Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVI. Das öffentliche Recht des Reichslandes Elsaß-Lothringen. (26)

380 Fünfter Teil. Das Staatskirchenrecht. l 85 
  
entstanden, ob der Bürgermeister ohne Mitwirkung des Pfarrers über die Glocken zu 
nicht kirchlichen Zwecken verfügen und den Glöckner direkt zum Läuten anweisen 
darf. Die Frage ist grundsätzlich zu bejahen, Schwierigkeiten können sich eigentlich nur 
bei der Auslegung des Begriffes „nichtkirchliche Angelegenheiten“ ergeben 1°. 
B. Protestantischer Kultus. Auch hier kann der Artikel 48 der organi- 
sierten Bestimmungen für die katholische Kirche entsprechende Anwendung finden; danach 
ist zwischen zweierlei Zwecken des Gebrauchs der Kirchenglocken zu unterscheiden: a) zur 
Einladung zum Gottesdienst, b) zu anderen Zwecken. In ersterer Beziehung soll ein 
von der kirchlichen Oberbehörde im Einvernehmen mit dem Bezirkspräsidenten getroffenes 
oder zu treffendes Reglement (Läutordnung) maßgebend sein; in letzterer Beziehung 
ist bestimmt, daß ohne Erlaubnis der Ortsbehörde grundsätzlich nicht geläutet werden 
darf. Was die Praxis anlangt (zum Beispiel bei Begräbnissen, Hochzeiten usw.), so 
gelten entsprechende Grundsätze wie für den katholischen Kultus. 
IV. Die Feiertage. Die Einführung von solchen und zwar auch von kirch- 
lichen Bettagen 26° ist nur mit Zustimmung der Regierung möglich. Zu Feiertagen sind 
erklärt ! außer den Sonntagen, Weihnachten, Christi Himmelfahrt, Mariä Himmel- 
fahrt, Allerheiligen, Neujahr; außerdem gelten auf Grund des Gesetzes vom 19. Oktober 
1887 als allgemeine Feiertage im Sinne der Reichsgesetze 25 sowie als Feier-, Fest= und 
Ruhetage im Sinne der Prozeßgesetze der Karfreitag, der Oster= und der Pfingstmontag. 
V. Zu den res mixtae sind ferner zu rechnen: 1. die Abhaltung kirchlicher 
Versammlungen ?5 und 2. Verkündigungen bei der Predigt mit einem außerhalb des 
Gottesdienstes liegenden Zweck?“, 3. weiterhin die Anbringung von Gedenktafeln für 
gefallene Angehörige der Armee 75; hierher gehören ferner die Bestimmungen über 4. die 
amtliche Geschäftssprachese; 5. die Amtstracht der katholischen Geistlichen, 
1 Ein Staatsratgutachten v. 21. Juni 1835 hat die Fro bejaht, ein solches v. 17. Juni 
1840 dagegen einschränkende Gesichtspunkte geltend gemacht. l. das Muster einer Verordnunp, bei 
André, Cours de la Iégislation civ. eccl., II S. 199. W. ferner Min. Zirk. v. 1859, Bull. 
Int. S. 261. In einem im Jahre 1882 dem elsaß-lothringischen Ministerium erstatteten Gutachten 
* Laband in den Fällen, in welchen das Geläute den Charakter einer kirchlichen Feierlichtceit 
dhatn B. bei Trauungen, Begräbnissen, dem Bürgermeister die Befugnis abgesprochen, das Geläute 
im Widerspruch mit der Anordnung des Pfarrers anzuordnen, dagegen in denjenigen Fällen, die außer 
Zusammenhang mit einer gottesdienstlichen Feier stehen, dies für zulässig erklärt. 
Das Geläute der Glocken zur Beisetzung von Personen, welche einem anderen Kult angehören, 
kann nur in denjenigen Gemeinden beansprucht werden, wo dies dem Herkammen entspricht oder 
durch eine gemeinschastliche Verordnung zwischen weltlichrn und kirchlichen Behörden bestimmt ist 
(vgl. Dursy I S. 309; Dalloz, Rep. culte Nr. 168; Dubief-Gottofrey I Nr. 347 S. 350). 
Das Kirchenglockenläuten zu Wahl zwecken verstößt auf alle Fälle egen Art. 48 Organ. Artikel. 
Bei gewissen nicht kirchlichen Anlässen, z. B. im Fall gemeiner Gefahr, und bei durch Gesetz 
oder Verordnung vorgeschriebenen Anlässen können die Bürgermeister unter Umständen auch ohne 
Einvernehmen mit dem Pfarrer aus eigener Machtbefugnis das Geläute anordnen. Z 
Eine Spezialbestimmung enthält das K. Dekr. v. 24. mess. XII in Art. XXIII: „A T’entrée 
de l’Empereur dans chaque commune toutes les cloches sonneront.“ Es ist bestritten worden, 
ob diese Bestimmung, als dem inneren französischen Staatsrecht an ehörend, noch in Kraft ist. 
Jedenfalls könnte sie verneinendenfalls ohne weiteres durch K. Erlct wieder eingeführt werden. 
Sinngemäß findet das Glockengeläute auch auf den Statthalter als den Vertreter des Kaisers An- 
wendung: die Anwendung bei anderen Beamten dagegen muß als Mißbrauch bezeichnet werden. 
Gaudry I1 3. 215; Kisch S. 267. 
21 Ver. v. 20. germ. X und Staatsratsgutachten v. 20. März 1810. 
22 Bezüglich der Gewerbeordnung vgl. oben S. 380. 
28 Art. 4 der Organ. Best. f. d. kath. Kirche; Art. 21, 32, 38 u. 42 der Organ. Best. f. d. 
prot. Kult und Art. 54 der Ver. v. 25. Mai 1844. 
2" Art. 53 der Organ. Best. f. d. kath. Kirche. 
25 Nach Art. 73 Dekr. v. 30. Dez. 1809 dürfen derartige Gedenktafeln auf Vorschlag der 
kirchlichen Oberbehörden und mit Genehmigung des Ministeriums des Innern angebracht werden. 
Bepaglich der Anbringung von Fahnen und ähnlichem Schmuck kommt das Ges. v. 29. März 1888 
(R.G.Bl. S. 127) in Betracht. 
26 Ver. des Staatssekretärs v. 5. April 1891 (auf Grund des Ges. v. 31. März 1872 F 5), 
betr. die amtliche Geschäftssprache der Kultusbehörden (Centr. Bl. 1891 S. 87). Der auf uansh 
beruhende Rechtszustand ist durch § 26 V. G. v. 1911 reichsgesetzlich bestätigt worden. Auch na 
diesem Paragraphen find Ausnahmen zugunsten der französischen Sprache für mündliche Verhand- 
lungen in Ortschaften mit überwiegend franzöfisch sprechender Bevölkerung zuläsfig. -
	        
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