234 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 60
Unterstützung vorläufig zu gewähren genötigt ist, über den erhobenen Anspruch im
Verwaltungswege durch diejenige Spruchbehörde entschieden, welche dem in An-
spruch genommenen Armenverbande vorgesetzt ist (§ 38).
Die zur Entscheidung zuständigen Landesbehörden sind befugt, Untersuchungen
an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich
zu vernehmen, überhaupt den angetretenen Beweis in vollem Umfange zu erheben
(§ 39). Die Entscheidung erfolgt durch einen schriftlichen, mit Gründen versehenen
Beschluß (8 40).
Soweit die Organisation oder die örtliche Abgrenzung der einzelnen Armen-
verbände Gegenstand des Streites ist, ist gegen die Entscheidung des Bezirksrates Be-
rufung an den Kaiserlichen Rat zulässig In allen übrigen Fällen findet gegen
die Entscheidung des Bezirksrates unter Ausschluß aller sonstigen Rechtsmittel binnen
einer Ausschlußfrist von 14 Tagen die Berufung an das Bundesamt für das
Heimatwesen statt (§ 32 A.G.) 21.
VIII. Da Kranken= und Pflegehäuser unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet
sind, hilfsbedürftige Personen aufzunehmen und allenfalls ihre Gebäude zu erweitern,
so können zwischen diesen Anstalten und den Ortsarmenverbänden Streitigkeiten ent-
stehen, die gemäß § 31 A.G. im Verwaltungsstreitverfahren (Bezirksrat, Kaiserlicher
Rat) entschieden werden. Das gleiche gilt für Streitigkeiten zwischen Gemeinden oder
zwischen einer Gemeinde und anderen Beteiligten über die Verwendung des Vermögens
eines Pflege= oder Krankenhauses, dem die Rechtsfähigkeit entzogen worden ist, soweit
nicht die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet ist. Bevor der Weg des
Verwaltungsstreitverfahrens nach § 31 A.G. eingeschlagen wird, muß in Streitigkeiten
zwischen elsaß-lothringischen Armenverbänden wegen öffentlicher Unterstützung Hilfs-
bedürftiger eine Sühne bei dem für jeden Kreis gebildeten Armenschiedsamt ver-
sucht werden 22.
IX. Nach § 61 U.W. G. werden Recht und Verbindlichkeiten nur zwischen den
zur Gewährung öffentlicher Unterstützung nach Vorschrift des Gesetzes verpflichteten
Verbänden (Orts-, Landarmenverbände, Bundesstaaten) begründet. Daher werden die
auf anderen Titeln (Familien-, Dienstverhältnis, Vertrag, Genossenschaft, Stiftung usw.)
beruhenden Verpflichtungen, einen Hilfsbedürftigen zu unterstützen, von den Bestimmungen
dieses Gesetzes nicht betroffen. Eine positive Ergänzung dieser Bestimmung bietet der
§ 36 A. G., der ausdrücklich hervorhebt, daß der Arme den Anspruch auf Unter-
stützung gegen einen Armenverband nicht im Rechtswege geltend machen kann:s.
Beschwerden des Armen gegen Verfügungen, ob und in welchem Umfang Armen-
unterstützungen zu gewähren sind, werden, sofern sie sich gegen die Verwaltung eines
Ortsarmenverbandes richten, von dem zuständigen Schiedsamte, sofern sie sich gegen
die Verwaltung eines Landarmenverbandes richten, von dem Ministerium endgültig
entschieden.
X. Ersatzansprüche der Armenverbände gegenüber anderweitig
Verpflichteten. § 62 U.W. G. bestimmt, daß jeder Armenverband, der einen Hilfs-
bedürftigen unterstützt hat, befugt ist, Ersatz derjenigen Leistungen, zu deren Gewährung
ein Dritter aus anderen, als den durch das Unterstützungswohnsitzgesetz begründeten Titeln?“
21 Das B. A. f. H. ist eine fländige bollegiale Behörde mit dem Sitze in Berlin. Uber die
Organisatjon desselben vgl. S§ 42 bis 50 U. W. G. *
:8 Uber die Organisation und das Verfahren des Armenschiedsamtes vgl. § 35 A.G.
23 So schon nach früherem Recht, vgl. O. L G. Colmar v. 2. Nov. 1897. Elf.-I. Z. 28 S. 136.
2" Vgl. die Aufzählung bei Sommer, S. 200. ·
Die zum Erlaß der Aufforderung gemäß & 361 Nr. 10 Str. G.B. — der auch für E.-L.
materielle Gültigkeit beansprucht — zuständige Behörde braucht nicht den Charakter der Obrigkeit
pu haben; es ist vielmehr auch diejenige Stelle zuständig, welche sich amtlich mit der Armenpflege
efaßt und hilfsweise bei Mangel einer privatrechtlichen Verpflichtung oder bei Nichterfüllung der
Unterhaltspflicht seitens eines Verpflichteten eintritt (z. B. H spitäler. Wohltätigkeitebureau,
Armenamt der Stadt Straßburg). O.L.G. Colmar v. 30. Okt. 1899; Reger. E., Bd. 20 S. 92.
Auf Grund von § 301 Nr. 10 Str.G.B. kann gegen den auferehelichen Vater wegen Ver-
lung der AUnterhaltungspflicht nicht eingeschritten werden. K.G. v. 29. Nov. 1904, Reger, E.,