364 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 82
ersetzt die Genehmigung. Deutsche, die ein solches Zeugnis nicht besitzen, sowie Ausländer
bedürfen zur Erteilung des Privatunterrichts der Genehmigung des Bezirkspräsidenten 11.
Privatlehrern, die sich eine schwere Verfehlung, schlechte Führung oder unsittliches
Verhalten haben zuschulden kommen lassen, kann die Ausübung des Lehrberufs von
der Aufsichtsbehörde auf Zeit oder für immer untersagt werden2.
Die privaten Unterrichts= und Bildungsanstalten sind ebenso wie die öffent-
lichen Schulen, und zwar ganz unbeschränkt, der staatlichen Aufsicht unterworfen.
Sowohl die äußere Einrichtung dieser Anstalten wie der Unterricht (Lehrplan und
Lehrmittel) und die Befolgung der gesetzlichen Vorschriften werden dauernd von den
Staatsbehörden überwacht. Gibt die Schule den staatlichen Anordnungen keine Folge,
so kann ihre Schließung erfolgen. Vorher ist dem Leiter der Schule eine schriftliche
Warnung us zuzustellen, in welcher die Mängel und Verstöße bestimmt anzugeben
und um deren Abhilfe zu ersuchen ist. Die beseitigung, der Mängel kann binnen einer
Mindestfrist von acht Tagen seit der Zustellung der Warnung gefordert werden. Die
Warnung verliert ihre Wirkung, wenn nicht spätestens innerhalb dreier Monate nach
dem Ablauf der in ihr gesetzten Frist die Schließung der Schule erfolgt oder die ent-
sprechende Verfügung zugestellt ist“.
III. Wohl die wichtigste Neuerung im Bereiche der Unterrichtsverwaltung, die
unter deutscher Herrschaft eingeführt wurde, ist der allgemeine Schulzwang,
der auf eine Verordnung des Generalgouverneurs vom 18. April 1871 (Straßb. Ztg.
Nr. 93) zurückzuführen ist 15. Danach ist der gesetzliche Vertreter eines Kindes ver-
pflichtet, dasselbe nach vollendetem sechsten Lebensjahr zum regelmäßigen Besuch einer
öffentlichen Schule oder einer von staatlich geprüften Lehrern und nach dem Lehrplan
der öffentlichen Schulen geleiteten Privatschule anzuhalten 15, sofern nicht für entsprechenden
gleichartigen Unterricht in der Familie gesorgt ist 7. Aus wichtigen Gründen (Krank-
heit) kann mit Erlaubnis der Schulbehörde der Eintritt in die Schule hinausgeschoben
werden. Der Schulbesuch ist so lange obligatorisch, bis das Kind von der Schul-
behörde für entlassungsreif erklärt ist. Die Entlassungsreife wird durch eine Prüsung
festgestellt, zu welcher die Knaben nicht vor vollendetem 14., die Mädchen nicht
vor vollendetem 13. Lebensjahr zugelassen werden. Der gesetzliche Vertreter eines
Kindes, welcher dasselbe nicht zum Schulbesuch anhält 18, wird mit Verwarnung, Geld-
strafe bis zu 8 Mk., Entziehung der Armenunterstützung und bei fortgesetzter Schul-
versäumnis mit Haft bis zu einer Woche bestraft 10. Die Geldstrafen und Kosten
fließen in die Gemeindekassen, nachdem sie nach Art der Gemeindeabgaben beigetrieben find.
1•1 vg Ver. v. 10. Juli 1878 u. Art. II u. III, Ver. v. 16. Nov. 1887. Gegen die Ver-
gng der erhmigung ist Rekurs an den K. Rat gegeben. Ver. v. 22. März 1902 (G. Bl. S. 32)
iff. „8gs 5, 6, 9.
st Art. 30, 68 Ges. v. 15. März 1850.
18 Gegen die Warnung des Bezirkspräsidenten ist Rekurs an den Oberschulrat, T die
Warnung des leßteren. Rekurs an den Statthalter zulässig. Art. V Ver. v. 16. Nov. 1887.
14 § 12 Ver. v. 10. Juli 1873 in der Fassung. der Ver. v. 16. Nov. 1887.
15 Instr. v. 15. Mai 1886 (A. Bl. Nr. 23). Verfügung der O. L G.-Vorstände v. 9. Juni
1886, Smlg. 10 S. 140. -
16 Auch die Versäumung des von dem Geistlichen außerhalb der gewöhnlichen Schulstunden
erteilten Neligionsuntrrrichts gilt als Schulversäumnis. O. L.G. Colmar v. 7. Febr. 1905, Elf.-L.
. 81 S. 543 u. v. 12. Okt. 1897 eod. 23 S. 61.
17 Der Besuch ausländischer Schulen ist nur dann ein genügender Ersatz, wenn die Ge-
nehmigung des Kreisdirektors vorliegt. O.L.G. Colmar v. 14. April 1888, Els.-l. 3. 13 S. 277.
Grundsätzlich ist der Besuch einer reichsländischen Schule erforderlich, es sei denn, daß durch
besondere Abkommen mit anderen Staaten auch der Besuch von nichtreichsländischen Schulen für
ausreichend erachtet wird. O. L.G. Colmar v. Els.-I. Z. 23 S. 58 u. v. 14. Noo. 1911, ebenda 1913
S. 138. Die Frage, ob ein dem öffentlichen Schulunterricht entsprechender gleichmäßiger Privat-
unterricht in der Familie gewährt wird und aus diesem Grunde die Pflicht zum Schulbesuch fort-
fällt, untersteht ausschließlich der Prüfung und Entscheidung der Schulbehörde und ist einer Nach-
prüfung durch das Gericht entzogen. Z
8 Die Schulverstiumnise werden durch Listen, die der Hauptlehrer führt, festgestellt. Die
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Listen sind alsdann dem Bürgermeister zu übersenden. Instr. 83 . « «
IVGegendieStrafvcügungdesBütgermeisters-esistdiesdieeinztgeStrafe,dteder
Bürgermeister verhängen kann — ist entweder binnen drei Tagen Beschwerde an den Kreisdirektor