86 Die Bewohner. 19
Gesetz erforderlich. Die Veränderung der Bezirksgrenzen erfolgt nach vorausgegangenem
Gutachten der Bezirkstage durch kaiserliche Verordnung 14.
Die Bezirke zerfallen in Kreise!5. Der Bezirk Unterelsaß zerfällt in die acht
Kreise: Stadt= und Landkreis Straßburg, Erstein, Hagenau, Molsheim, Schlettstadt,
Weißenburg, Zabern. Der Bezirk Oberelsaß in die sechs Kreise: Kolmar, Rappolts-
weiler, Gebweiler, Thann, Mülhausen, Altkirch. Der Bezirk Lothringen ist in neun
Kreise eingeteilt: Stadt= und Landkreis Metz, Saarburg, Chateau-Salins, Bolchen,
Saargemünd, Forbach, Diedenhofen-Ost und -West!é. Auch die Teilung und Neu-
bildung von Kreisen erfolgt durch kaiserliche Verordnung, ebenso die Grenzenveränderung;
im letzteren Falle erfolgt die Vollziehung der Verordnung durch den Statthalter 17.
Die nächst kleineren Verwaltungsbezirke bilden die Kantone;z ihre Einteilung
beruht auf dem Gesetz vom 8. pluv. IX. (Bull. des Lois, III. Série, Nr. 512) und
vom 9. fruct. IX. (Bull. des Lois, III. Série, Nr. 825) 185. Die Vereinigung,
Trennung und Abgrenzung der Kantone erfolgt durch den Statthalter 19 nach vorheriger
Anhörung des Kreistages (vgl. Art. 6 u. 41 Ges. vom 10. Mai 1838, Bull. des
Lois, IX. Série, Nr. 7378). Die Bedeutung der Kantonseinteilung ist, nachdem auch
das besondere Institut der Kantonalpolizeikommissare in Wegfall gekommen ist, eine
sehr geringe; in der Regel sind Kantonshauptorte Sitze von Notariaten, vielfach auch
von Amtsgerichten 20. Der kleinste Verwaltungsbezirk ist die Gemeinde; die Zahl
der Gemeinden in Elsaß-Lothringen beträgt 1705 (1871: 1694). Neue Gemeinden
können durch kaiserliche Verordnung errichtet, bestehende Gemeinden auf dieselbe Weise
beseitigt werden 21.
Zweites Kapitel.
§6. Die Bewohner 1. Die Bewohner Elsaß-Lothringens sind nicht erst durch Art. 2
des Gesetzes vom 8. Juni 1873, welches das Gesetz über den Erwerb und Verlust der
Staatsangehörigkeit in Elsaß-Lothringen einführte, Deutsche geworden; vielmehr geschah
dies bereits mit dem Moment der Abtretung des Landes an das Deutsche Reich und durch
die Vereinigung mit diesem 3. Dieser nach Völkerrecht nicht zu bestreitende Grundsatz erlitt
aber von vornherein, was seine praktische Geltung anlangt, eine wesentliche Einschränkung
durch die im Art. 2 des Friedensvertrages vom 10. Mai 1871 und Art. 1 der Zusatz-
konvention vom 11. Dezember 1871 vorbehaltene sogenannte Options. Der genannte
Artikel 2 lautet: „Den aus dem abgetretenen Gebiet herstammenden, gegenwärtig in
diesem Gebiet wohnhaften französischen Untertanen, welche beabsichtigen, die französische
Nationalität zu behalten, steht bis zum 1. Oktober 1872 und vermöge einer vorgängigen
Erklärung an die zuständige Behörde die Befugnis zu, ihren Wohnsitz nach Frankreich
zu verlegen und sich dort niederzulassen, ohne daß dieser Befugnis durch die Gesetze
über den Militärdienst Eintrag geschehen könnte, in welchem Falle ihnen die Eigenschaft
als französische Bürger erhalten bleiben wird.“ Durch Art. 1 der Zusatzkonvention
wurde für diejenigen Personen, die aus den abgetretenen Gebietsteilen herstammen und
sich außerhalb Europas aufhalten, die Frist bis zum 1. Oktober 1873 verlängert.
1 §3 Ges. v. 30. Dez. 1871. Solche Abänderungen sind erfolgt für Unterelsaß und Lothringen
durch Ver. v. 1. März 1873 (G. Bl. S. 50) u. v. 14. Mai 1884 (Ges Bl. S. 98).
15 Gers v. 30. Dez. 1871 ) 2. 16 Ver. v. 8. April 1901 (G. Bl. S. 31).
17 Ges. v. 30. Dez. 1871 § 3 Abs. 1; Ver. v. 23. Nov. 1907 (R.G. Bl. S. 759).
18 Leoni S. 14 N. 4.
16 Ges. v. 30. Dez. 1871 § 3 Abs. 2; Ver. v. 23. Nov. 1907 (R.G.Bl. S. 759).
20 Die Zahl der Kantone beträgt 99.
Für die Abänderung der Gemeindegrenzen kommt §2f. Gemeinde-O. in Frage. Die Ein-
teilung in Gemarkungen beansprucht keine besondere verwaltungsrechtliche Bedeutung.
[§ 61 1 Die Bevölkerungszahl beträgt 1 874 014; davon find elsaße lothringiche Landesangehörige:
1502071; anderen deutschen Staaten angehörende Bewohner: 295 436. Die deutsche Sprache
sprechen: 1 684 260, die französische: 204 262: die deutsche und die französische: 3395. Der Religion
nach gibt es: 1 428 343 Katholiken, 408 274 Protestanten, 30 483 Ifraeliten, 3868 Andersgläubige,
Diffidenten. Statist. Handb. f. E.= L 1911 S. 14, 15, 20. 2 Loening S. 197.
2 Loening S. 196; Stieb, Die Option in E.-L.; Leoni S. 15; Bruck I S. 61;
Lepsius, Die Option in E.-L., 1913. 2•„