Die Staats= bzw. Landesangehörigkeit der Elsaß-Lothringer. 23
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erstreckt sich auf die Ehefrau 11 und die ehelichen minderjährigen Kinder, deren gesetzliche
Vertretung dem Gesuchsteller kraft seiner elterlichen Gewalt zukommt. Die Wirkung
der Verleihung erstreckt sich nicht auf die verheirateten oder verheiratet gewesenen
Töchter. Abweichende Wirkungen der Verleihung können jedoch festgesetzt werden.
Von anderen als den gesetzlichen Bedingungen darf die Aufnahme von Angehörigen
des Gesuchstellers nicht abhängig gemacht werden.
Man unterscheidet, ob die Verleihung der Staatsangehörigkeit an Ausländer oder
an einen Reichsinländer erfolgt; im ersteren Falle heißt die Verleihung Einbürgerung,
im zweiten Falle Aufnahme.
a) Die Aufnahme muß einem Reichsangehörigen gewährt werden, wenn er
nachweist, daß er sich in einem deutschen Einzelstaat oder in Elsaß-Lothrigen nieder-
gelassen, d. h. dort seinen Wohnsitz erwählt hat (§ 7 B.G.B.). Weiterhin darf keiner
der in den §§ 2—5 des Gesetzes vom 1. November 1867 über die Freizügigkeit
(E.G. vom 8. Januar 1873 G.Bl. S. 2) erwähnten Gründe 12 vorliegen, wonach die
Aufnahme eines Neuanziehenden oder die Fortsetzung des Aufenthaltes versagt werden
kann 18. Es steht jedoch im freien Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob sie von diesen
Versagungsgründen Gebrauch machen will; insbesondere kann die Verwaltungsbehörde
auch von dem Erfordernis der Niederlassung absehen 11. Wird trotz Vorliegens aller
Voraussetzungen die Aufnahme verweigert, so ist nur das Beschwerderecht an die vor-
gesetzte Verwaltungsbehörde, nicht etwa der verwaltungsgerichtliche Instanzenzug gegeben 15.
b) Die Einbürgerung. Der Reichsausländer hat grundsätzlich keinen Anspruch
auf Verleihung der Staatsangehörigkeit in irgendeinem Bundesstaat oder in Elsaß-
Lothringen. Es steht im freien Belieben der Verwaltungsbehörde, die Einbürgerung
(Naturalisation) zu verweigern. Insbesondere kann vor Erteilung der Einbürgerung
verlangt werden, daß der Ausländer aus seinem bisherigen Staatsverband ausgeschieden
ist is. Soll dagegen die Einbürgerung erfolgen, so müssen bestimmte gesetzliche
Voraussetzungen erfüllt sein (§ 8), nämlich: Geschäftsfähigkeit des Aufzunehmenden 17;
bisheriger unbescholtener Lebenswandel; eigene Wohnung und Unterkommen an dem
zukünftigen Niederlassungsort; die Fähigkeit, sich und seine Angehörigen an dem letzteren
Ort und den daselbst bestehenden Verhältnissen gemäß unterhalten zu können. Vor der
Einbürgerung ist eine gutachtliche Außerung der in Frage kommenden Gemeinde-
behörde bzw. des Armenverbands über die drei letztgenannten Gründe herbeizuführen;
ein Versagungsrecht kommt der Gemeinde jedenfalls nicht zu. Die Einbürgerung in
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11 Denkbar ist auch, daß Ehefrauen, oder wenigstens deutsche Ehefrauen, eine von der Staats-
angehörigkeit ihres Ehegatten verschiedene Staatsangehörigkeit erwerben können (ugl. Leoni S. 21s),
zul 1066 Gesetz selbst in gewissen Fällen zuläßt, daß die Ehefrau eine besondere Staatsangehörig-
eit besitzt.
12 Diese Gründe sind: Bei unselbütändigen, d. h. unter familienrechtlicher Gewalt stehenden
Personen Mangel der Genehmigung des Gewalthabers (§ 2), polizeiliche Aufenthaltsbeschränkungen
estrafter Personen (§ 3), Mangel hinreichender Kräfte zur Beschaffung des notdürftigen Lebens-
unterhalts, wobei das Gesst unterscheidet zwischen der Gestattung, an einem Ort anzuziehen (§ 4),
10, der- —i’“*t der Erlaubnis, nach erfolgtem Anzuge den Aufenthalt sortzufegen (6 5).
ahn S. .
18 Die Einführung weiterer Beschränkungen durch Landesgesetz ist dagegen unzuläsfig.
14Seydel in Hirths Annal. i883 S. 8 . v g
ULaandlS.156;VrucklS.54;G.Meyer§43 3. 15.
16 Dieser Nachweis soll sogar verlangt werden bezüglich der im österreichischen Reichsrat ver-
tretenen Länder der österr.-ungar. Monarchie (Bundesratsbeschluß v. 24. Juni 1877, Protok. § 323),
ferner bezüglich der türkischen (Zirkularschreiben des Reichsamts des Innern v. 11. Juni 1884;
Reger 5 S. 398) und perfischen (Vertrag v. 11. Juni 1873, R.G.Bl. S. 351 Art. 17) Untertanen.
Gleichwohl kommt es häufig vor, daß gewiss Individuen gleichzeitig eine doppelte oder mehr-
fache Staatsangehörigkeit besitzen. Man nennt dieselben „sujets mixtes“; vgl. v. Bodman,
Die Rechtsverhältnisse der sog. „sujets mixtes“, im ei Arch. 12 S. 200 u. 317 f.; v. Martiz.
Das Recht der Staatsangehörigkeit im internat. Verkehr. Hirths Annalen 1875 S. 807; Weiß,
Traité théoriquc et pratique de droit international privé. 1892, I S. 25; v. Bar, Inter-
nationales Privatrecht, S. 257.
7 Bei Mangel der Geschäftsfähigkeit genügt Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Die
Minderjährigkeitsfrage hat sich nicht nach deutschem, sondern nach dem rber ausländischen
Recht zu beantworten. Bayr. Verw.Ger. Hof 23. Dez. 1904, Reger, Erg.Bd. 3 (1905) S. 355.