Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 66 — Das Gesundheitswesen. 257 
  
  
Schlachthauszwang einführen, d. h. verbieten, daß auswärts geschlachtetes Fleisch 
eingeführt und verkauft werde ?. 
Durch Verordnungen des Bezirkspräsidenten 35 kann die nochmalige Untersuchung 
von Fleisch zu dem Zwecke angeordnet werden, um festzustellen, ob das Fleisch zwischen- 
zeitlich verdorben ist oder sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung seiner Beschaffen- 
heit erlitten hat. Daneben ist aber für eine nochmalige Untersuchung und Gebühren- 
erhebung durch die Ortsbehörde für von auswärts eingeführtes und schon untersuchtes 
Fleisch kein Raum 6. 
2. Die Wohnungsfürsorge. Einer der wichtigsten Zweige der öffent- 
lichen Gesundheitspflege ist die Fürsorge für gesunde Wohnungen. Das Gesetz, be- 
treffend die Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse ungesunder Wohnungen, vom 
13. April 1850 (Bull. des Lois Série XI Nr. 2068) gibt den Gemeindebehörden die 
Möglichkeit, gesundheitlichen Mißständen auf dem Gebiete des Wohnungswesens ent- 
gegenzutreten. Das Gesetz hat zur Voraussetzung seiner Anwendbarkeit, daß die fest- 
gestellte Gesundheitsschädlichkeit in der Beschaffenheit des Hauses selbst be- 
gründet ist, vermöge deren sie besteht, gleichviel, welchen Gebrauch der Eigentümer 
von der Wohnung macht. Es findet keine Anwendung da, wo ein Mißstand lediglich 
auf das Verhalten des Mieters oder auf die in seinem Gewerbebetrieb bestehenden 
Einrichtungen zurückzuführen ist 35. Danach kann in jeder Gemeinde, in welcher der 
Gemeinderat durch besonderen Beschluß es für notwendig erklärt, durch diesen eine 
Kommission behufs Aufsuchung und Bezeichnung der unerläßlichen Maßregeln zur Ver- 
besserung der Gesundheitsverhältnisse ungesunder Wohnungen ernannt werden (Art. 1). 
Das Gesetz spricht nur von Wohnungen, „die vermietet oder von anderen als dem 
Eigentümer, Nutznießer oder Wohnungsberechtigten eingenommen sind“, also läßt es 
Wohnungen, die von der vorstehend genannten Kategorie von Personen bewohnt werden, 
an sich unberücksichtigt; demgegenüber hat sich allerdings eine Praxis dahin entwickelt, 
daß alle ungesunden Wohnungen gleich behandelt werden 36. Die Kommission besteht 
aus höchstens 9 und mindestens 5, in Gemeinden mit über 50 000 Einwohnern aus 
20 Mitgliedern, zu welchen notwendig ein Arzt und ein Baumeister oder irgendein 
anderer Fachmann sowie ein Mitglied des Armenrats und des Gewerbegerichts, wenn 
solche Einrichtungen in der Gemeinde bestehen, gehören. Den Vorsitz in der Kommission 
32 Ein solches Verbot verstößt nicht gegen die Gewerbefreiheit. § 28 Gew.O.; O. L.G. Colmar 
v. 6. Jan. 1903, Els.-l. Z. 29 S. 157. In Gemeinden mit Schlachthauszwang find alle in das 
öffentliche Schlact aus Tangendey, Schlachttiere vor und nach der Schlachtung amtlich zu unter- 
suchen. § 2 Abs. 3 Ausf. Best. — Uber die Errichtung von Schlachthäusern und die zur Erhebung 
kommenden Gebühren vgl. Ord. v. 15. April 1838; Dekr. v. 1. Aug. 1864; Gem.O. 75 Abs. 2 Nr. 1. 
Die Fleischbeschauer in E.-L. sind öffentliche Beamte, und zwar entweder Landes= oder Ge- 
meindebeamte. Ihre Dienstverhältnisse regeln sich, soweit nicht das Reichsgesetz, betreffend Schlacht- 
vieh= und Fleischbeschau, Bestimmungen enthält, ausschließlich nach Landesrecht. Die Rechtsverhältnisse 
wischen den Fleischbeschauern und den zur Tragung der Kosten der Fleischbeschau gemäß 8 65 Ziff 
em. O. v. 6. Juni 1895 verpflichteten Gemeinden find demnach lediglich nach Landesrecht zu be- 
urteilen. O. L.G. Colmar v. 28. Okt. 1902, Els.-I. Z. 1904 S. 131 v. 1. März 1910, und ebenda 
1911 S. 502. Über die Grenzen der landespolizeilichen Vorschriften über Fleischbeschau vgl. O..G. 
Colmar v. 21. Jan. 1908, Elf.-I. Z. 1909 S. 100, sowie betreffs der Zulässigkeit der Rückerstattung 
der Fleischbeschau gebühren O.L.G. Colmar v. 21. April 1911, Els.-l. 3. 1912 S 65; R.G. v. 
24. März 1911, im „Recht“ 1911 Nr. 2014. 
33 Bezirkspoli eiverordnungen, betr. die Beaufsichtigung des Metzgergewerbes und Fleisch- 
handels, für Oberelsab v. 26. März 1903, Unterelsaß und Lothringen v. 2. bzw. 16. Sept. 1 
(Centr. Bl. 1903 S. 84, 38, 55, 161), ferner v. 15. (16.) Juni 1904 (Centr. Bl. S. 75, 76. 78). Vgl. 
über die Buläffigteit dieser Verordnungen O.L.G. Colmar v. 17. Nov. 1903, Els.-I. 3. 29 S. 581. 
3" Soweit es sich um Gemeinden mit einem öffentlichen Schlachthaus handelt. O. L. G. Colmar 
v. 13. Juni 1912, Els.-I. Z. 19138 S. 210. Etwas anderes git für Gemeinden ohne öffentliches 
Schlachthaus. O. L.G. Colmar v. 21. April 1911, Els.-l. Z. 37 S. 65. 
à35 Val. Dalloz, Suppl. vo salubrité pablique, Nr. 13, 17; D. P. 1886. 3. 25 Note 6—9; 
Kais. Rat Nr. 426 u. 398; O. Mayer, Franz. Verw. R., S. 218. » Z 
** Im übrigen ist zu beachten, daß neben dem Gesetz v. 13. April 1850 die Bestimmungen 
des Gesetzes v. 16.—24. Aug. 1790, die gerade dem Schutz der öffentlichen Gefundheit gelten, in 
Kraft geblieben find; durch dieselben ist die Ortspolizeibehörde in der Lage, weitgehende undheits- 
polizeiliche Anordnungen zu treffen, wenn die öffentliche Gesundheit G. B. durch Verbreitung 
von Epidemien) gefährdet ist. Vgl. R.G. v. 30. Mai 1911, im „Recht“ 1911 S. 528. 
Fischbac, Elsaß-Lothringen. 17
	        
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