60 Der Unterstützungswohnsitz. 231
sein müssen. Als ein weiteres Mitglied ernennt der Bezirkstag einen Vertreter der
im Bezirke bestehenden öffentlichen Kranken= und Pflegehäuser. Den Vorsitz führt
der Bezirkspräsident oder sein Vertreter. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn außer
dem Vorsitzenden wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Bei Stimmen-
gleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die laufenden Geschäfte er-
ledigt der Bezirkspräsident oder in seinem Auftrage ein hierzu ein für allemal be-
stimmter höherer Verwaltungsbeamter des Bezirkspräsidiums. Die vorläufig getroffenen
Verfügungen des Vorsitzenden sind dem Ausschusse bei seinem nächsten Zusammentreten
zur endgültigen Beschlußfassung vorzulegen.
In allen Fällen, in welchen nach den Vorschriften über die Verwaltung des
Bezirksvermögens eine Mitwirkung des Bezirkstages erforderlich ist, hat der Ausschuß
die Beschlüsse des Bezirkstages einzuholen 12.
IV. Die staatlichen Behörden haben ein Aufsichtsrecht über die Orts-
armenverbände nach Maßgabe der Gemeindeordnung. Bei Gesamtarmen-=
verbänden ist die Aufsichtsbehörde der größten beteiligten Gemeinde zuständig; da-
nach ist die Aufsicht in der Regel vom Kreisdirektor und nur bei Gemeinden von
25000 und mehr Einwohnern und den diesen gleichgestellten Gemeinden der Bezirks-
präsident zuständig. Die Aufsicht über die Verwaltung der Landarmenverbände führt
das Ministerium. Die Rechnungen derselben werden wie die Verwaltungsrechnungen
der Bezirke behandelt (§ 12 A.G.).
V. Entstehung und Bedeutung des Unterstützungswohnsitzes. Der Unter-
stützungswohnsitz im Sinne des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz bedeutet die
Zugehörigkeit einer Person zu einem Ortsarmenverband, er ist mithin ein Rechtsverhältnis,
das seine Wirkungen zwar erst im Falle der Verarmung zeigt, das aber unabhängig
von dem Eintritt der Hilfsbedürftigkeit entsteht und endigt. Der Erwerb des Unter-
stützungswohnsitzes begründet einerseits für den Hilfsbedürftigen das Recht, auch bei
dauernder Verarmung am Orte des Unterstützungswohnsitz zu verbleiben, für den Orts-
armenverband andererseits das Recht, die Überführung des dauernd Hilfsberechtigten zu
beanspruchen. Der Armenverband des Unterstützungswohnsitzes ist also der en dgültige
Träger der Armenlast, so daß man sagen kann, daß der Unterstützungswohnsitz überhaupt
nur für das Verhältnis der Armenverbände untereinander in Frage kommt. Erworben
wird der Unterstützungswohnsitz und die dadurch begründete Zugehörigkeit zu einem Orts-
armenverbande, ohne daß Hilfsbedürftigkeit vorliegt; rechtliche Beziehungen zu einem
Landarmenverbande entstehen dagegen nur unter der Voraussetzung, daß jemand tat-
sächlich zu einer Zeit hilfsbedürftig wird, wo er einen Unterstützungswohnsitz nicht er-
worben hat; es wird in diesem Falle derjenige Landesarmenverband unterstützungs-
pflichtig, in dessen Bezirke die Hilfsbedürftigkeit des Landarmen hervorgetreten ist ½.
1. Der Unterstützungswohnsitz wird erworben durch a) Aufenthalt im Geltungs-
bereich des Unterstützungswohnsitzes, b) Verehelichung, c) Abstammung (§ 9 U.W. G.).
u a) Wer innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurückgelegtem 16. Lebensjahr ein
hr lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt dadurch in
demselben den Unterstützungswohnsitz. Sind in der örtlichen Abgrenzung der Ortsarmen-
verbände während des Laufes der einjährigen Frist Anderungen eingetreten, so wird deren
Wirkung auf den Beginn der Frist zurückbezogen (§ 10 U.W. G. 14). Die einjährige
Frist läuft von dem Tage, an welchem der Aufenthalt begonnen ist. Durch den Ein-
tritt in eine Kranken-, Bewahr= oder Heilanstalt wird jedoch der Aufenthalt nicht be-
gonnen 16. Das Gesetz erfordert, daß der Aufenthalt durch freie Selbstbestimmung
——. e e
13 Zur Erhebung von Klagen im Verwaltungsstreitverfahren und zur Einlassung auf solche
bedarf es der Zustimmung des Bezirkstags nicht.
Das Nähere über den Geschäftsgang p. p. des Ausschusses wird in besonderer Sathung be-
stimmt, die von dem Ausschusse mit Genehmigung des Ministeriums beschlossen wird (§ 11 Abf. 4
A.G.). § 11 Vollz. Best. 13 Sommer S. XIII. Z
1. Erforderlich ist Reichsangehörigkeit; nicht dagegen genügt bayerische Staatsangehörigkeit.
16 § 11. Wo für ein ländliches oder städtisches Gesinde, Arbeitsleute, Wirtschaftsbeamte,
Pächter oder andere Mietsleute der Wechzel des Wohnortes zu bestimmten, durch Gesetz oder orts-
übliches Herkommen festgesetzten Terminen stattfindet, gilt der übliche Umzugstermin als Anfang des