226 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. g 59
2. Die gesetzlich bestehende Meldepflicht ist weiterhin durch übereinstimmende, auf
Grund des Dekrets vom 22. Dezember 1789 (Sekt. III Art. 2 Ziff. 1 und 9) er-
lassene Bezirkspolizeiverordnungen vom Juni 18831 ergänzt worden. Danach sind zur
Meldung an die Polizeibehörde weiterhin verpflichtet:
a) die Vermieter von Wohnungsräumen und Schlafstellen betreffs des Zuzugs
und Abzugs ihrer Mieter; b) die Haushaltungsvorstände betreffs des Zu= und Ab-
zugs der zu ihrer Haushaltung gehörigen Personen?; c) diejenigen, die sonst eine Person
in Nachtquartier aufnehmen, bezüglich des Beginnes und der voraussichtlichen Dauer des
Aufenthalts dieser Person.
Die Meldung, die die vollständigen Personalien des Zu(AbP)gezogenen zu ent-
halten hat, ist in Straßburg, Mülhausen und Metz bei dem Polizeikommissar des
betreffenden Reviers, in allen übrigen Gemeinden bei dem Bürgermeister binnen
24 Stunden nach Eintritt der zu meldenden Tatsache zu erstatten 5.
Wird gegen die Meldepflicht verstoßen, so tritt Polizeistrafe“ ein; eine Aus-
weisung aus diesem Grunde ist nur gegen Ausländer statthaft (§ 10 Freizügigkeitsgesetz).
B. Ausländern (Nichtreichsdeutschen) gegenüber bestehen besondere Be-
stimmungen. Wenn sie in Elsaß-Lothringen ständigen Aufenthalt oder einen Aufenthalt
von mehr als acht Wochen nehmen wollen, so sind fie gehalten, sich und die in ihrem
Haushalt befindlichen Angehörigen binnen 14 Tagen nach ihrer Ankunft bei der zu-
ständigen Kreis-Polizei-)direktion mündlich oder schriftlich zu melden, worauf ihnen
eine Meldekarte ausgestellt wird. Personen von 6—17 Jahren, die ohne ihre gesetz-
lichen Vertreter kommen, sind von den Personen anzumelden, deren Obhut sie an-
vertraut sind. Bei Ortswechsel und ferner im Januar jedes Jahres sind die An-
meldungen zu erneuern. Weiterhin" muß jeder Ausländer, der über 24 Stunden in
Elsaß-Lothringen verweilt, bei Gefahr sofortiger Ausweisung sich spätestens am Tage
nach der Ankunft bei der Ortspolizeibehörde melden, falls er nicht bereits durch seinen
Hauswirt angemeldet ist?. ·
II. Die Paßpflicht. Das Reichsgesetz über das Paßwesen vom 12. Oktober
1867 ist in Elsaß-Lothringen nicht eingeführt. Es find daher die landesrechtlichen
Bestimmungen über die Pässe insoweit in Kraft geblieben, als sie nicht mit den Be-
stimmungen des Freizügigkeitsgesetzes in Widerspruch stehen.
1. Ausländern gegenüber kann sowohl das Überschreiten der Grenze wie der
Aufenthalt im Lande von dem Besitze eines Passes, d. h. einer in Form einer Ur-
kunde gekleideten Erlaubnis, abhängig gemacht werden. Der Paßpflicht sind unterworfen:
aktive Militärpersonen, ehemalige aktive Offiziere, Zöglinge militärisch organisierter
Schulen des Auslandes sowie diejenigen Personen, welche die Reichsangehörigkeitvor Er-
füllung der Wehrpflicht verloren und das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten haben 3.
(§ 591 1 Die Bezirkspolizeiverordnung des Oberelsaß datiert v. 18. Juni 1883 (Centr. Bl. S. 201),
die des Unterelsaß v. 16. Juni 1883 (Centr. Bl. S. 187), von Lothringen v. 15. Juni 1883 (Centr.=
Bl. S. 209). Ebenso bestehen übereinstimmende Vollzugsanweisungen. Die Gültigkeit der bezüg-
lichen Verordnungen ist bestätigt durch Urt. O L.G. Colmar, Els.-l. Z. 11 S. 256.
2 Bei Wohnungswechsel braucht der Haushaltungsvorstand diesenigen Hausgenossen, die schon
in der früheren Wohnung als Mitglieder seines Haushalts angemeldet waren, nicht von neuem an-
zumelden. O.L.G. Colmar v. 3. Juli 1903, Elf.-l. Z. 33 S. 164.
: Gastwirte und gewerbsmäßige Vermieter von Zimmern haben die Meldung noch am Tage
der Ankunft des Fremden oder spätestens am anderen Morgen zu machen. Keine Meldung ist er-
forderlich bei nur vorübergehendem Aufenthalt von reichsdentschen Familienangehörigen.
4 Die Meldepoli Wihbertretung ist, wenn die Meldepflicht an eine bestimmte Frist geknüpft ist.
ein Dauerdelikt. Die Strafbarkeit beginnt mit dem Ablauf der Meldefrist, sie dauert aber so lange
sort, bis entweder der Meldepflicht genügt oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Erst mit
iesem Zeitpunkt beginnt die dreimonatliche Verjährungsfrist. K.G. v. 26. Juni 1906 in „Polizei“
1908 S. 53 und O.L.G. Colmar v. 31. März 1886, Els.-I. Z. 11 S. 256 und v. 29 Sept. 1908 S. 26·08.
° Die Sonderbestimmungen gegenüber Ausländern haben ihre rechtliche Grundlage in dem
Ausweisungsrecht des Ministeriums. Ver. v. 5. Febr. 1891 (Centr. Bl. S. 31). Das französische
Fremdendekret v. 2. Okt. 1888 enthält ähnliche Vorschriften. Leoni-Mandel S. 143 N. 9.
* Min, Ver. v. 21. Sept. 1891 (Centr. Bl. S. 139). #
7 Besondere Bestimmungen, die nicht veröffentlicht worden sind, gelten für ausländische
Militärpersonen. Leoni-Mandel S. 143 N. 11.
Min. Ver. v. 21. Sept. 1891 (Centr. Bl. S. 139).