Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 66 Das Gesundheitswesen. 253 
  
Die Kosten des Impfwesens, mit Ausnahme derjenigen für die Landesimpf- 
anstalten, sind Pflichtausgaben der Bezirke. 
2. Das Reichsgesetz über die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten vom 30. Juni 1900 (R.G.Bl. S. 306) bezieht sich auf die 
Verhinderung der Entstehung, Einschleppung und Verbreitung übertragbarer Krank- 
heiten, wie Aussatz, Cholera, Fleck= und Gelbfieber, Pest und Pocken. Es schreibt die 
rechtzeitige Anmeldung eines solchen Krankheitsfalles und ferner gewisse Absperrungs- 
maßregeln vor 10. Ferner macht es den Gemeinden zur Pflicht, für die Beseitigung der 
gesundheitsgefährlichen Mißstände Sorge zu tragen, die sich bei den dem allgemeinen 
Gebrauch dienenden Einrichtungen für Versorgung mit Trink= oder Wirtschaftswasser 
und bei Fortschaffung der Abfallstoffe ergeben. Die Gemeinden können jederzeit durch 
den Bezirkspräsidenten angehalten werden, nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit Ein- 
richtungen der genannten Art herzustellen 11. Die dauernde Überwachung der fraglichen 
Einrichtungen liegt in erster Linie den Kreisärzten ob 12. 
Im übrigen ist die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten dem Landes- 
recht auf Grund der mehrfach erwähnten gesetzlichen Bestimmungen von 1789 und 
1791 überlassen (§§ 5 I, 48 dieses Gesetzes) 15. Von der Befugnis zum Erlaß dies- 
bezüglicher Polizeiverordnungen haben die Bezirkspräsidenten Gebrauch gemacht #4, in- 
dem sie die Arzte verpflichten, von den fraglichen Krankheiten 15 dem Kreisarzt des 
1% Bekanntm., betr. die Ausführung des Reichsgesetzes v. 21. Dez. 1900 (Centr. Bl. 1901 
S. 49). Bei Vornahme von amtlichen Desinfektionen usw. und dadurch hervorgerufenen Be- 
schädigungen ersth. ein Entschädigungsanspruch des dadurch Betroffenen (§ 29). R.G. v. 9. März 
1905, Reger E. Bd. 26 S. 148. Vgl. Ver. des Statthalters v. 80. Okt. 1910, betr. Ausführungs- 
bestimmuugen zu der landesherrlichen Ver. v. 20. Okt. 1910, betr. die Verpflichtung 
der Arzte zur Anmeldung von übertragbaren Krankheiten (Centr. Bl. 1910 S. 255), und Ver. v. 
17. Mai 1911 über die wechselseitige Benachrichtigung der Militär= und Polizeibehörden über das 
Auftreten übertragbarer Krankheiten (Centr. Bl. S. 65) sowie Min. Ver. v. 30. Jan. 1911 über die 
Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen (Centr. Bl. S. 19). 
11 Gegen die Verfügung des Bezirkspräsidenten — die übrigens für vorläufig vollstreckbar 
erklärt werden kann — ist Rekurs an den ¾rl Nat zulässig. § 35 Ges. v. 30. Juni 1900; Kais. 
Ver. v. 22. April 1902 (G. Bl. S. 32) § 1 Abs. 1 Nr. 3, 58 5, 6. 
Der &i 35 des R. G. v. 30. Juni 1900 findet nur insoweit Anwendung, als dauernde, 
ohne Rücksicht auf das Bestehen einer augenblicklichen Krankheitsgefahr gebotene Schutzmaßregeln 
im Interesse der Gemeinde in Frage kommen. Seine Vorschriften sind deshalb z. B. auf vor- 
übergehende Abwehrmaßregeln gegen die drohende Einschleppung von Cholera nicht anwendbar. 
Pr. O. V. G. v. 19. Sept. 1911, Pr. Verw. Bl. 1911/12 S. 631. 
1: Für die Verpflichtung einer Gemeinde zur Persellung eier Wasserleitung ist keine Vor- 
aussetzung, daß die bisherige Wasserversorgung die Ursfache des Auftretens einer endemischen Krank- 
heit (Typhus) ist, es genügt vielmehr, daß fie nicht gusreichenden Schutz GEeger die Weiterverbreitung 
dieser Krankheit bietet. Bayr. Verw. Ger. H. v. 29. Sept. 1909, Reger E. 30 S. 343 u. v. 16. Jan. 
7, Reger 27 S. 488, betr. Reinhaltung eines gemeindlichen Wethers, dessen Wasser allgemeinem 
Gebrauch dient. (Vgl. auch Reger E. 29 S. 329.) 
1½ Durch Bekanntmachung des Ministeriums v. 31. Juli 1903 (Centr. Bl. S. 115) sind all- 
gemeine Leitsätze für die Verwaltungsbehörden bei der Bekämpfung des Typhus heraus- 
gegeben worden. Die „Leitsätze“ sollen den Landes= und ortspolizeilichen Behörden sowie den be- 
amteten Arzten als Anhalt für die bei Ausbruch der Krankheit zu ergreifenden Maßnahmen dienen, 
find aber nicht ohne weiteres als bindende polizeiliche Vorschriften für die Bevölkerung aufszufassen. 
Erst wenn die Versuche auf Verständigung ausgeschlossen find, erscheint eine Polizeiverordnung ge- 
boten, die durch Bezirkspräs. auf Grund d. Dekrets v. 22. Dez. 1789 Sekt. III Art. 2 Ziff. 9, durch 
die Ortspolizei auf Grund des Ges. v. 16. Ang. 1790 Tit. XI Art. 3 Ziff. 5 zu erlassen ist. Die 
Ortspolizeibehörden sind insbesondere in der Lage, Einzelverfügungen (arrêtés individuels) zu er- 
lassen; Strafbestimmung: Art. 471 Ziff. 15 c. p. 
Bei gleichzeiriger Zuständigkeit des Bezirkspräsidenten und des Bürgermeisters zum Erlaß einer 
Polizeiverordnung ist das Polizeiverordnungsrecht des lchteren nur insoweit ausgeschlossen, als die 
Volizeiverordnungen des ersteren einen Gegenstand erschöpfend geregelt haben. So kann z. B. 
der Bürgermeister die Beseitigung von Düngerhaufen, auch wenn sie sich auf Privateigentum be- 
finden, aus gesundheitspolizeilichen Gründen anordnen. Strafbestimmung nur Art. 471 FJ. 15, nicht 
g 366 Z. 10 Str. G. B. O. L.G. Colmar v. 24. April 1900, Elf -I. Z. 28 S. 33. 
14 Bezirkspolizeiverordn. für Lothringen v. 25. Okt. 1912 (Centr. Bl. S. 270), für Ober= und 
Unterelsaß v. 30. bzw. 28. Okt. 1902 (Centr. Bl. S. 272). Ferner Bezirkspolizeiverordn. für Ober- 
elsaß v. 5. Okt. 1908 gegen die Cholera (Centr. Bl. S. 278). 
156 Es gehören hierher Unterleibstyphus (derselbe ist zwar eine übertragbare, aber keine gemein- 
gefährliche Krankheit im Sinne des Reichsgesetzes v. 30. Juni 1900), Ruhr, Dysenterie, Diptherie 
und Scharlach, Kopfgenickstarre, Rückfallfieber, Wochenbettfieber. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.