Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

334 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 78 
  
  
überhaupt Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit des Publikums entstehen können; 
der bloße Wohlfahrtszweck, die Förderung der Bequemlichkeit des einzelnen und einer 
Vielheit der Bewohner genügt nicht. Ferner müssen die verordneten Maßnahmen und 
Beschränkungen zur Erreichung der vorgedachten Zwecke unbedingt notwendige und 
weiterhin nach einem allgemein anerkannten Grundsatze des Verwaltungsrechts verhältnis- 
mößige sein. Nur soweit die öffentliche Straße in Betracht kommt, geht das Ver- 
ordnungsrecht weiter; da hier nicht bloß die Sicherheit und Gesundheit des Publikums, 
sondern auch die öffentliche Ordnung und der Verkehr als Zweck in Betracht 
kommen, können hier alle Bestimmungen erlassen werden, die auf die Aufrechthaltung 
dieser Ordnung sowie auf die Interessen des Verkehrs Bezug haben s4. 
III. Einen bedeutsamen Schritt vorwärts in der Erweiterung der Befugnisse 
der Ortspolizeibehörden, namentlich, was die Wahrung der ästhetischen Interessen 35 
anlangt, machte das Gesetz vom 7. November 1910 (G. Bl. S. 133), betreffend baupolizei- 
liche Vorschriften. Danach kann die Ortspolizeibehörde durch Ortsstatut einer Gemeinde 
ermächtigt werden, neben den im Interesse der Sicherheit und Gesundheit erforderlichen 
baupolizeilichen Vorschriften auch solche zum Schutze des Ortsbildes über die 
Lage und die äußere Ausgestaltung baulicher Anlagen zu erlassen. Auf den Erlaß des 
Ortsstatuts finden die Vorschriften des § 142 der Gewerbeordnung für das Deutsche 
Reich mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle von beteiligten Gewerbebetreibenden 
und Arbeitern Vertreter der beteiligten Grundstückseigentümer und geeignete Sach- 
verständige zu hören sind. 
Das nur aus einem Paragraphen bestehende Gesetz ist ein Blankettgesetz und gibt 
den Gemeinden außerordentlich weitgehende Befugnisse in baupolizeilicher Hinsicht 3“. 
IV. Für alle Bauten im weitesten Sinne des Wortes 37 ist eine Bauerlaubnisss 
erforderlich, und zwar besteht die diesbezügliche Verpflichtung nicht nur für Privatpersonen, 
sondern auch für Behörden 35, insbesondere auch für die Reichsverwaltungsbehörden“. 
Die Erteilung der Bauerlaubnis fällt mit der Erteilung der Bauflucht "1 im 
Einzelfaolle (alignement partiel) zusammen. Für die Anweisung der Bauflucht im 
Einzelfalle ist von Bedeutung, ob ein allgemeiner Baufluchtplan (alignement 
général) besteht oder nicht. Besteht ein solcher nicht — und das wird in kleineren 
Landgemeinden die Regel sein —, so hat der Eigentümer das Recht, bis an die Grenze 
*7 Emerich a. a. O. S. 447. 
25 Vor dem Erlaß des Gesetes von 1910 waren derartige baupolizeiliche Vorschriften ungültig. 
Kais. Rat v. 5. März 1910 Nr. 
*“ Bgl. das Ortsstatut * õStadt Straßburg v. 23. Nov. 1910 und die Verordnung des 
Bürgermeisters m Schutze des Ortsbildes von Straßburg und zur Ergänzung der Bauordnung 
8. April 1910, v. 23. Nov. 1910. Emerich, Das Gesetz zum Schiie des Ortsbildes, 1911, 
S 135, 137, und ferner Ver. des Bürgermeisters der Stadt Stkazburg v. 27. Nov. 1910 sowie die 
Egänzungpperordnung des Bürgermeisters v. 28. Mai 1913. 
lso nicht bloß für Neubanten, sondern auch für Umbauten, Ausbesserungen, ferner für 
Mauern, Zäune, Keller. Vgl. Aucoc, Conérences BVd. III S. 1011; Feraud- Giraud S. 90; 
Leoni-Mandel S. 195; Bruck II S. 199. 
3 Vgl. O.L.G. Colmar v. 31. Okt. 1905, Els.-l. Z. 32 S. 442. Ein abgesehnte Baugesuch 
kann jederzett wiederholt und muß erneut geprüft und beschieden werden. Pr v. 10. Febr. 
1905 im pr. Verw. Bl. 1904/005 S. 360. Uber Bauerlaubnis auf Widerruf ebenda S. 115. — 
Über die Strafe bei Ausführung eines Baues ohne Erlaubnis (Lauerd-likt O L. G. Colmar v. 
18. Apxil 1899, Els.-I. 3. 24 S. 429 u. v. 5. Nov. 1901 ebenda Bd. 28 S. 2 
Über Bauerlaubnis und Verwaltungsstreitverfahren vgl. Kais. Kat, v. 16. Neo 1910, Centr. Bl. 
Nr. 566 u. ebenda Nr. 544. * Staatsrat v. 11. Jan. 184 
4% Eine Ausnahme besteht nur für die Militärverwaltung bezü (s der Festungsbauten, welche 
sie auf militärfistalischem Terrain anlegt. Kass. v. 30 Pprul 1863: Leoni-Mandel 
S. 196 
“1 Die Streitfrage, ob für Bauten, die hinter der Baufluchtlinie nicht unmittelbar an der 
Straße gelegen sind („le long des chemins“ „„le long et joignant les routes"), die Erlaubnis- 
pflicht bestehe oder nicht Cerni-Mandel S. 135 Anm. 8 und die dort Zit.), ist zu verneinen. 
*- Colmar v. 19. Mai 1903, Els.-lI. Z. 29 S. 522. Für Städte ist die Bauerlaubnis nach 
dem oben Gesagten auf alle Fälle erforderlich. 
Liegt zwischen der Straße und dem zu bebauenden Grundstück ein zum öffentlichen Eigentum 
Foogndes, „uüͤsoir“, *rv ist die Bauerlaubnis notwendig. O.L.G. Colmar v. 11. Dez. 1894, Elf.I. 
Z. 20 S. 255: v. 27. Febr. 1901, ebenda 26 S. 310, und v. 19. Mai 1903, ebenda 29 S. 522.
	        
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