Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

354 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 81 
  
Die Entschädigung darf ferner nur solche Nachteile berücksichtigen, die von dem Be— 
troffenen spätestens vor Schluß der Verhandlung in einem Schriftsatz geltend gemacht 
worden find. Gegen den Spruch der Geschworenenbank ist Kassationsrekurs 
wegen Verletzung gewisser Vorschriften 30 zulässig. 
Die festgesetzte Entschädigung muß vor der Besitzergreifung bar angeboten und 
im Falle der Verweigerung der Annahme hinterlegt werden (Art. 53, 54). Die Ver- 
teilung der Enteignungssumme erfolgt nach den Bestimmungen des Zw.V. G. 8§ 105 f.)“1. 
Ist durch die Verordnung die Dringlichkeit der Besitzergreifung nicht über- 
bauter Grundstücke ausgesprochen, so greift nach Erlaß des Enteignungsurteils ein 
vereinfachtes Verfahren Platz (vgl. Art. 65—74). 
III. Ein besonders beschleunigtes Verfahren greift Platz, wenn durch kaiserliche 
Verordnung die Enteignung zum Zwecke von Festungsbauten für dringlich erklärt 
ist (Ges. vom 30. März 1831) 82. 
§ 81. Die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen 1. 1. Durch Gesetz vom 6. März 
1838 ist der von den Gebr. Köchlin gebildeten Ostbahngesellschaft die Konzession zum 
Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Straßburg nach Basel erteilt worden. Das 
in der Folge erheblich erweiterte Eisenbahnnetz befand sich auch zur Heit der Abtretung 
Elsaß-Lothringens noch im Besitze der genannten Gesellschaft, deren Konzession bis zum 
27. November 1954 dauern sollte. Durch die Abtretung Elsaß-Lothringens an das 
Deutsche Reich gingen die Rechte dieser Gesellschaft nach allgemeinen völkerrechtlichen 
Grundsätzen nicht unter, sondern behielten auch der neuen Regierung gegenüber ihre 
Geltung. Diese Rechte wurden erst zum Erlöschen gebracht durch Zusatzartikel 13 zum 
Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871, ratifiziert am 20. Mai 1871. Danach ver- 
pflichtete sich die französische Regierung zum Rückkauf der der Ostbahngesellschaft ver- 
liehenen Konzessionen und zur Abtretung der ihr danach zustehenden Rechte gegen Be- 
zahlung von 325 Millionen Franken an das Deutsche Reich. Durch den Zusatz- 
vertrag wurden also nur die Rechte, die Frankreich durch den Rückerwerb der 
Konzessionen erlangt hatte, übertragen; die Eisenbahnhoheit erwarb das Reich 
bereits mit dem 2. März 1871, dem Tage des Präliminarfriedens von Versailles. 
Nach dem Gesagten ist das Reich also nicht Rechtsnachfolger der französischen Ostbahn- 
gesellschaft, deren Rechte durch den Rückkauf der Konzessionen völlig untergegangen 
sind, sondern Rechtsnachfolger des französischen Staatsfiskus geworden. 
Infolgedessen kann auch keine Rede davon sein, daß das Reich an diese früheren (in 
dem cahier des charges enthaltenen) Konzessionsbedingungen gebunden wäre. 
II. Andererseits folgt daraus noch nicht, daß der Landesverwaltung das Recht 
abgesprochen werden sollte, insoweit, als ihr die polizeiliche Sorge für die 
öffentliche Sicherheit nach Maßgabe der in Elsaß-Lothringen 
geltenden Gesetze obliegt, die ihr danach zustehenden Befugnisse 
geltend zu machen. Alle polizeilichen Beschränkungen, welche in Gesetzen, Ordon= 
nanzen und kaiserlichen Dekreten dem Betriebsunternehmer von Eisenbahnen auferlegt 
— 
20 Es kommen in Betracht: Art. 30 I. 31, 34 II u. IV Ges. v. 1841 und &#§ 4 I. 6, 7 Ges. 
v. 1887. Die Verwaltung kann daraus, daß sie selbst eine im Interesse des zu Enteignenden oder 
eines sonstigen Beteiligten gegebrne Vorschrift des Enteignungsgesetzes verletzt hat, einen Kassationes- 
grund nicht herleiten. O L.G. Colmar (Kass.) v. 10. Mai 1907, Els.-I. 3. 33 S. 77. 
21 Entfällt der Enteignungszweck, so können die Wüüheren Eigentümer oder deren Rechts- 
nachfolger die enteigneten Grundstücke wieder erwerben. Art. 60—62. 
* 60 Verf. des Oberstaatsanwalts v. 11. Febr. 1909, betr. das Enteignungsverfahren. Smlg. 31 
S. 
18811 Hochlinger, Geschichte der Eisenbahnen in E.-V., 1897. 
2 G. Huber, Die Staatensukzession, 1898, S. 57; W. Schönborn, Stagtenjuklessiouen, 
à § 1 des Zusatzartikels bestimmte: „Le gouvernement allemand sera subrogé à rous les 
droits, que le gonvernement français aura acquis par le rachat des concessions.“ 
4* Rosenberg, Annal. 1902 S. 6. Die französische Ostbahngesellschaft besaß jedoch auch 
Rechte an der schweizerischen Bahnlinie St. Ludwig — Basel und an den luxemburgischen 
Eisenbahnen, welche durch den Wiederkauf der Konzessionen nicht berührt worden find. Be gis 
dieser Rechte sind in Art 1 u. 6 sowie Art. 2 der Zusatzkonvention v. 10. Mai 1871 beson e
	        
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