362 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 82
XII. Der Umstand, daß Elsaß-Lothringen nicht, wie die deutschen Einzelstaaten,
Eisenbahnen besitzt und aus ihnen eine Eisenbahnrente bezieht, daß vielmehr das Reich
die gesamten Ülberschüsse einnimmt, und der elsaß-lothringische Etat bisher nur Zu-
schüsse zum Bau von Eisenbahnlinien aufgewiesen hat, wurde von jeher im Lande als
Härte empfunden; es wurden Rufe dahin laut, das Land möge das Reich wegen
seines Eisenbahnbetriebes in Elsaß-Lothringen zur Gewerbesteuer heranziehen. Daß dieser
Gedanke im Hinblick auf die Eisenbahnhoheit des Reiches in Elsaß-Lothringen absurd
ist, liegt auf der Hand. Das Reich hat jedoch aus Billigkeitserwägungen den Wunsch
Elsaß-Lothringens in anderer Weise einigermaßen verwirklicht. Nach dem Reichs-
besteuerungsgesetz vom 15. April 1911 (R.G.Bl. S. 187) ist das Land mit einem
fünfprozentigen Anteil am Uberschuß 35 der Reichseisenbahnen beteiligt. Die Landes-
verwaltung selbst hat allerdings über den Betrag kein Verfügungsrecht; sie hat ihn
in voller Höhe an die Gemeindens“" zu überweisen; der § 7 des Gesetzes schreibt
ausdrücklich vor: „Elsaß-Lothringen erhält nach dem Abschluß jedes Rechnungsjahres
behufs Zuführung an die Gemeinden“ usw. Das Gesetz schreibt ferner vor,
welche Gemeinden vorweg zu bedenken sind; es sind das solche, in denen oder in deren
Nachbarschaft Betriebe der Reichseisenbahnen gelegen sind, die diesen Gemeinden Aus-
gaben (z. B. für Schulen, Wegebau, Armenlasten) verursachen.
Achter Abschnitt.
§ 82. Das Unterrichtswesen 1. A. Allgemeines. I. Die gegenwärtige
Einteilung der Unterrichtsanstalten in Landesuniversität, höheres und
niederes Unterrichtswesen knüpft an die Dreiteilung des französischen Rechts
in enseignement supérieur, e. secondaire und e. primaire an. Die Universität
ist der Aussicht des Statthalters (Staatssekretärs) unterstellt, der wiederum den
zur Wahrnehmung der unmittelbaren Aufsicht bestellten Kurator mit Weisungen ver-
sieht . Die Leitung des höheren und des niederen Schulwesens liegt in der Hand des
durch Gesetz vom 12. Februar 1873 (G. Bl. S. 37) geschaffenen Oberschulrats a. Die
zum höheren Schulwesen gehörenden Anstalten, ferner gewisse dem niederen Unterrichts-
wesen angehörende Schulen, wie die Seminare, die Präparandenschulen, die höheren
*5 Nach dem im Druck erschienenen Geschäftsbericht der Reichseisenbahnen für das
Rechnungsjahr 1911 betrugen die Einnahmen 142 584 195 Mk., die Ausgaben 100 430 420 Mk., der
berschuß mithin 42 153 775 Mk. Nach §F 7 des Gef. ist aber unter die Ausgaben noch die Ver-
zinsung des Anlage= und Erwerbskapitals aufzunehmen, das insgesamt bis auf 829 359 624 Mk.
angewachsen ist; die nach dem Reichebesteuerun *n mit 3,5 v. r*+y' zu berechnende Verzinsung be-
trägt danach 29 027 587 Mk., die von dem oben erwähnten Überschuß noch in Abzug zu bringen
sind. Von dem danach verbleiben den Betrag von 13126 188 Mk. erhielt das Land 1911 bei 5 v. H.
rund 656 000 Mk.
3° Und zwar nach § 7 zit. an die Gemeinden, „in deren Gemarkung oder Umgebung sich eine
Station oder eine für sich bestehende Betriebs= oder Werkstätte der Reichseisenbahnverwaltung be-
findet". Nach der Vorgeschichte des Gesetzes sollte die Abgabe den Gemeinden zugute kommen, in
denen sich die großen Werkstättenbetriebe des Reiches befinden (Bischheim, Riedisheim, Mentigny-
Sablon, Diedenhofen, Saargemünd), weil dieselben große Auslagen durch die starke Arbeiterbevölkerung
haben. Der Zweck des Gesetzes geht jedenfalls aber nicht dahin, allen Gemeinden (die den Vorzug
haben, an einer Station zu liegen) eine Extraprämie zukommen zu lassen.
Was die Verteilung selbst anlangt, so darf die Landes regierung nicht etwa einen Teil des
Betrages für allgemeine Verwaltungszwecke vorwegnehmen; über die Verteilung an die in Betracht
kommenden Gemeinden trifft vielmehr die Gesetzgebung Bestimmung (§ 7).
(§ 82) 1 Das enseignement sup. umfaßte die Fakultäten, die Pharmazeutenschulen sowie gewisse
Vorbildungsschulen, das ens. sec. die Lyzeen und Gemeindegymnasien sowie die kcoles libres
secondaires, und das ens. prim. die Erementarschulen, Kleinkinderschulen (salles d'asile), bie
Mädchenschulen, die Fortbildungsschulen und die Lehrerseminare. Bgl. Leoni-Mandel S. 270.
2 § 3 Ges. v. 28. April 1872.
24 Vgl. Allerh. Ver. v. 21. April 1892 (G.Bl. S. 671, betreffend die Errichtung des OCber-
schulrats. Gemäß § 2 zit. besteht derselbe aus sieben ordentlichen Mitgliedern:; Vorsitzender ist
der Staatssekretär, der durch einen Ministerialrat als Direktor bzw. Präsident des Oberschulrats
vertreten wird. Gemäß § 2 VW/l 4 kann aus gewissen außerordentlichen Mitgliedern ein er-
weiterter Oberschulrat gebildet werden.