Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

198 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 51 
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2. Die Verwaltungsbehörde übt unmittelbaren Zwang gegen die Person oder das Ver- 
mögen des Verpflichteten aus. Hierher gehören das Verwaltungszwangsverfahrens z. B. 
zur Beitreibung öffentlicher Gefälle. Soweit ein besonderes Verfahren nicht vorgesehen ist, ist die 
Behörde allgemein ermächtigt, physischen Zwang anzuwenden, der allerdings nur das letzte 
Mittel sein soll 7. 
II. Der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte. Als Korrektiv gegenüber der in den 
Verwaltungsakten zum Ausdruck kommenden Zwangsmacht des Staates steht dem Untertanen das 
Beschwerderecht und, wo ein Verwaltungsstreitverfahren besteht, der Rechtsweg offen. 
1. Die Beschwerde wird vielfach nur eine Gegenvorstellung bei der den Verwaltungs- 
akt erlassenden Behörde sein; zur eigentlichen Beschwerde kommt es erst, wenn sich der Gesuchsteller 
an die vorgesetzte Behörde wendet (Anzeigel. Von diesen Beschwerden im weiteren Sinne ist die 
förmliche Beschwerde (Rekurs, Verwaltungsbeschwerde) wohl zu unterscheiden s. Dieselbe ist immer 
an die übergeordnete Verwaltungsinstanz gerichtet, die aber für gesetzlich bestimmte Angelegenheiten 
in Form eines Kollegiums entscheidet (vgl. § 21 Gew.O.“). Legitimiert zur Beschwerde ist der 
durch den Verwaltungsakt unmittelbar Betroffene; in manchen Fällen kann das Beschwerderecht 
einem Organ der öffentlichen Verwaltung (Bürgermeister) eingeräumt fein. Die Beschwerde ist 
regelmäßig an bestimmte Formen, insbesondere auch an Fristen gebunden. Ist die Frist ungenützt 
abgelaufen, so hat damit die Verwaltungsverfügung die formelle Rechtskraft beschritten. Die Be- 
schwerdeinstanz prüft das Vorbringen des Beschwerdeführers vom tatsächlichen und vom rechtlichen 
Standpunkte aus und hat ihre Entscheidung zu begründen ½. 
2. Betreffs der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist auf das in § 19 Gesagte zu verweisen. 
Zweiter Abschnitt. Das Polizeirecht. 
§ 51. Begriff und Einteilung der Polizei. I. Unter Polizei im 
weiteren Sinne versteht man diejenige Tätigkeit, welche die Ab- 
wendung innerer Gefahren für die öffentliche Ordnung des Ge- 
meinwesens bezweckt 1. Die Polizei in diesem Sinne steht also im Gegensatz zu 
derjenigen staatlichen Sicherheit, die ohne Zwang die öffentlichen Interessen fördert 
(Wohlfahrtspflege). Die Polizeigewalt äußert sich in einer liberwachungs-, 
Befehls= und physischen Zwangsgewalt, die sich gegen alle Bewohner 
des Staatsgebietes, also auch gegen Ausländer richtet. Die Polizeigewalt richtet sich 
gegen den einzelnen wie gegen die Gesamtheit, des weiteren aber auch gegen Störungen 
durch Naturereignisses. 
* Zwangsbeitreibungsverfahren vgl. § 803 f. C. P.O. # . 
* Der physische Zwang darf im normalen Lauf der Dinge nur ultima ratio sein. Fleiner 
S. 189. Es gehören hierher vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Vermögensbestandteilen, 
Verhinderung des Weiterbaues eines Hanses usw., zwangsweise Vorführung von Kindern zum 
Impfen, pr. O. V.G. v. 24. Sept. 1909 (Reger 31 S. 73). 
In diesem Zusammenhang ist auch in der Regel von dem verwaltungsrechtlichen Notstand 
der Behörden die Rede; ein solcher wird grundsatzlich anerkannt werden müssen (vgl. R.G. [Str.] 
v. 4. Okt. 1906 E 27 S. 482). Wolzendorff (Off. Arch. 27 S. 244) will das polizeiliche Not- 
recht nur dann anerkennen, wenn es durch das positive Recht ausdrücklich begründet ist. · 
VSiebildetnachFleinerS.l96.einsubjettivesöffentlichesRechtjedesUntettansspublts 
zistischer Rechtsschutzanspruch). 
Eine solche Einrichtung ist in E.-L. nicht getroffen, wohl dagegen in Baden; vgl. Walz, 
Bad. Staatsrecht, S. 122. Daß von dem oben erwähnten Kollegium der elsaß-lothringische Bezirks- 
rat wohl. & unterscheiden ist, bedarf wohl keiner besonderen Hervorhebung. # 
10 Eine reformatio in peius ist immer zulässig, wenn die Beschwerdeinstanz mit der Aufsichts- 
kustangh deckt. Fleiner S. 199. Das ist namentlich bei Beschwerden in Steuersachen nicht immer 
er Fall. 
4 51) 1 Unter iinlicher Ordnung versteht man den im Einklang mit den Normen des öffent- 
ichen Rechts befindlichen Zustand aller staatlichen Einrichtungen. öffentliche Sicherheit da- 
gegen ist der Zustand, in welchem die Gesamtheit wie der einzelne Staatsbürger gegen schädigende 
ain nFe Dritter gesichert sind. Die öffentliche Sicherheit hat also die öffentliche Ordnung zur Vor- 
aussetgung. 
2 Legteres ist bestritten; dafür Leoni-Mandel S. 104 in Anlehnung an Grün, Traité 
de la police administrative, générale et municipale, Nr. 114, 394 f. Vgl. auch C.L.G. Colmar 
v. 28. April 1896, Jur. Z. 22 S. 48. Droht z. B. ein auf einem Privatgrundstück liegender Felsblock 
abzurutschen und die Gemeindebewohner zu schädigen, so kann der Eigentümer nicht angehalten werden, 
Vorkehrungen dagegen zu treffen, weil die Gesehe lediglich auf der natürlichen Beschaffenheit des
	        
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