18 Zweiter Teil. Die Verfassung Elsaß-Lothringens und die Behördenorganisation. 5
Reich auch die Pflicht verbunden, bei etwaigen gegen reichsländisches Gebiet gerichteten
Angriffen, sei es, daß sie vom Ausland oder daß sie von deutschen Einzelstaaten her-
rühren, das Reichsland zu schützen. Die einzelnen Bundesstaaten selbst sind dagegen
in keiner Weise befugt, im Reichsland irgendwelche Gebietshoheit auszuüben, insbesondere
über Teile des Reichslandes zu verfügen 6.
II. Die Grenzen des Reichslandes. Das Reichsland, wie es durch die Versailler
Friedenspräliminarien an das Deutsche Reich abgetreten wurde, umfaßt ein Gebiet von 14 511,2614
Quadratkilometern. Die Landesgrenzen find nur teilweise natürliche, so nach Frankreich zu der
Kamm der Vogesen, nach Baden der Rheinstrom, nach der bayerischen Pfalz die Lauter, nach Preußen
die Saar und die Blies. Im übrigen sind künstliche Grenzen gezogen, die durch Grenzzeichen
kenntlich gemacht sind. Aber auch die natürlichen Grenzen, namentlich Gebirgszüge, find vielfach
noch durch Grenzzeichen besonders bezeichnet.
Die ganze Länge der Grenze beträgt 1086,6 km, wovon 447,5 km Grenzen gegen deutsches
Gebiet, 639,1 km Grenzen gegen das Ausland find.
Die Länge der Grenzen gegen Frankreich beträgt 497,8 km: sie fällt mit der Reichsgrenze
zusammen. Sie wurde auf Grund der Versailler Friedenspräliminarien (Art. 1) durch eine inter-
nationale, aus den Vertretern beider Staaten gebildete Kommission, welche ihre Tätigkeit im Juni 1871
begann und am 26. April 1877 abschloß (die Ratifikationsurkunde wurde am 31. Mai 1877 in Metz
ausgetauscht) festgelegt.
Die Grenze gegen die Schweiz deckt sich ebenfalls mit der Reichsgrenze; sie beträgt 76 km.
Sie wurde in Ausführung des zweiten Pariser Friedens vom 20. November 1815 durch eine Grenz-
regulierungskommission in den Protokollen vom 12. Juni 1816 (Basel-Land) und vom 20. Dezember 1818
(Bern), vom 24. Dezember 1818 und 18. Juli 1816 (Basel und Solothurng festgesetzt““.
Die Grenze gegen Luxemburg beträgt 65.3 km; fie ist in dem Vertrage von Courtray
vom 28. März 1820 festgesetzt worden 7v. Eine Ergänzung und Reoision der Grenzlinie ist in den
Jahren 1866—1869 und 1877 erfolgt.
Die Grenze gegen Preußen beträgt 126,5 km; fie ist in der Konvention von Saarbrücken
vom 23. Oktober 1829 und in den Grenzregulierungsprotokollen vom 31. Juli bis 10. August 1833
festgelegt. Teilweise revidiert wurde die Grenze 1872.
Gegen Bayern (Pfalz) beträgt die Grenze 139 km; sie wurde festgesetzt durch die Pariser
Verträge vom 30. Mai 1814 (Bull. des Lois, IX. Série, Nr. 130) und Artikel 1 des Vertrages
vom 20. November 1815 (Bull. des Lois, VII. Série, Nr. 404), sowie in der Übereinkunft von
Weißenburg vom 9. Dezember 1825°.
Die Grenze gegen Baden beträgt 182 km. Nach dem badisch-französischen Grenzvertrag
vom 5. August 1840 (Bull. des Lois, IX. Série, Nr. 8694; Bad. Regierungsbl. S. 129) wurde
der Talweg des Rheins als Hoheitsgrenze bezeichnet 10. Es gilt dies namentlich für den sogenannten
Konventionsrhein von Basel abwärts. Da angesichts der beständigen Veränderungen des Talwegs
auch diese Grenzlinie nicht als ganz feststehend erachtet wurde, wurde eine jährliche Neufeststellung
des Talwegs vereinbart; die letzte dieser periodischen Rheinbefahrungen hat im Jahre 1868 statt-
gefunden 11. Neben der sonach schwankenden Hoheitsgrenze wurde noch eine bleibende „Banngrenze“
gezogen, die nicht nur für die Eigentumsrechte, sondern auch für Jagd= und Fischereiverhältnisse von
maßgeblicher Bedeutung ist 12.
III. Das Reichsland ist in drei Bezirke eingeteilt: Unterelsaß, Oberelsaß
und Lothringen 8. Zur Beseitigung oder Neubildung der Bezirke ist ein (Landes--)
Genehmigung des Reiches bedürfte. Dagegen darf kein deutscher Staat Gebietsteile ohne Genehmigung
des Reiches an einen außerdeutschen Staat abtreten 38 vom Reichsgebiet loslösen, hierzu wäre ein
verfassungsänderndes Gesetz nötig. Laband I S. 198.
in solches Unternehmen verstieße auch § 81 Ziff. 3 u. 4 R. Str. G. B.
#a Duprel, Die deutsche Verwaltung in — ß- Lothringen von 1870—1879. Straßburg 1879.
: Martens, Recueil. Nouveaux suppléments I 7; Du Prel S. 46.
s Bull. des Lois, Serie IX, Nr. 451; Martens VIII S. 162.
"Martens VIII S.
10 Durch Vertrag vom 3 Dez. 1861, wurde für die Rheinbrücken von Kehl und Breisach die
Mitte der Brücke als Grenze festgesetzt. 11 Du Prel S. 67.
12 Bgl. hierüber mein Fischereigesetz S. 5 f. und Walz, Badisches Staatsrecht. S. 12. Zu
beachten ist aber, daß der bad.-franz. Grenzvertrag nicht die Genehmigung der gesetzge wür Körper-
schaften erlangt hat; er kann deshalb, wenn er auch im Bull. ott. abgedruckt ist, in allen Fragen
des Privateigentums eigentlich keine Gesetzeskraft beanspruchen. Der ganze Vertrag ist, nicht zum
wenigsten durch die Rheinregulierung, vollständig amtiguiert, so daß an seine baldige Beseitigung oder
ked,g gedacht werden sollte. Vgl. auch O. L.G. Colmar v. 2. Nov. 1895 u. R.G. v. 21. Febr.
1895, in Els. I. Zig. 21 S. 193. is —t v. 30. Dez. 1871 § 1 (Ges. Bl. 1872 S. 49.