196 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 40
Solche Verfügungen, die Rechtsverhältnisse und Rechtslagen schaffen, wie die Verleihung der
Staatsangehörigkeit, die Anstellung von Beamten, die Verleihung öffentlicher Unternehmungen, neunt
man öffentlich-rechtliche Verträge 2#. Vielfach schreibt man auch Verwaltungsverfügungen, weil sie,
wie die Gerichtsurteile, herrschaftliche, obrigkeitliche Anordnungen für Einzelfälle treffen, Rechts-
kraft zu. Hierbei muß man jedoch zwischen der formellen und der materiellen Rechtskraft unter-
scheiden 2. Formelle Rechtskraft besitzen diejenigen Verwaltungsakte, die mit einem Rechtsmittel nicht
mehr angefochten werden können, weil z. B. die Fristen für Beschwerden, Rekurse abgelaufen sind.
Dagegen wird man den genannten Verfügungen nicht auch in dem Sinne die materielle Rechtskraft
zusprechen können, als ob sie niemals von der Verwaltung mehr abgeändert werden könnten. Dies
widerspräche dem Zweckmäßigkeitscharakter der Verwaltungsverfügung. Wenn es das öffentliche
Interesse erheischt, muß die Verwaltungsbehörde in der Lage sein, die Verfügung sofort rückgängig
zu machen. Indessen find dem freien Widerrufsrecht der Behörde gewisse Schranken gezogen 5°.
Von den Nebenbestimmungen zu Verwaltungsverfügungen? find zu erwähnen zunächst
die Bedin gungen, die Verwaltungsverfügungen hinzugefügt werden können; es gilt für sie grund-
sätzlich das gleiche wie im Zivilrecht. Soweit nach dem Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen die
Genehmigung nicht versagt werden kann, darf sie auch nicht von Bedingungen abhängig gemacht
werden. Im übrigen muß auch ohne einen diesbezüglichen ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt
grundsätzlich die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen (Bedingungen usw.) anerkannt werden.
Wichtiger für das öffentliche Recht ist die Auflages; sie unterscheidet sich von der Bedingung
sein muß. Von Gesetz und Verordnung unterscheidet sich die Verfügung dadurch, daß jene Rechts-
regeln, diese dagegen ein Rechtsverhältnis begründet, und zwar bezüglich eines einzelnen oder aller,
die an dem von der Verfügung getroffenen Tatbestand beteiligt sind. Fleiner S. 158.
* Laband I e#S. 446. Nach O. Mayer, D. V.R. I1 294, Fleiner S. 162, Kormann,
lesen Lerrcchtsgeschäftlichen Staatsakte, S. 106, handelt es sich hierbei um „gegenseitige öffent-
iche Geschäfte“.
Die Konstruktion des gegenseitigen öffentlichen Rechtsgeschäfts soll sich ganz klar darin zeigen,
daß das Unternehmen nur mit Zustimmung des Verleihers übertragen werden kann; indessen ergibt
sich diese Folgerung ebenso klar aus der Rechtsnatur des öffentlicherechtlichen Vertrages, der im
Untertanen nicht einen in allen Beziehungen gleichwertigen und gleichberechtigten Kontrahenten zu
erblicken braucht. Z„
s Val. O. Mayer, Zur Lehre von der Rechtskraft in Verwaltungssachen, Off. Arch. 21, S. 1 f.
# Vgl. über die sehr bestrittene Rhrage leiner S. 164 f. Der Widerruf kann erfolgen
nicht bloß wegen veränderter Umstände, sondern auch wegen geänderter Ansicht. Umgekehrt kann
aber auch der Untertan jederzeit die Anderung der Verfügung verlangen, ohne daß er eine nach-
trägliche Veränderung der Umstände beweisen mußte. Die Einrede der res judicata kann ihm also
nicht eutgegengehalten werden.
5 Der Widerruf muß einmal im öffentlichen Interesse liegen und darf ferner dann nicht er-
folgen, wenn die Behörde nur nach vorausgegangenem umständlichen Einspruchs= und Ermittlungs-
velsahren anspruch= oder pflichtbegründende Versügungen erlassen hat (Fleiner S. 168). Denn
in diesem Falle hat eine eingehende Prüfung der öffentlichen Interessen stattgefunden. Daher ist z. B.
eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis, die auf Grund des im § 19 f. Gew.O. vorgeschriebenen Einspruchs-
verfahrens erteilt worden ist, gegen nachträgliche Erschwerung durch neue Auflagen gesch t; die
Gewerbeerlaubnis darf nur aus bestimmten geealichen Gründen widerrufen werden, §# 40, 53 Gew.O.
Landmann, Komm. I S. 191. Ferner darf die Behörde eine baupolizeiliche Erlaubnis nicht
urücknehmen, nachdem die Errichtung des Baues begonnen hat. O. Mayer, D. V.N. I S. 302.
Kreine: S. 168. In gleicher Weise schützen formell rechtskräftige Steuerveranlagungen den
teuerpflichtigen gegen Nachbesteuerung, vorausgesetzt, daß die Steuerbehörde alle für den Umfang
der Steuerpflicht erheblichen Tatsachen gekannt hat oder hätte kennen müssen. Fleiner S. 169.
O. Mayer I S. 419.
6 Naturgemäß sind auch die auf öffentlich-rechtlichen Verträgen beruhenden Rechte und Rechtslagen
zugunsten bestimmter Untertanen unabänderlich, z. B. Eisenbahnkonzessionen, Anstellungsverhältnisse.
Kormann S. 323 f. Die Verwaltungsbehörde ist aber trotz des Vorliegens dieser Voraussetzungen befugt,
einen Widerruf vorzunehmen, wenn eine diesbezügliche Bestimmung selbst in die Verfügung (den Vertrag)
seinerzeit aufgenommen worden ist (dies pflegt bei gewerblichen Konzessionen, Bauerlaubnissen die
Regel zu sein; wenn auch nicht immer der Widerruf, so wird doch regelmäßig die Beifügung weiterer
Bedingungen in diesen Fällen ins Auge gefaßt). wenn die besonderen Voraussetzungen, unter denen
die Verfügung erlassen wurde, nicht mehr vorliegen (z. B. die Befähigung zu dem betr. Gewerbe
ift weggefallen *5 53 Gew.O) und schließlich, wenn kraft Gesetzes der Verfügung eine Verwirkungs-
klausel in dem Sinne anhaftet, daß sie widerrufbar wird, wenn der Untertan die mit der Einräumung
gewisser Rechte verbundenen öffentlichen Pflichten nicht erfüllt (so bei Eisenbahnunternehmungen).
Ein freier Widerruf im Sinne eines willkürlichen Widerrufs ist jedenfalls immer ausgeschlossen.
* Vgl. hierzu Kormann S. 135 f., O. Mayer 1 S. 296, Fleiner S. 171.
Die namentlich häufig bei Bauerlaubnissen vorkommt. Die Auflage ist im Gegensatz
zur Bedingung eine selbständige, dem Hauptgeschäft nur äußerlich angefügte Willenserklärung: