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den Geist des Aufruhrs zu verbreiten oder den öffentlichen Frieden zu stören (Dekret
vom 11. August 1848 Art. 6 Nr. 2 und 3, Reichsgesetz vom 29. März 1888 R.G. Bl.
S. 127).
II. Der Grundsatz der Preßfreiheit erleidet nach dem Landesgesetz vom
8. August 1898 gewisse Einschränkungen:
1. Die Verbreitung jeder (nicht bloß periodischen) Druckschrift oder einzelner
Teile einer solchen kann in Elsaß-Lothringen vom Ministerium verboten werden, wenn
sie außerhalb des Reichsgebietes (Ausland) herausgegeben wird (§ 2)7.
2. Druckschriften, welche in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden
Weise die Grundlagen der bestehenden Staatsordnung angreifen, sind mit der in § 42 a
der Gewerbeordnung bezeichneten Wirkung vom Feilbieten im Umherziehen (Kol-
portage) ausgeschlossens. Solche Druckschriften sowie andere, die in sittlicher
oder religiöser Beziehung Argernis zu geben geeignet sind (§ 56 Z. 12
surereturenung) dürfen auch unentgeltlich nicht verbreitet werden (§ 8 Reichs-
preßgesetz) 7.
3. Durch § 4 sind die Vorschriften der bestehenden Gesetze über die Ver-
pflichtung der Eigentümer von periodischen Druckschriften, welche politische oder
volkswirtschaftliche Gegenstände behandeln, zur Bestellung einer Kaution aufrecht-
erhalten worden 10. Die Kaution beträgt bei Zeitungen, die in der Woche äfter als
dreimal erscheinen, in Städten von 50 000 und mehr Einwohnern 20 000 Mk., in
kleineren Orten 12 000 Mk. Erscheint die periodische Druckschrift nicht öfter als
dreimal in der Woche, so ermäßigt sich die Kaution auf die Hälfte (Art. 1). Die
Verpflichtung zur Kautionsleistung und die Höhe der Kaution bestimmten sich im all-
gemeinen nach den Verhältnissen des Druckorts;: liegt dieser jedoch nicht in Elsaß-
Lothringen, obwohl die Zeitung hier zur Ausgabe gelangt, so ist der Ausgabeort 11
6 Uber den Begriff des „öffentlichen Friedens= vgl. N.G.E. (Str.) 26 S. 349 u. 34 S. 268.
7 Bei Zawideranddluragen ersolgt Bestrafung nach § 18 des Preßges.
Druckschriften sind nicht bloß alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, sondern auch alle
zum Zweck der Verbreitung angefertigten Verviel eltigungen. gleichviel ob dieselben gewöhnlich als
Druckschriften bezeichnet werden oder nicht, also auch Bilder. Noten usw. Das Verbot der ferneren
Berbreitung bezieht sich auch auf die vor dem Verbot erschienenen Stücke. R.G. v. 13. Nov. 1903
#s Uber die Form der Ausschließung vgl. Art. 11 der Ausführungsbestimmungen des
Ministeriums v. 17. Aug. 1898.
!* Zuwiderhandlungen werden nach § 148 Gew.O. geahndet.
10 Danach sind noch in Kraft die Art. 3, 4 u. 5 des organischen Dekrets über die Presse v.
17. Febr. 1852. Vgl. Ausf. Best. Art. 1—6. Die Ausf. Best. des Ministeriums können die Art. 3f.
des fraglichen Dekrets weder abändern noch ergänzen noch in einer für die Gerichte bindenden Weise
auslegen. R.G. v. 22. Juni 1911 in D.J.3 30, Spruchsammlg. Die fraglichen ministeriellen
Ausf. Best. haben überhaupt nicht den Charakter von Rechtsverordnungen.
Eine Druckschrift „behandelt“ (trattant) politische oder volkswirtschaftliche Gegenstände nicht
schon dann, wenn sie nur einfache Nachrichten über solche Gegenstände bringt. Art. 3 des Dekr.
v. 17. Febr. 1852 verlangt vielmehr ein „Behandeln“ im Sinne von „Abhandeln“, „Erörtern“.
Hierbei ist es gleichgültig, ob die fraglichen Besprechungen einen originären Bestandteil der Zeitung
selbst bilden oder ob sie aus andern Beiungen oder Zeitschriften entnommen oder nachgedruckt find;
denn auch im letzteren Fall liegt, sofern nicht etwa dem Nachdruck jede Tendenz mangelt, in der
nachdruckenden Zeitung eine periodische Schrift vor, „traitant des matières politigues"“. Be.
Dalloz, Rep. vo presse Nr. 265, 269, 270, 235; Rousset, Code genéral des lois sur la
resse Nr. 41.— N. G. (Str.) v. 95. Nov. 1895, E. 28 S. 45; OLG Colmar, Elf.-l. Z. 21 S. 197;
Ferisch-Leondi, Franz. Strafgesetz. 1 S. 50. Eine Zeitung hat auch dann politischen Charakter
in dem oben wiedergegebenen Sinne, wenn sie Reichstags= oder Landtagsverhandlungen
abdruckt. § 12 N.Pr F. der nur den Inhalt solcher Berichte straffrei machen will, hat mit der
Frage der Kautionspflicht nichts zu tun. °2 »
11 Das Preßgesetz (§ 41—3) findet sich ganz in Ubereinstimmung mit dem Dekret v. 17. Febr.
1852 (Art. 3, 4), wenn es das „Herausgeb n“ mit Strafe bedroht. Das Dekret versteht aber unter
gubiiegion. ( Herausgabe) nichts anderes als die Maßnahme, durch welche die Druckschrift in die
ffentlichkeit gebracht, also die Auste lung und Verbreitung sertiggestellter Druckschriften an das
Publikum unmittelbar oder durch Inanspruchnahme von Beförderungsanstalten und Boten ein-
eleitet und bewerkstelligt wird. Danach kommt es nicht darauf an, wo die Vorbereitungsarbeiten
(Redaktionstätigkeit, Verlagstätigkeit) stattfinden, ob und wo außerhalb des Ausgabeortes Geschäfts-
stellen unterhalten werden, sowie ob der Inhalt für die Bewohner des Ausgabeortes berechnet ist,