g 83 Die religiöse Freiheit. 373
Augsburger Konfession, die reformierte Kirche' und ferner gemäß Dekret vom 17. März
1808 und Gesetz vom 8. Februar 1831 der israelitische Kultus. Die Kulte haben die
Stellung öffentlich-rechtlicher Korporationen, die ihnen nur wieder im Wege des Gesetzes
genommen werden könnte.
Die nicht anerkannten Religionsgesellschaften können zwar auch Korporations=
charakter erlangen, sie unterscheiden sich aber von den anerkannten wesentlich dadurch,
daß die Mitglieder aus eigenen Mitteln die Ausgaben decken müssen, während die
Geistlichen der anerkannten Kulte aus der Landeskasse besoldet werden. Nur die an-
erkannten Kulte haben ferner Einfluß auf die Verwaltung der Friedhöfe und der Unterrichts-
anstalten und das Recht, von den bürgerlichen Gemeinden Zuschüsse zur Deckung der
sächlichen Ausgaben des Gottesdienstes zu beanspruchen (vgl. § 65 Z. 4 Gem.O.).
1. Die gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften können nun auf Grund der
Tatsache der Anerkennung ihren Glauben öffentlich und gemeinschaftlich ausüben. Die
Ausübung darf jedoch nur innerhalb der öffentlichen, dem Gottesdienst geweihten Kirchen
erfolgen 3. Außerhalb der staatlich genehmigten Kultusstätten dürfen sich ohne staatliche
Erlaubnis keine Vereinigungen mit religiösen Angelegenheiten befassen ?. Private
Hauskapellen und Bethäuser, auch soweit sie zur Ausübung eines gesetzlich
anerkannten Bekenntnisses bestimmt sind, dürfen nur mit Erlaubnis der Regierung
errichtet werden 10.
2. Was die nicht anerkannten Bekenntnisse anlangt, so stehen dieselben,
soweit nicht ausdrückliche abweichende Vorschriften getroffen sind, unter den allgemeinen
Polizeigesetzen, insbesondere unter dem Vereins= und Versammlundsrecht 11. r
öffentlichen Ausübung eines nicht anerkannten religiösen Bekenntnisses ist eine Er-
mächtigung durch Kaiserliche Verordnung erforderlich, die der Statthalter ausfertigt 12.
verkündigt. Vgl. Dursy, Das Staatskirchenrecht in E.-L., Bd. 1 (1876):; Geigel, Reichs= und
reichsländisches Kirchen= und Stiftungsrecht, Bd. 1 (1898) S. 289 f.:; derselbe, Das französische
und reichsländische Staatskirchenrecht, (1884) S. 6, 238 f.. Leoni-Mandel S. 286 f.; Bruck III
S 255 f. Das Konkordat hat durch diese Verkündigung zwar Gesetzeskraft in E.L. erlangt, ein vertrags-
mäßiges Verhältnis zwischen E.-v. und der Kurie besteht hinsichtlich desselben aber nicht, weil das
Deutsche Reich bei Erwerbung des Landes nicht auch in die völkerrechtlichen Vertragsverhältnisse
Frankreichs für das eroberte Gebiet eingetreten ist. . Zeitschr. f. Kirchenrecht Bd. 11 S. 91f.
! Für das augsburgische und das reformierte Bekenntnis vgl. die organischen Bestimmungen
der protestantischen Religionsbekenntnisse im Germinalgesetz. Dekr. v. 26. März 1852, nebst Aus-
führungsverordnungen v. 10. Sept. 1852 und Min. Ver. v. 10. Nov. 1852 und 20. Mai 1853;
Dursy II (1879); Stübel, Sammlung der Bestimmungen des protestantischen Kirchenrechts in
E.-L. (1898); Geigel II S. 1f.;: Leoni-Mandel S. 295; Bruck III S. 262f.
§ Einem Geistlichen ist es zwar nicht verwehrt, in einer Privatwohnung für einen oder
mehrere Bewohner derselben einzelne Kultushandlungen, wie z. B. Tause, Abendmahl, Beichte,
Trauung, vorzunehmen, wohl dagegen wäre es verboten, einen gemeinsamen förmlichen Gottesdienst
selbst in kleinem Kreise abzuhalten.
Kass. Hof v. 12. April 1838 und 22. April 1843; Dalloz, Rép. vo associations illicites,
S. 37: Leoni-Mandel S. 285.
1° Val. Art. 44 der kath. organ. Art. d. Ges. v. 18. germ. X, Art. 1 Dekr. v. 22. Dez. 1812
und Art. 1 Dekr. v. 19. März 1859. Die Erlaubnis ist auch erforderlich für die Hauskapellen der
religiösen Genossenschaften (vgl. Art. 2 Dekr. v. 22. Dez. 1812); in der Ermächtigung zur Errichtung
der Ordensniederlassung ist diese Erlaubnis noch nicht inbegriffen. Eine stillschweigende Erlaubnis-
erteilung ist auf alle Fälle ausgeschlossen, es muß vielmehr ein landesherrlicher Erlaß ergehen. Vgl.
André, Cours de la législation civ. eccl., IV S. 33 unter oratoire.
11 Batbie, Traité de droit public, III Ziff. 7: Dufour, Droit admin. appliqus, V
Ziff. 187; D.P. 59. 4. 27. Der Ausübung eines nicht anerkannten Kults in Privatversammlungen
steht nichts im Wege. D.P. 1869. 1. 113 u. 391.
12 Art. 2 Dekr. v. 19. März 1859 und K. Ver. v. 23. Nov. 1907 (R.G.Bl. S. 753). Die
Frage, ob das zitierte Dekret von 1859 durch das els.-I. Vereinsgesetz v. 21. Juni 1905 außer Kraft
gescht worden ist, ist zu verneinen, weil es sich bezüglich des genannten Dekrets nicht um eine bloße
usführungsbestimmung zu den vereinsgeseblichen orschriften jener Zeit handelt. Das Dekret hat
seine rechtliche Grundlage in Art. 1 des Konkordats.
Was die Vereins bildung der nicht anerkannten Kulte betrifft, so bedarf diese keiner Ge-
nehmigung. Nach § 24 R.V.G. sind zwar die Vorschriften des Landesrechts über religiöse Vereine
unberührt geblieben, da aber das els.-l. Vereinsgesetz v. 1905 die Genehmigungspflicht unterschiedslos
für alle Vereine befeitigt hat. so bestehen für religiöse Vereine keine besonderen landesgesetzlichen Vor-
schriften. Zur öffentlichen Ausübung des nicht anerkannten Kults ist aber nach dem oben Gesagten
die landesherrliche Ermächtigung erforderlich Von dieser Crmächtigung ist wieder die Verleihung