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Durch § 11 Abs. 1 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871 wurde hinwiederum
der Reichskanzler (an seine Stelle ist später der Statthalter getreten) ermächtigt,
dem Bezirkspräsidenten Befugnisse zu übertragen, die nach den (französischen) Gesetzen
die Ministerien auszuüben hatten, und durch § 8 (zit.) wurde sogar vorgesehen, daß
ihm durch Kaiserliche Verordnung solche Rechte verliehen werden konnten, die bisher
das Staatsoberhaupt ausgeübt hatte 7.
3. Der Bezirkspräsident hat eine umfassende Zuständigkeit zum Erlasse von
Bezirkspolizeiverordnungen, die sich, abgesehen von Einzelgesetzen, auf die in dem
Gesetze vom Januar 1790 enthaltene Hauptdelegation erstreckt, nämlich Maßnahmen
zu treffen „de la süreté, de la salubrité et de la tranquillité publique"“s.
4. Der wichtigste Teil der Tätigkeit des Bezirkspräsidenten als Staatsorgan
liegt auf dem Gebiete der Beaufsichtigung und Kontrolle der Kreis-(Polizei-)Direktoren
und der Bürgermeister?. Hierbei wird der Bezirkspräsident von einer Reihe von
Räten und Hilfsarbeitern unterstützt. Nach außen tritt indessen nur der Bezirks-
präsident in die Erscheinung= Die Beamten des Bezirkspräsidiums bilden also keine
kollegiale Behörde. Als solche fungiert der Bezirkspräsident mit den Räten nur in
der Funktion des Bezirksrats als Verwaltungsgericht; hier haben die beiden Bei-
sitzer gleiches Stimmrecht wie der vorsitzende Bezirkspräsident bzw. sein Stellvertreter.
Tritt der Bezirksrat nicht als Verwaltungsgericht zusammen, so steht wieder dem
Bezirkspräsidenten, der Beschluß im Bezirksrat faßt, die ausschlaggebende
Stimme zu 0.
5. Als eigentliche Bezirksbeamte kommen nur noch in Betracht die an
den den Bezirken gehörigen Irren-, Armen-, Pflege= und Findelanstalten beschäftigten
Personen. Dieselben sind öffentliche Beamte, deren Rechtsverhältnisse sich namentlich
hinsichtlich der Anstellung und Entlassung nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen
Rechts über den Dienstvertrag, sondern nach dem öffentlichen französischen Beamten-
recht richten 11. Dieselben werden vom Bezirkspräsidenten ernannt und entlassen und
unterstehen seiner Disziplinargewalt.
II. Der Bezirkstag ½2. Die Wahl der Mitglieder der drei Bezirkstage geschieht
nach dem Gesetz vom 15. Juli 1896, betreffend die Wahl der Mitglieder der Bezirksver-
tretungen und Kreisvertretungen (G. Bl. S. 65), das ähnliche Vorschrifften wie die
Gemeindeordnung enthält 15.
1. Für die Wahlen zum Bezirkstag gilt das allgemeine direkte Wahlrecht mit
geheimer Abstimmung. Das aktive Wahlrecht ist unter denselben Voraussetzungen
Eine Vermehrung der Befugnisse der Bezirkspräsidenten ist eingetreten durch Ges. v. 20. März
1881 (G. Bl. S. 60), wodurch ihm die Funktionen der Forstdirektionen übertragen worden sind. B9l.
frner bezüglich *J 6 AG. B. G B. Molitor-Stieve S. 41; ferner bezüglich § 7à u. b zit.
olitor-Stieve S. 52 f., 55 und wegen der Rechtsfähigkeit gegenüber Vereinen § 8 zit. Molitor-
Stieve S. 57 A. 1, 58; ferner bezüglich § 136 (Aufnahme von Bezirkspflegekindern) Molitor-
Stieve S. 471, 477; § 35 A.G. V.5.9. Kontrolle der Rechnungen der Wildschadensgenossenschaften:
#a A.G. B. G.B. (Mitwirkung bei der Enteignung und bei der Abgrenzung des öffentlichen Gutes)
olitor-Stieve S. 181, 138, bezüglich der Wosserverteklung S. 209, bezüglich der Unterhaltung
von Wasserläufen S. 215 ebenda.
*Von dieser Besugnis ist nur selten Gebrauch gemacht worden. Vgl. Ver. v. 10. Febr. 1875
83 S. 57). Die Bestimmungen des § 1 Nr. 1 u. 2 find durch die Gemeindeordnung wieder
aufgehoben. »
s Vgl. oben S. 144. Uber das Verhältnis. des Polizeiverordnungsrechts des Bezirkspräfidenten
zu demjenigen des Bürzermeister- ogl. O. L. G. Colmar v. 24. April 1900, Els.-L. Z. 28 S. 33.
Vagl. Ver. v. 20. Sept. 1878 (G. Bl. S. 249) § 2; Ver. v. 28. Aug. 1875 (G. Bl. S. 171) §2.
10 Z. B. bei Beschlußfassung über die Einteilung der Gemeinden in Wahlbezirke (Gem. O.
" Sgcbei der Ermächtigung zur Progeßführung (§ 75 Nr. 6 Gem.O.). Vgl. des näheren Bruck
11 Vgl. O. L.G. Colmar v. 16. Febr. 1911, Els.-l. Z. 1912 S. 51. Die betreffenden Beamten
können regelmäßig ohne weiteres entlassen werden, wenn nicht besondere Bestimmungen (z. B. die
Satzungen der betreffenden Anstalt) etwas anderes vorsehen.
72 Ges. v. 24. Jan. 1873 (G.Bl. S. 17) 1: Ges. v. 22. Juni 1833 Art. 1.
13 Val. Verh. des Landesausschusses 23. Sess. I Vorl. Nr. 4: II S. 414 f., 624 f., 63 f., 64