe beschließt ebenfalls der Gemeinderat (§ 56 Nr. 5
Gem.O.), und zwar in kleinen Gemeinden unter Hinzuziehung der Hoöchstbesteuerten (6 44 GemO.).
Je nachdem durch die Anleihe die Gemeinde mit einem Schuldenbestand belastet wird oder nicht,
ist eine Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde erforderlich (§ 75 Abs. 2 Nr. 4 Gem. O.). Wird
die Gemeinde mit einem Schuldenbestand belastet, so bedarf der Gemeinderatsbeschluß, falls die
Tilgungsfrist der Anleihe zehn Jahre nicht überschreitet, der Genehmigung der Gemeindeaufsichts-
behörde, andernfalls, bei Erstreckung der Tilgungsfrist über zehn Jahre, der Genehmigung durch eine
vom Statthalter zu vollziehende Kaiserliche Verordnung (§ 74 Nr. 2 Gem.O.)7#.
5. Auch über die Vornahme öffentlicher Arbeitens“ hat der Gemeinderat zu beschließen.
Wird durch diese Arbeiten ausschließlich der Abbrucharbeiten der Betrag von 1000 Mk. überschritten,
so müssen die Pläne und Kostenvoranschläge von einem staatlich zugelassenen Sachverständigen 25
aufgestellt und geprüft sein; außerdem bedarf der Gemeinderatsbeschluß in kleinen Gemeinden der
Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Uberschreiten die Kosten den Betrag von 10 000 Mk., so ist in
allen Gemeinden die Genehmigung des Bezirspräsidenten erforderlich ss. Die Vergebung der Ar-
beiten und Lieferungen erfolgt durch den Bürgermeister, der hierbei die vom Ministerium erlassenen
allgemeinen Vorschriften zu beobachten hat 37. Haben mehrere Gemeinden die gemeinschaftliche Aus-
führung von Wasserleitungen, Ent= und Bewässerungsanlagen beschlossen (Ges. v. 11. Juni 1902),
so kann zur Ausführung und späteren Unterhaltung und Verwaltung derselben auf Antrag einer
der Gemeinden eine Syndikatskommission eingesetzt werden, welche aus den Bevollmächtigten
der beteiligten Gemeinden gebildet wird. Die Bestimmungen des Gesetzes vom 7. Juli 1897 finden
mit der Maßgabe Anwendung, daß das Ministerium die Befugnisse des Bezirkspräfidenten und der
Aufsichtsbehörde wahrnimmt.
6. Zur Führung eines Rechtsstreites für die Gemeinde bedarf der Bürgermeister, der
hierbei als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde gilt, einer vorherigen Ermächtigung durch Gemeinde-
ratsbeschluß; eine Ausnahme von diesem Grundsatze gilt nur für Besitzklagen in dringenden Fällen 38.
Zur Prozeßführung vor den ordentlichen Gerichten bedarf die Gemeinde der Genehmigung des
Bezirkspräsidenten (§ 75 Z. 6 Gem.O.) 3°: Ausnahmen gelten, soweit es sich um vom Bürgermeister
ohne vorherige Genehmigung des Gemeinderats geführte Besitzstreitigkeiten oder um Einsprüche gegen
Forderungen der Gemeinden im Beitreibungsverfahren handelt (5 69 Gem. O.). Zur Führung von
Prozessen vor den Verwaltungsgerichten bedarf es der Genehmigung des Bezirkspräfidenten nicht.
Wer eine Gemeinde verklagen will, hat in den Fällen, in welchen die Gemeinde zu der be-
treffenden Prozeßführung der Genehmigung bedarf, bei dem Bezirkspräsidenten vorher eine Denk-
schrift einzureichen, die den geltend zu machenden Anspruch nebst einer näheren Begründung zu
enthalten hat. Durch die Einreichung der Denkschrift wird der Lauf der Fristen und der Ver-
jährung unterbrochen. Der Bezirkspräsident übermittelt die Denkschrift dem Bürgermeister, der
unverzüglich eine Beschlußfassung des Gemeinderats herbeizuführen hat. Die Klage darf erst erhoben
werden, wenn die zur Prüfung der fraglichen Angelegenheit notwendige Frist abgelaufen ist“?. Die
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'7: Wegen der Ubernahme von Bürgschaften durch Sparkassen vgl. § 61 Ges. v. 23. Aug. 1912.
23 Wegen Ginzelheiten vgl. Friedrich, Die in E.-L. geltenden Bestimmungen über Gemeinde-
anleihen 1906.
3/ Einschließlich der Hauptausbesserungen und Abbrucharbeiten. Leoni-Mandel, S. 77.
Gem.O. 8§ 56 Ziff. 6; 75 Ziff. 5, 76 Ziff. 6 und 17 Abs. 3. Für historische Denkmäler gelten
besondere Bestimmungen § 75 Z. 2 Gem.O. u. Verf.O. Pr. v. 7. u. 13. Jan. 1874.
35 Als solche kommen neben staatlichen Beamten die sogen Kommunalbaumeister in Betracht.
36 Indessen kann das Ministerium auf Antrag des Gemeinderats eine höhere Grenze der
Beschlußfassung desselben ziehen.
“ Vgl. Leoni-Mandel, Note 3.
38 Vgl. O.L.G. Colmar v. 15. Okt. 1908, Els.-l. 3. 34 S. 453. Aber auch hier muß der
Gemeinderat in seiner nächsten Sthung von dem Geschehenen Kenntnis erhalten. In allen Fällen
muß die Ermächtigung für höhere Instanzen erneut nachgesucht werden; doch kann die Ermächtigung
auch von vorneherein für alle Instanzen erteilt werden. § 56 Z. 15, § 19 Gem.O.; vgl. R.G. v.
S. Okt. 1900, Eif.-I. 3. 26 S. 196. -
CVDiesgiltmchtaachfürdichdheceanstanzen,inAbw.vonderftüheranntfch.des
O.L.G.Colmar,Jur.3.16S.442.Entsprechendeswirdzugeltenhaben,wennderGegnerEin-
spruch gegen ein Versäumnisurteil eingelettt hat.
* Hierüber haben gegebenenfalls die ordentlichen Gerichte zu entscheiden. Ist nach Ablauf
dieser nach bestem Ermessen zu bestimmenden Frist die Ermächtigung zur Prozeßführung nicht erteilt,
so kann die Gemeinde im Versäumniswege verurteilt werden. ird die Genehmigung erst im Laufe