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noch als Wucherer bekannt sind 138. Über Einsprüche gegen die Wählerliste entscheidet
der Bezirkspräsident nach Anhörung des Konsistoriums; gegen diese Entscheidung ist
bei Rechtsverletzung Rekurs an den Kaiserlichen Rat zulässig!“. Einsprüche gegen die
im geheimen Wahlverfahren erfolgte Wahl selbst entscheidet ebenfalls der Kaiserliche
Rat15. Die Wahl erfolgt auf die Dauer von acht Jahren; alle vier Jahre findet
eine Erneuerung zur Hälfte statt. Die Ernennung der Laienmitglieder bedarf der
Bestätigung des Statthalters i8. Die Mitglieder werden von den Bezirkspräsidenten
nach Ableistung des allgemeinen Beamteneides in ihr Amt eingeführt ½.
Die Konsistorien haben die Verwaltung und die Aufsicht über die Synagogen
ihres Bezirkes, ferner über die Anstalten, wohltätigen Stiftungen sowie über den
Unterricht und die Gesetzesauslegung 18. Sie vertreten die Synagogen gerichtlich und
außergerichtlich. Zur Führung eines Prozesses vor den Gerichten, zur Kapitalanlage,
zur Veräußerung und zum Erwerb von Vermögensgegenständen (über 5000 Mk.) ist
staatliche Genehmigung erforderlich. Die Konsistorien erteilen ferner die Erlaubnis
zur Ausübung der Verrichtungen als Mohel (Beschneider) und Schochet (Schächter) 1.
2. Als Organe der Konsistorien fungieren die von ihnen ernannten Präsidenten
und deren Stellvertreter auf vier Jahre 20. Bei den einzelnen Synagogen wird von
dem Konsistorium ein Verwalter oder ein Verwaltungsausschuß? als Synagogen-
vorstand aufgestellt, der im Auftrage des Konfistoriums dessen Befugnisse in bezug auf
die Vermögensverwaltung und die Kultuspolizei wahrnimmt. Die juristische Persönlich-
keit besitzen jedoch nur die Konsistorien 0. Im Falle der Auflösung einer israelitischen
Kultusgemeinde fällt das dieser zukommende Sondervermögen dem Konsistorium und
nicht etwa derjenigen Gemeinde zu, deren Sprengel die aufgelöste Gemeinde zugeteilt ist.
3. Zur Auflösung der Konsfistorien und zur Abberufung der einzelnen Mit-
glieder ist das Ministerium zuständig ?5.
VI. Zum Rabbiner in Elsaß-Lothringen kann nur derjenige ernannt werden,
der im Besitze eines Befähigungszeugnisses und eines Rabbinerdiploms ist?". Voraus-
setzung der Ernennung ist die Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres
13 Art. 10 Dekr. v. 17. März 1808, Art. 28 Ord. v. 25. April 1844 u. Art. 5 Ziff. 8 Dekr.
v. 29. Aug. 1862. 1. Ver. v. 22. April 1902 (G. Bl. S. 32) § 1 Ziff. 2, § 4 ff.
15 Ver. v. 22. April 1902 § 2 Nr. II. Vgl. K. Rat. Nr. 498.
16 Ord. v. 25. Mai 1844 Art. 24; Ver. v. 23. Nov. 1907 (R.G.Bl. S. 759).
17 Ord. v. 25. Mai 1844 Art. 36. Sie find aber ebensowenig Beamte wie die bischöflichen
Behörden, Fabrikräte usw., da sie nicht im Namen des Staates tätig sind. Dalloz, Rép. culte
Nr. 146: André, Cours de Igisl. civ. éccl. 1 152, III 119: O. Maver, Frz. V. R. S. 506.
Verf. d. O St.A. v. 30. April 1909 Justizsmlg. 31 S. 348. Da sie keine Beamten find, können die
Kultusbehörden, denen fie angehören. auch keine Staatsbehörden sein.
18 Ord. v. 25. Mai 1 Art. 19, 20. Dekr. v. 17. März 1808 Art. 12.
16 Das Schlachten im Schlachthaus durch einen anderen als den bestellten Schächter kann
nicht auf Grund des Art. 471 Ziff. 15 bestraft werden, da eine solche Handlung nicht gegen die
Schlachthauspolizei, sondern gegen die Kultuspolizei verstößt, die außerhalb der Aufgaben der Ge-
meindeverwaltung liegt. Eine gegenteilige Verordnung des Bürgermeisters wäre im Hinblick auf
den Grundsatz der Gewerbefreiheit ungültig.
20 Dekr. v. 29. Aug. 1862 Art. 4.
21 Der Verwalter oder Verwaltungsausschuß kann ohne besondere Ermächtigung des Kon-
fistorinms Rechtsgeschäfte, z. B. Käufe, Auflassungen usw., vornehmen, dagegen nicht vor Gericht
vertreten.
:8 Ob auch die Synagogen die Rechtsfähigkeit besitzen, ist bestritten. Geigel II S. 124
nimmt on, daß jede Synagoge, die vor 1844 bestand, für sich vermögensrechtlich felbständig ist.
2# Im Falle der Auflösung wird die Verwaltung einem Aus chuß übertragen, der aus dem
Oberrabbiner und vier von den Bezirkspräsidenten zu bezeichnenden Notabeln gebildet wird. Art. 23
Ord. v. 25. Mai 1844; § 2 Ges. v. 4. Juli 1879.
*“ Das erstere wurde früher von der Prüfungskommission des séminaire israslite in Paris
und das letztere vom Zentralkonsistorium erteilt. Art. 3 Dekr. v. 29. Aug. 1862. Die auf die
Ausstellung der Rabbinerdiplome bezüglichen Bestimmungen enthält die Ver. des Oberpräsidenten v.
22. Juli 1572; danach sind jetzt die Bezirkskonsistorien zuständig. insichtlich des Befähigungs-
zeugnisses gelten Art. 20 Ver. v. 10. Dez. 1806 bzw. v. 19. März 1808, Art. 12 I, 19 II, o. v.
25. Mai 1844; darüber, wo und wie das genannte Zeugnis zu erwerben ist, fehlen Vorschriften.
Die Bezirkskonsistorien haben die Entscheidung, ob sie die Zeugnisse der Rabbinerseminare in Berlin,
Breslau oder von privaten Anstalten zulassen wollen.