332 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 78
werbeordnung (88 16, 27, 30b, 33 Ziff. 2, a 120—e und Novelle vom 7. Januar
1907 [R. G. Bl. S. 37) 12 enthalten.
II. Die Baupolizei beschränkt die Baufsreiheit im Interesse der öffentlichen
Sicherheit, Gesundheit und im Interesse des öffentlichen Verkehrs. Die französische
Gesetzgebung 15 ist beinahe durchgängig aufrechterhalten geblieben. Die Form, in
welcher die Verwaltungsbehörden für die Durchführung einer geordneten Baupolizei
sorgen, ist regelmäßig die des Erlasses von ortspolizeilichen Bauordnungen 14. All-
gemeine gesetzliche Bestimmungen sind nur über die Bauflucht (alignement), das
heißt über die Feststellung der Grenzlinie zwischen der öffentlichen Straße und dem
daran anstoßenden Grundeigentum getroffen 15.
Die Bauflucht ist als öffentlich-rechtliche Servitut zugunsten der öffentlichen
Verkehrswege ½ aufzufassen, bei welcher die öffentliche Straße als das herrschende, das
angrenzende Privateigentum als das dienende Grundstück gilt; insbesondere gilt sie
also zugunsten der Staats-, Bezirks-, Vizinalstraßen und Vizinalwege, ferner für die
öffentlichen Straßen und Plätze in den Gemeinden ½ und schließlich für Schiffahrts-
kanäle 8 und die Eisenbahnenv. Sie besteht nicht für Privatstraßen und
Privatplätze, auch wenn sie dem öffentlichen Verkehr dienen 20, ferner nicht für die im
Privateigentum der Gemeinden stehenden Feldwege ?1, für die Leinpfade "8, die natür-
lichen Wasserstraßen 23. Die Bauflucht ist in erster Linie im Interesse der Straße
und des Straßenverkehrs vorgeschrieben; es soll durch sie der Anlieger an der Be-
nutzung des Straßenkörpers gehindert und ferner der Straßenverwaltung die Möglichkeit
gegeben werden, die bereits bestehenden Straßen in überbauten Ortschaften allmählich
in einer den Verkehrsbedürfnissen entsprechenden Weise zu erweitern, gradlinig zu
machen usw., ohne daß der Erwerb „im Wege stehender Bauten“ notwendig würde?“.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Bauflucht sind das Gesetz vom 22. Juli
1791 (Art. 29) 25, das seinerseits das Edikt vom XII. 1607, die Ordonnanz v. 29. März
ferner O. L.G. Colmar v. 19. Febr. 1894 Els.-I. Z. 19 S. 349 zu § 369 Nr. 3 O.L.G. Colmar
v. 5. Nov. 1901 (§ 369 Nr. 8 ist auch auf die Ubertragung poli eilicher inzelvorschriften anwendbar).
12 Die Baupolizeiverordnungen für die Bezirke v. 3. Juni 1899, 31. Juli 1899, 25. Aug.
1899 Centr. Bl. S. 87, 96, 101) finden nur auf gewerblich: Unternehmer Anwendung. Dieselben
stellen über den § 120 —e Gew.O. hinausgehende Anforderungen aut O. L G. Colmar v. 1. Mär
1904, Els.-I. 3. 30 S. 197. — Über den Umfang der strafrechtlichen
RN.G.E. 29 S. 447.
15 Eine Landesbauordnung für Elsaß-Lothringen ist in Vorbereitung.
14 Ver. v. 24. Jan. 1908 (Centr. Bl. S. 33). Zur Uberwachung der Staats- und Bezirks-
hochbauten sowie der aus Landesmitteln unterstützten Hochbauten der Gemeinden und öffentlicher
Anstalten dienen die den Bezirkspräsidenten dienstlich unterstellten Hochbauinspektoren. Anw.
v. 830. Dez. 1907 (Centr. Bl. 1908 S. 3, Beil. S. 88).
15 Srabssc-Lafper S. 5; O. Mayer, Frz. V. N. S. 256: Leoni-Mandel S. 194.
Die Eigenschaft eines öffentlichen Weges kann auch durch langjährige von einem öffent-
lichen Verkehrsbedürfnis verlangte Benutzung durch jedermann begründet werden, wenn dazu im
Einvernehmen mit der Gemeinde die Widmung des Weges durch die Eigentümer zu öffentlichen
Zwecken kommt. Diese Widmung kann unter Umständen auch in dem wissentlichen Dulden des
Verkehrs gefunden werden. R.G. v. 4. Jan. 1910, Elf.-I. Z. 35 S. 318; O.L# G. Cöln v. 19. Jan.
1909 in Stier-Somlos' Jahrb. 6 S. 33. Uber öffentliche Fußwege vgl. R.G.E. (Civ.) 48 S. 299.
Germershausen, Pr. Wegerecht, 2. A. S. 4: v. Strauß u. Torney, Verwalt. Arch. 2 S. 350.
Pr. Verw. Bl. 1904/05 S. 583; ferner O.L.G. Colmar v. 22. Nov. 1902, Els.-I. Z. 28 S. 462.
ber die Vermutung zugunsten des öffentlichen Eigentums einer Stadtgemeinde O.LL.G. Colmar
v. 4. Okt. 1898. Els.-I. Z. 24 S. 144.
17 Förtsch-Caspar S. 16.
183 Dalloz, Rep. voirie par terre Nr. 2083. *
1° Dieselben gehören nach dem Gesetz v. 15. Juli 1845 Art. 8 zur grande voirie.
2% Feraud. Giraud, Traité de la grande voirie Nr. 762. *
21 Für die zum öffentlichen Gemeindegut gehörenden Feldyweg kann durch Polizei-
verordnung die Notwendigkeit der Bauerlaubnis vorgeschrieben werden. D.P. 1868 1. 392.
*# Weil sie selbst nur eine Servitut darstellen.
!2 Wohl aber für die Uferstraßen. Leoni-Mandel S. 195. #
*5 Durch Min. Zirk. v. 20. Sept. 1858 (Möllersche Sammlung II S. 835) sind die gesetzlichen
Bestimmungen für die grande voirie und durch Min. Zirk. v. 21. Juli 1854 (Möllersche Sammlung
1I1I S. 760) die Bestimmungen für die Bizinalstraßen zusommengefaßt worden. Auf Grund dieser
Zirkulare sind in den drei Bezirken Bezirkspolizeiverordnungen erlassen worden. Die auf Grund
aftung eines Bauleiters vgl.