§ 5: Das Verordnungsrecht der Polizeibehörden. 207
2. Bezüglich des Statthalters vgl. S. 143.
3. In einigen Beziehungen ist auch das Ministerium mit Verordnungs-
gewalt ausgestattet. Die Delegation ist hier nur auf die deutsche Gesetzgebung zurück-
zuführen; sie betrifft die Berg-, Jagd-, Wasser-, Fischerei= und Gewerbepoljzei.
4. Die Bezirkspräsidenten sind an sich zum Erlaß von Verordnungen
nur berechtigt, soweit sie hierzu gesetzlich delegiert find. Indessen wird eine Ausnahme
insoweit gemacht, als das Gesetz vom 22. Dezember 1788 den Bezirkspräsidenten einen
Auftrag zur Verwaltung erteilt, der ohne die gleichzeitige Befugnis Verordnungen
auf diesem Gebiete zu erlassen, wesentlich beeinträchtigt wäre 16. Die bezeichnete ge-
setzliche Bestimmung umfaßt neben einer Reihe wohlfahrtspolizeilicher Vorschriften
auch die Sorge für die Erhaltung der „öffentlichen Gesundheit, Sicherheit und Ruhe“.
Eine ausgedehnte Verordnungsgewalt besitzt der Bezirkspräsident auf Grund seiner
Stellung als „maire de son département“; in dieser Eigenschaft ist er befugt, alle
Gegenstände im Verordnungswege zu regeln, für die auch der Bürgermeister Ver-
ordnungen erlassen kann. Indessen dürfen sich derartige Bezirkspolizeiverordnungen
niemals auf nur eine Gemeinde beschränken; sie müssen entweder für alle oder mehrere
Gemeinden des Bezirks erlassen sein. Über die Grenzen des Bezirks hinaus haben
Bezirkspolizeiverordnungen keine Gültigkeit mehr 1“.
5. Der Bürgermeister ist Träger der ortspolizeilichen Gewalt und mithin
für diesen Bereich verordnungsberechtigt 15. In den Städten Straßburg, Metz und
Mülhausen nehmen einen großen Teil der gemeindepolizeilichen Geschäfte die Polizei-
direktoren (Polizeipräsident) wahr 16. Die polizeilichen Befugnisse des Kreisdirektors übt
in den genannten Städten nicht der Polizeidirektor, sondern der Bezirkspräsident aus 17.
18 Leoni-Mandel S. 107; Bruck II S. 149. Vgl. Feldpol. Strafges. § 47, Elf.-l. 9
11 S. 324. Eine Ausnahme von der oben im Text gegebenen Regel besteht lufrsersa, als nach § 49
Feldpol. Strafges. der Weidegang und die Koppelhütung für den ganzen Bezirk oder einzelne Ge-
meinden, durch den Bezirkspräsidenten nach Einholung des Gutachtens des Bezirkstages geregelt
werden kann.
14 Praktischen Schwierigkeiten wird dadurch vorgebenugt, daß für alle wichtigeren Materien
übereinstimmende Polizeiverordnungen (auf dienstliche Anwessung es Ministeriums) in allen drei
Bezirken erlassen werden.
15 Hinsichtlich der Bau= und Feldpolizei sind für die Abgrenzung der Befugnisse zwischen
Bürgermeister und Polizeidirektor die einschlägigen Gesetze, im übrigen die Bestimmungen des
Ministeriums maßgebend.
16 Ges. v. 30. Dez. 1871 § 14 Abs. 2 u. 3. Indessen sind den Polizeidirektoren einzelne Be-
fugnisse der Kreisdirektoren durch besondere Verfügungen übertragen.
17 Danach sind folgende Angelegenheiten der Polizei der berwachung und der Zuständigkeit
der Gemeindeverwaltungen anvertraut: 1. alles, was sich auf die Sicherheit und die Bequemlichkeit
des Verkehrs in den Straßen, auf den Staden, den öffentlichen Plätzen und Wegen bezieht; alles,
was die Reinigung, Beleuchtung, Wegräumung von Schutt, den Abbruch oder die Ausbesserung der
dem Einsturz drohenden Gebäude, das Verbot, an die Fenster oder andere Teile der Gebäude etwas
zu stellen, durch dessen Herabfallen jemand beschädigt werden kann, sowie dasjenige, etwas herab-
zuwerfen, was die Vorübergehenden verletzen, beschädigen oder gesundheitsschädliche Ausdünstungen
verursachen kann, in sich begreift; 2. die Aufgabe, Zuwiderhandlungen gegen die öffentliche Ruhe zu
unterdrücken, wie Streitigkeiten und Zänkereien, welche von einem Zusanmenlanm in den Straßen
begleitet find, an öffentlichen Versammlungsorten erter Lärm, nächtliche Lärmereien und Zu-
sammenrottungen, welche die Ruhe der Bürger stören; 8. die Aufrechterhaltung der guten Ordnung
an Orten, wo eine große Ansammlung von Menschen stattfindet, wie auf Jahrmärkten, Märkten,
dei Belustigungen und öffentlichen Feierlichkeiten, Schauspielen, Spielen in Kaffeehäusern, Kirchen
und an anderen öffentlichen Orten: 4. die Aufsicht über die Ehrlichkeit beim Kleinhandel von
Lebensmitteln, welche nach dem Gewichte oder dem Maße verkauft werden, und über die Gesundheit
der zum öffentlichen Verkaufe ausgesetzten Ehwaren; 5. die Aufgabe, durch geeignete Vorbeugungs-
maßregeln Unglücksfällen und Notständen zuvorzukommen und sie durch Verteilung der notwendigen
Hilfe abzustellen, wie Brände, ansteckende Krankheiten, Viehseuchen, in beiden letzten Fällen außerdem
unter Anrufung der u“* 3“ — des Bezirks und des Kreises; 6. die Aufgabe, widrigen
Vorfällen vorzubeugen oder abzuhelfen, welche durch Irrsinnige oder in Freiheit gelassene Wahn-
finnige oder durch das Umherlaufenlassen bösartiger oder wilder Tiere veranlaßt werden könnten.
Uber das Verhältnis des § 366 Z. 10 Str.G.B. zu den landesgesetzlichen Strafbestimmungen vl.
Els.-I. 3. 1901 S. 461: O. L.G. Colmar v. 12. Dez. 1899. »
58663.»1(«)Str.G.B.enthälteine reichsgefehliche Strafandrohung für den der Uber-
tretung von Polizeiverordnungen zur Erhaltung der Sicherheit usw. Soweit landesgesetzliche Straf-
bestimmungen die gleiche Materie (Art. II E.G. Str.G.B.) betreffen, find fie daher durch die Vor-
schrift des Reichsrechts außer Kraft gesetzt.