388 Fünfter Teil. Das Staatskirchenrecht. * 87
Gesetz). Und schließlich erfolgt durch das Direktorium, vorbehaltlich der Bestätigung
durch den Statthalter, die Ernennung und Versetzung sowie auf Grund vorgängiger
Genehmigung des Statthalters, auch die Abberufung und vorläufige und zeitweilige Dienst-
enthebung der Pfarrer. Das Direktorium der Kirche Augsburger Konfession ist somitW
selbst Inhaber der Kirchengewalt und steht weder zum Landesherrn noch zum Ministerium
in einem behördlich untergeordneten Verhältnis. Der Präsident des Direktoriums
führt weiterhin den Vorsitz in der kirchlich-gesetzgebenden Versammlung, dem Ober-
konsistorium, er ist mithin Vorsteher und Leiter der beiden Körperschaften, denen in
der elsaß-lothringischen Kirche Augsburger Konfession das Kirchenregiment zusteht.
Seine Selbständigkeit gegenüber der staatlichen Verwaltung zeigt sich auch rein äußer-
lich darin, daß er weder Landesbeamter noch landesherrlicher Beamter, sondern lediglich
Kirchenbeamter ist .
2. Was die reformierte Kirche anlangt, so sehen die Organisations-
bestimmungen für den protestantischen Kultus vom 18. Germ. X in Art. 17, 29—32
Synoden vor, die je fünf Konsistorien zu umfassen haben; da in Elsaß-Lothringen
genau fünf Konsistorien existieren, so hat die Regierung im Jahre 1895 genehmigt,
daß diese Konsistorien zu einer Generalsynode zusammentreten . Durch Gesetz vom
21. Juni 1905 (G.Bl. S. 52) wurde sodann eine Synodalordnung für die reformierte
Kirche in Elsaß-Lothringen publiziert, durch die eine Landessynode an die Spitze
der reformierten Kirche in Elsaß-Lothringen gestellt wurde 7.
II. Auf den unteren Amterstufen sind sowohl die Kirche Augsburger Konfession
wie die reformierte Kirche gleichmäßig gestaltet.
1. Die Grundlage bildet die Pfarrei, die dadurch errichtet wird, daß durch
landesherrliche Verordnung nach Einholung eines Gutachtens des Gemeinderats (vgl.
§ 59 I Gem.O.) für einen bestimmten Sprengel Pfarrer aus Landesmitteln besoldet
werden 8. Die Pfarrei ist juristische Person und wird durch einen Kirchenrat ver-
treten, der aus mindestens vier und höchstens sieben Laienmitgliedern besteht und dessen
Mitglieder von den Pfarrangehörigen gewählt werden; zu dem Kirchenrat gehören die
Pfarrer von Rechtswegen. Alle drei Jahre findet eine Erneuerung zur Hälfte der
Kirchenratsmitglieder statt?. Wahlberechtigt sind alle Inländer im Alter von mindestens
dreißig Jahren, die in der Pfarrei seit mindestens zwei Jahren wohnen, das politische
Wahlrecht besitzen und gegebenenfalls den Nachweis der Zugehörigkeit zur Pfarrei zu
erbringen vermögen 10. Die Kirchenräte haben über die Ordnung und die Dissziplin in
den Kirchen zu wachen und das Pfarreivermögen zu verwalten 11.
2. Mehrere Pfarreien von zusammen durchschnittlich 6000 Seelen bilden die
Grundlage für das Konsistorium; dasselbe hat über die Pfarreien in kirchlicher
und finanzieller Beziehung zu wachen. Auch das Konsistorium ist eine juristische Person;
es setzt sich zusammen aus den Kirchenratsmitgliedern des Konfistorialhauptortes, aus
5 Daran ändert auch der Umstand nichts, daß er seine Besoldung aus der Landeskasse be-
zieht, denn das ist auch bei Bischöfen und katholischen Pfarrern der frall, und ebensowenig ist der
weitere Umstand von Bedeutung, daß er vom Kaiser ernannt wird, denn diese Ernennung geht nicht
über den Rahmen der von dem franz. Staat gesgenüber privil. Religionsgemeinschaften beanspruchten
Kirchenhoheit hinaus. Unzutreffend Bruck III S. 251 Note 2.
Vgl. hierzu Hoffet, Das reformierte Kirchenrecht in E.-L., 1909, S. 43.
7! Ein Abdruck derselben sowie der Ausführungsbestimmungen v. 30. Juni 1905 (Centr.Bl.
S. 273) bei Pefs#er S. 47 f. ç ç
Hilfspfarreien und selbständige Vikariate können von den Konfistorien ohne jede Mit-
wirkung der Staats= oder Gemeindebehörden errichtet werden. Eine Verbflichtung der Gemeinde
ur Deckung der Kosten der Hilfspfarreien kann von der Regierung nur dann zum Gegenstand einer
Prufung gemacht werden, wenn die Kirchenbehörde ihr Einverständnis erklärt; in diesem Falle ist
die Errichtung der Hilfspfarrei an ähnliche Formen gebunden wie die einer Pfarrei (analog der
Errichtung einer kath. Kapellenpfarrei; vgl. Art. 9, 10 Dekr. 31. Sept. 1807). Die Filialen GEime-
pfarreien) A. K. besitzen Rechtsfähigkeit; vgl. Geigel, Reichsl. Kirch. R. II S. 50.
° Art. 1 Dekr. v. 26. März 1852. Z
10 Art. 9 u. 10 der Vollzugsanw. v. 10. Sept. 1852. Die Wahlen find geheim; über Ein-
sprüche gegen die Wahl entscheidet der Kais. Rat. Ver. v. 22. April 1902 (G.Bl. S. 32) 8 2 Ziff. II.
§ 8. — Durch das Oberkonsistorium (Direktorium) können die Kirchenräte mit Zustimmung des
Ministeriums ausgelöst werden. 1 Ansführungsverordn. v. 10. Nov. 1852.