857 · Das Anschlagwesen. 221
über die unentgeltliche Verteilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Auf-
rufen zu erlassen, unberührt ?7.
Erfolgt die Verteilung der Druckschriften seitens des Verteilers gewerbs-
mäßig (d. h. gegen Entlohnung seitens des Auftraggebers), so kommt der § 43 I
Gewerbeordnung zur Anwendung, d. h. es ist die Erlaubnis der Ortspolizeibehörde
und der Besitz eines Legitimationsscheins erforderlich 2.
In geschlossenen Räumens ist zur nichtgewerbsmäßigen Verteilung von
Druckschriften (oder anderen Schriften) eine Erlaubnis nicht erforderlich.
VII. Über den Gerichtsstand der Presse enthält der § 7 II Strafprozeß-
ordnung nähere Bestimmungen.
§& 57. Das Anschlagwesen. Nach § 30 II Preßgesetz ist das Recht der Landes-
gesetzgebung, Vorschriften über das öffentliche Anschlagen, Anheften und Ausstellen von
Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen zu erlassen, unberührt geblieben. Unter
dem 10. Juli 1908 (G. Bl. S. 61) ist ein besonderes Gesetz über das Anschlag-
wesen ergangen. Das Gesetz unterscheidet zwischen amtlichen? und nichtamtlichen
Bekanntmachungen. Die ersteren genießen gewisse Vorrechte. Zu ihrem Anschlag be-
darf es keiner ortspolizeilichen Genehmigung; sie können in allen (auch in weißer)
Farben gedruckt werden, und es sind schließlich in jeder Gemeinde durch die Orts-
polizeibehörde eine oder mehrere Stellen auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen
zu bezeichnen, an denen nur amtliche Bekanntmachungen angeschlagen werden dürfen.
Für nichtamtliche Bekanntmachungen dagegen sowie für Plakate und Auf-
rufe, die öffentlich angeschlagen oder ausgestellt werden sollen, ist die ortspolizeiliche
Genehmigung einzuholen; sie dürfen ferner nicht in weißer Farbe 2 gehalten sein, und
es kann durch ortspolizeiliche Verordnung vorgeschrieben werden, daß sie nur an den
in der Verordnung zu bezeichnenden Stellen angeschlagen oder ausgestellt werden
dürfen (§ 2). Plakaten gegenüber sind präventive polizeiliche Maßnahmen vorgesehen,
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*# So verlangt Art. 6 Ges. v. 27. Juli 1849 die polizeiliche Genehmigung für die öffentliche
unentgeltliche (einerlei, ob gewerbsmäßige oder nicht gewerbemäß e) Verteilung von Bekanntmachungen.
Vgl. Min. Ausf. Best. Art. 14 Abs. 2; O. L.G. Colmar v. 27. Han- 1899. Els.-I. Z. 25 S. 60.
Vgl. § 3 Ges. über das Anschlagswesen v. 10. Juli 1906 (G Bl. S. 61).
29 Erfolgt die Verteilung seiteno des Verteilers ohne Entlohnung oder zwar gegen Entlohnung
durch den Auftraggeber, jedoch nur Llsgentlich, so kommt § 30 II Pr.G. nebst der einschlägigen
Landesgesetzgebung in Anwendung. K. G. v. 30 Okt. 1911, Reger, E. Bd. 32 S. 21. Uber den
Begriff der öffentlichen Straßen, Plätze usw. vgl. Bayr. Oberst. L.G. (Str.) v. 2. Juli 1912,
Reger 33 S. 113. Entscheidend ist der Umstand, ob die Straße usw. tatsächlich böffentlich ist;
nicht notwendig ist, daß der betreffende Ort dem öffentlichen Verkehr von einer Gemeinde usw.
gewidmet ist. Kais. Rat Nr. 484.
Zur Verteilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der
Wahl zu gesetzgebenden Körperschaften ist eine polizeiliche Erlaubnis in der Zeit von der amtlichen
Bekanntmachung des Wahltages bis zur Beendigung des Wahlaktes nicht erforderlich. Dasselbe gilt
auch bezüglich der nicht gewerbsmäßigen Verteilung von Stimmzetteln oder Druckschriften zu Wahl-
zwecken. § 43 Abs. 4 u. 5 Gew. O.
30 Es braucht sich nicht notwendig um einen einzelnen Raum zu handeln; ferner fällt auch
ein Verbreiten von Haus zu Haus unter § 48 Abs. 5. O.L.G. Colmar v. 27. Juli 1899, Elf.-l.
Z. 25 S. 60. Die Verteilung in u eschlossenen Räumen" des § 43 Abs. 5 Gew. O. steht im Gegen-
satz zur Verteilung auf Straßen und Plätzen; zu ersteren gehören z. B. Wirtschaften und die dazu
gehörigen Gärten, da das Gesetz nicht verlangt, daß der „geschlossene Raum“ unter Dach und Fach
ist. K.G. v. 7. März 1912, D.J.Z. 1912 S. 461.
6r 1 Die Anweisung zur Ausführung des Gesetzes datiert v. 31. Juli 1906 (A.Bl. S. 125).
Dl o (4& Komm. zum Gesetz, betr. das Anschlagwesen, in Nelkens Elsf.-L Verw.Ges.
Teil S. .
IPolizeiverordnungendürfennichtbeiStrafeanordnen,daß»siein»Geschäftslokqlenqnzus
schlagen seien, weil dieser Teil der Kolizeiverordnung nicht dazu bestimmt ist, eine dem Publikum
bevorstehende Gefahr abzuwenden. K.G. v. 6. Juni 1910, D.J. Z. 1910 S. 1801. And. Ans. pr.
O. V.G. v. 1. Juni 1909, Goltd. A. 56 S. 337.
Über das Abreißen öffentlicher Bekanntmachungen G 1834 Str. G. B.) vgl. N.G.E. 36 S. 183.
v 2 Vgl. Art. 3 der Anweis. Das Verbot der weißen Frbe ist nicht dahin auszulegen, daß
jedwede Verwendung der weißen Farbe ausgeschlossen wäre. Die weiße Farbe ist vielmehr nur dann
für unstatthaft zu erachten, wenn sie die Grundfarbe des Anschlags bildet und vorwiegt und den
Anschlag nach verständiger Würdigung zu einem weißen macht.