Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

8 85 Die gemischten kirchlichen Angelegenheiten (affaires mixtes). 377 
  
§ 85. Die gemischten kirchlichen Angelegenuheiten (affaires mixtes). Zu 
den sogenannten gemischten kirchlichen Angelegenheiten gehören vor allem folgende 
Gegenstände, welche die äußere Einrichtung der Kirche betreffen. Zunächst hat der 
Staat, worauf noch unten näher einzugehen sein wird, ein Mitwirkungsrecht bei der 
Besetzung der geistlichen Amter und der Einteilung der Kirchensprengel. Ferner gehören 
hierher und find nur mit Erlaubnis der Regierung gestattet: 
I. Die Eröffnung neuer Kultusstätten. Sie darf grundsätzlich nur mit 
staatlicher Ermächtigung erfolgen, die, von einzelnen Fällen abgesehen, durch landes- 
herrliche Verordnung (des Statthalters) erteilt wird 1. Die Erlaubnis besteht darin, 
an einem bestimmten Ort (Gemeinde, Gemeindeteil, Anstalt, Privatgrundstück) eine 
Kultusstätte bestimmter Art zu begründen 2. 1. Das französische Staatskirchenrecht unter- 
scheidet zwei Hauptgruppen von Kultusstätten 3, solche mit und solche ohne titre 
lägal. Die ersteren find: a) die katholischen Kathedral= oder Bischofskirchen; b) die 
protestantischen Konsistorialkirchen und die israelitischen Konsistorialsynagogen; c) die 
katholischen und protestantischen Pfarrkirchen sowie die israelitischen Rabbinats- 
synagogen; d) die katholischen Annexkirchen (im besonderen Sinne der Art. 11, 12, 13 
Dekret vom 30. September 1807). Zu den Kultstätten ohne titre légal, auch als 
oratoires (Bethäuser) bezeichnet, gehören: a) die oratoires publics, meist chapelles 
de secours genannt; es find dies die in allen drei Kulten vorkommenden gewöhnlichen 
Hilfskirchen (Filialkirchen beziehungsweiseDynagogen); b) die oratoires particuliers, 
das heißt Anstaltskirchen und Anstaltskapellen "; c) die oratoires domestiques (Bet- 
häuser privater Natur, Hauskapellen). 
2. Die staatliche Ermächtigung zur Errichtung einer Kultusstätte ist entweder 
eine besondere und ausdrückliche oder eine in einer allgemeinen Ermächtigung enthaltene, 
je nachdem es sich um eine Kultusstätte mit oder ohne titre lgal handelt. Bei den 
Kultusstätten ohne titre légal erfolgt die Ermächtigung durch eine Spezial- 
verordnung, durch welche gestattet wird, das betreffende oratoire an einem bestimmten 
Orte zu eröffnen (autorisation d’ouverture); bei den Kultusstätten mit einem 
titre lLEgal umfaßt die Ermächtigung, durch welche die Gründung des titre (Bistum, 
Konsistorium, Pfarrei, Rabbinat, Annexe) gestattet oder bewirkt wird, von selbst auch 
die Erlaubnis, an dem Sitz des établissement eccl. eine entsprechende Kultstätte zu 
errichten (autorisation d’érection). 
Bethäuser, die ohne staatliche Ermächtigung errichtet sind, können von der Ver- 
waltung geschlossen werden 5. Hinsichtlich der Dauer der staatlichen Ermächtigung 
aller Synagogen Europas, welche über wichtige Punkte der jüdischen Lehre Beschlüss faßte. Dalloz, 
Rép. vo culte, Ziff. 753; Geigel, Reichsl. Kirchen= und Stiftungsrecht, II S. 104. 
15 851 1 Die in Betracht kommenden Vorschriften sind: I. Katholischer Kultus: Art. 44, 60, 
61, 62 der auf den katholischen Kultus bezüglichen Bestimmungen des Ges. v. 18. germ. X; Art. 3 
Dekr. v. II. Prair. XII; Dekr. v. 30. Sept. 1807; Dekr. v. 22. Dez. 1812. II. Protestantischer 
Kultus: Art. 19 der auf den Frotestantischen Kultus bezüglichen Bestimmungen des Germinal- 
gebe; Dekr. v. 10. brum. XIV: Art. 1 Dekr. v. 26. März 1852; Dekr. v. 19. März 1859. 
II. Israelitischer Kultus: Art. 2 Dekr. v. 17. März 1808; Art. 60, 61, 63; Ord. v. 25. Mai 
1844. Gemeinscha tich für I—III kommt noch Art. 294 C. ben. in Betracht. 
##0 auch den Erlaß des Ministeriums v. 16. Jan. 1911, betr. die Eröffnung neuer Kultus- 
stätten (Smlg. 1910/11 S. 320). # 
* Eine Anderung des Sitzes und der Art der Kultusstätte setzt eine neue landesherrliche 
Ermächtigung voraus. Dagegen ist eine solche nicht erforderlich, wenn innerhalb der Grenzen eines 
Ortes die Kultstätte in ein anderes Gebäude oder in einen anderen Raum verlegt wird. 
Den gehörig autorisierten Kultusstätten sind diejenigen gleichzustellen, die schon vor dem Jahre 
1802 (Publikation des Kontordats und der Organ. Artikel) oder, sofern es sich um Synagogen 
handelt, vor dem Jahre 1803 (Dekr. v. 17. März 1808) errichtet worden und ununterbrochen bis 
gett bestehen geblieben sind. Diese alten Kultstätten werden so behandelt, wie wenn sie im Jahre 
s 2 rim 1808 durch eine staatliche Ermächtigung den betreffenden Sitz und die betreffende Art 
erlan ätten. 
" Val. Gaudry, Traité, III S 642; Dalloz, Rép. vo culte, Nr. 84, Suppl. Nr. 808. 
Bezüglich der katholischen Hilfstirchen Prompsault, Dict. en mat. civ. eccl. I. vo chapelle 
de secours, S. 801, und von diesem abweichend Dalloz, Suppl. culte Nr. 318. 
4 Die Anstalten und Personenvereinigungen, die eigene Kapellen haben können, find im Dekr. 
v. 22. Dez. 1812 aufgeführt. 5 Art. 8 Dekr. v. 22. Dez. 1812.
	        
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