348 Bierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 79
Umfange herangezogen. Diese Straßenkostenbeiträge haben dinglichen Charakter 58
vom Standpunkte des Zivilrechts aus und die Natur von Gebührenss', weil die
Gemeinde durch die Instandhaltung der Straße eine Gegenleistung gewährt. So haben
die Anlieger die Pflasterungs= und Chaussierungskosten, mit Ausnahme derjenigen der
großen Straßen, zu tragen, sofern dies dem Herkommen entspricht und die ordentlichen
Einkünfte der Gemeinde nicht ausreichen 70. An Straßen, deren Bebauungspläne fest-
gestellt find, haben die Anlieger die halben Kosten der Anlage der Bürgersteige auf
alle Fälle und mehr Kosten dann zu tragen, wenn der Ortsgebrauch es bestimmt "1.
Über die weitergehenden Lasten der Anlieger nach dem Dekret vom 26. März 1852
und nach den Gesetzen von 1879 und 1892 ist bereits oben (S. 338 f.) gehandelt worden.
2. Entsprechend ihrer höheren Belastung haben die Anlieger auch über den
Gemeingebrauch hinausgehende Rechte auf die Benutzung der Straße, wie fie sich
aus der Lage ihrer Grundstücke ergeben (Straßenanliegerrechte). Es gehören
hierher die Ausgänge und Fenster auf die Straße, die Dachtraufen, dagegen nicht die
Vorbauten (Erker, Balkone) 6#7. Im Falle der Beeinträchtigung der Rechte der An-
lieger durch Beseitigung oder Veränderung der Straße haben diese gemäß § 40 a A.G.
B. G. B. einen Entschädigungsanspruch'es. Ein Recht auf Erhaltung des
Straßennetzes an sich hat der Anlieger nicht. Voraussetzungen des Entschädigungs-
anspruchs sind: ein bebautes Grundstück und eine zum Anbau bestimmte oder fertige
Straße; für unbebaute Grundstücke besteht kein Anspruch “.
Von diesen Anliegerrechten sind wohl zu unterscheiden die Sonderrechte am
öffentlichen Wege, z. B. die Erlaubnis zur Errichtung eines Kiosks, einer Trink-
halle usw. Dadurch wird kein subjektives öffentliches Recht für den Einzelnen, sondern
nur eine tatsächliche Einräumung begründet, die jederzeit im Interesse der Straßen=
anlage frei widerrufbar ist und über deren Bestehen die zur Ausübung der Straßen-
polizei berufene Behörde zu entscheiden hat “.
3. Die Polizei der Ortsstraßen obliegt dem Bürgermeister. Er trifft ins-
besondere Bestimmung über die Bezeichnung der Straßen" und über ihre Numerierung"“s.
5s Vgl. O. L.G. Colmar v. 28. April 1908. Elf.-l. Z. 34 S. 316; § 6 Ges. v. 13. Nov. 1898,
in Verb. mit 3 10 Abs. 1 Ziff. 3 Szw.V. G. v. 24. Larg 1897.
5°% O.L.G. Colmar v. 24. April 1908, Els.-l. Z. 34 S. 177.
60 Ges. v. 25. Juni 1841 Art. 28; Staatsrat v. 25. März 1807; Dez. Dekr. v. 13. April
1861 Art. 28. Zur Hrüfun der Frage, ob ein Ortsgebrauch besteht, sind die Bezirksräte zuständig
(des Cilleuls, Traité de la #egisl. et de Iadmin. de la voirie urbaine, S. 440 f.), gegen
deren Entscheidung Rekurs an den Kais. Rat gegeben ist. Kais. Rat v. 4. Jan. 1908 Nr. 489. Vo
ein Ortsgebrauch die Kosten der Pflasterung den Anliegern ganz auferlegt, haben diese die
Trottoirkosten mindestens insoweit zu 65 euün, als die Kosten der entsprechenden Pflasteranlage
betragen hätten. Kais. Rat v. 17. Okt. 1908 Nr. 498.
41 Ges. v. 7. Juni 1845. Die Veranlagung erfolgt hier wie bei den Pflasterungskosten nach
Maßgabe der direkten Steuern.
s2 R.G. E. (Civ.) 10, 271; 24, 247; 62, 87. Die Rechte des Straßenenprener beschränken
sich auf Straßenverkehr und Lichtzufuhr. — Über die Rechte der Lolizei vgl. R.G. (Civ.) v. 12. März
1910, „Recht“ 14 Nr. 1742, 1748; O. L. G. Colmar v. 11. Nov. 1905, Elf.-l. Z. 21 S. 424.
* Vgl. dazu Molitor-Stieve S. 125 f.; Über die rechtliche Natur der Straßenanlieger-
rechte ebenda S. 159 u. 162. Vgl. ferner M. Köhne, Der öffentlich-rechtliche Entschädigungs-
anspruch der Anlieger an Straßen, Off. Arch. 13 S. 545 f.; ferner Dreyer, Der Entschädigungs-
anspruch der Straßenanliegen, im Verwalt. Arch. 17 S. 195, und H. Schelcher in saher
Beitsch r. 34 S. 3. Uber die Beschränkunß der Anlieger durch Kanalisationsarbeiten vgl. O.L.G.
-olmar v. 15. Nov. 1910, Elf.-I. Z. 34 (1911) S. 34.
" Bolze, Entsch. d. R.G. 1 Nr. 65, 15 Nr. 16; R.G.E. Nr. 50; Dreyer a. a. O. S. 243.
*5 O. Mayer, D. V.RN. II S. 137, spricht von Gebrauchserloubnis. Vgl. Schelcher,
Fischers Zeitschr. 91 S. 95. Bezüglich der Befugnis, Röhren für Gas- und Wasserleitungen zu
egen, vgl. Min. Zirk. v. 20. Sept. 1858 Art. 27 . Weiterhin gehört hierher die Erlaubnis der
Verwaltung an Händler, Fuhrunternehmer usw., ihren dauernden Stand auf der Straße zu nehmen.
Seitens der Gemeinde wird hierfür Stand geld erhoben. Guillaume S. 198 f.; Leoni-
Mandel S. 226. Nicht bierher gehört dagegen die rein äileechtliche übertragung der Neben-
nutzungen der Straße, wie Gras, Obst, Bäume. Vgl. Regl. v. 21. Juli 1854 Art. 341. #
"s Soll durch die Namengebung einer Person eine Ehrenbezeigung erwiesen werden, so ist die
Genehmigung des Statthalters erforderlich. Ord. v. 10. Juni 1816.
"7 Ord. v. 23. April 1823.